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Illustrations by Sarah
Teresa Putzer
Veröffentlicht
am 13.02.2023
LeuteInterview mit Anna Gschnitzer

Südtiroler Sage reloaded

Was haben patriarchale Strukturen mit der Vergeschlechtlichung der Natur zu tun? Schriftstellerin Anna Gschnitzer geht dieser Frage in ihrem neuen Theaterstück „Fanes“ nach.
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Anna Gschnitzer (36) studierte Vergleichende Literaturwissenschaften und Sprachkunst in Wien und wurde bereits mit zahlreichen Preisen für ihr Schaffen ausgezeichnet. Ab dem 15. Februar ist ihr Stück „Fanes“ unter der Regie von Cilli Drexel im Stadttheater Bozen zu sehen, es spielen unter anderem Jasmin Mairhofer, Gerti Drassl, Viktoria Obermarzoner, Lukas Spisser und Markus Weitschacher.

Anna, wie kommst du zum Theater?
Durch mein Studium der Sprachkunst habe ich mich und mein Schreiben sichtbar gemacht. Ich habe mir das Schreiben lange Zeit nicht zugetraut. Das war eine fremde Welt für mich. Ich komme aus einer Arbeiter:innenfamilie, weshalb ich es als eine Anmaßung empfunden habe, zu sagen: Ich will Schriftstellerin werden. Im Zuge meines Studiums habe ich Leute am Theater kennengelernt, die an mir und meinen Texten interessiert waren. Ohne diesen Zuspruch von außen hätte es wohl nicht geklappt.

Was gefällt dir besonders gut am Theater?
Dass mein Schreiben einen Raum und eine Stimme bekommt. Der konkrete Austausch mit Regisseur:innen und den Schauspieler:innen ist mir sehr wichtig. Ich finde es spannend, etwas zu schreiben, das für ein Publikum und für einen gemeinsamen Moment realisiert wird. Das Schreiben fürs Theater fühlt sich für mich „organischer“ an, es bekommt eine Richtung, einen konkreten Adressaten. Und ich habe mich selbst durch das Schreiben auch zum ersten Mal wirkmächtig erlebt, ich kann Einfluss auf meine Umwelt nehmen, sie mitgestalten, auch politisch.

Sind deine Stücke also immer Ausdruck deines Inneren?
Ich versuche zumindest einen Bezug zu mir herzustellen, weshalb meine letzten Stücke immer etwas thematisiert haben, das ich besonders wichtig oder spannend empfunden habe. Die Themen der letzten Theaterstücke waren Klassizismus, Mutterschaft und Feminismus. Aktuell schreibe ich an einem Stück, das häusliche und patriarchale Gewalt zum Thema haben wird.

Anna Gschnitzer

Im Februar ist dein Theaterstück „Fanes“ in Bozen zu sehen. Wie entstand die Idee dafür?
Das Theater ist auf mich zugekommen mit der Idee , den Stoff der Fanessagen als Ausgangspunkt zu nehmen. Auch das Buch von Anita Pichler „Die Frauen aus Fanes“ ist für diesen Abend wichtig. Die Autorin hat hier schon eine sehr kraftvolle und spannende Bearbeitung der Sagen vorgelegt. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich meinen eigenen Bezug zu den Sagen finden muss und mich dann letztlich auch vom Buch weg bewegt. Obwohl es einige direkte Zitate gibt. Vor allem im Prolog.

Was ist dein Bezug zu den Sagen?
Mich faszinieren am Stoff die tollen Frauenfiguren, die archaisch und kraftvollen Erzählungen und das Verhältnis von Mensch und Natur, vor allem das Verhältnis Frau und Natur. Viele dieser Frauen sind Mischwesen, sie sind Teil der Natur, haben sich mit der Natur verwandt gemacht. Besonders spannend ist in dem Zusammenhang auch das Thema Verlust und Erinnerung.

Eigentlich ist das Stück aufgebaut wie ein Thriller.

Warum?
Es geht sowohl im Inhalt als auch auf der Meta-Ebene um Verlust. Die Fanessagen sind „Oral-History“. Sie wurden also mündlich weitererzählt bis sie schließlich von Karl Felix Wolf aufgeschrieben wurden, der allerdings vieles um- oder dazugedichtet hat. Die Fragen rund um die Fanessagen lauten daher immer: Was erzählen wir nicht? Was wird ausgespart?

Was genau ist jetzt die Sage der Fanes?
Die Sagen sind sehr komplex, es gibt viele verschiedene Geschichten und Protagonist:innen. Eine Geschichte, die mich besonders interessiert hat ist die Geschichte von Moltina, der Ur-Mutter der Fanes, eine Frau, die mit den Murmeltieren einen Pakt geschlossen hat. Im Laufe der Zeit vergessen die Fanes diesen Pakt mit der Natur, es findet eine Art Verrat statt. Das löst den Zerfall der Zivilisation aus.

Eindrücke aus den Proben: Das Stück “Fanes” feiert am 15. Februar Premiere.

Und darum geht es in deinem Theaterstück?
Nein. In meiner Geschichte geht es um Verlust und um die Erinnerung aus einer gegenwärtigen Perspektive. Es geht also um eine Figur im Jetzt, die sich mit den Sagen der Fanes in Verbindung setzt. Das Stück handelt von einer Frau, die sich nach einem traumatischen Erlebnis auf eine Suche begibt. Eine Suche, die sie zum Ort der Fanes zieht. Dort passieren dann viele „sagenhafte“ geheimnisvolle Dinge, die es zu entschlüsseln gilt. Eigentlich ist das Stück aufgebaut wie ein Thriller. Das Ende wird nicht verraten.

In der Kurzbeschreibung zu deinem Stück findet sich eine starke Gegensatz-Dynamik zwischen Weiblichen und dem Männlichen. Was hat es damit auf sich?
In den Sagen ist sehr stark eine weibliche Perspektive eingeschrieben. Das hat mich dazu veranlasst, allgemein über die Vergeschlechtlichung von Natur nachzudenken. Der Diskurs von Natur ist durch Stereotype des Weiblichen und Männlichen geprägt. Aus patriarchaler Perspektive wurden Frauen und deren Körper „naturalisiert“. Demnach ist es „natürlich“, dass Frauen Kinder kriegen und Care Arbeit leisten. Das hat auch allgemein damit zu tun, dass Natur als Ressource gesehen wird, auf die man uneingeschränkt Zugriff hat, die ausgenutzt und instrumentalisiert werden kann.

Aus patriarchaler Perspektive wurden Frauen und deren Körper „naturalisiert“. Demnach ist es „natürlich“, dass Frauen Kinder kriegen und Care Arbeit leisten.

Und das ist bei deinem Theaterstück nicht der Fall?
Es war mein Ziel, Bezüge zur Natur zu schaffen, die weiblich gelesen werden können aber auf den manipulativen patriarchalen Charakter verzichten. Der Feminismus der letzten Jahrzehnte hat sich stark vom biologisch, körperlichen und von der Natur wegbewegt. Was verständlich ist, dass man sich von diesen Diskursen der Unterdrückung distanzieren und befreien will. Mein Theaterstück ist ein Versuch das Weibliche auf eine ermächtigende Weise wieder mit der Natur zusammenzuführen – ohne beides zu stereotypisieren.

Dein Theaterstück bildet laut Beschreibung „Einblicke in die Vergangenheit und fragil gewordene Gegenwart und Zukunft“. Was bezeichnest du in unserer Welt als fragil?
Gerade wenn wir auf die letzten Pandemiejahre zurückblicken, wird klar, dass wir als Lebewesen sowie die ganze Welt sehr fragil sind. Wir Menschen zeichnen uns durch eine gewisse Verletzlichkeit aus. Wir stehen nicht außerhalb der Natur und können sie schon gar nicht kontrollieren. Wenn wir das nicht akzeptieren, wird das alles katastrophal enden.

Was müssen wir verändern?
Wir benötigen Bewusstsein darüber, dass wir Menschen Teil der Natur sind und nicht außerhalb stehen, auf sie herabschauen oder kontrollieren können. Wir sehen die Auswirkungen der Pandemie und Klimakatastrophe. Das sind Erscheinungen der Natur, die wir nicht von uns wegrücken können und dürfen. Wir müssen also lernen uns als komplex mit der Welt, mit anderem Leben verbundene Lebenwesen zu begreifen. Nur wenn wir diese Verbindung wieder herstellen, können wir überleben.

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