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Illustrations by Sarah
Teresa Putzer
Veröffentlicht
am 27.02.2023
LebenInterview mit Pornodarstellerin

„Wer OnlyFans macht, macht Pornos“

OnlyFans wird als Revolution der unabhängigen Sexarbeit gefeiert. Stimmt das? OnlyFans-Star Avva über die Realität einer Pornodarstellerin und die Wahrheit hinter der Plattform.
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Avva

Pornos gehören zum Alltag: Rund ein Viertel aller Suchanfragen im Internet beziehen sich auf Pornografie. Das Durchschnittsalter von Kindern, die sich zum ersten Mal einen Porno ansehen, liegt bei elf Jahren. Viele Jugendliche erhoffen durch die Videos im Internet eine sexuelle Aufklärung. Besonders beliebt sind dabei kostenlose Pornoseiten wie Pornhub. Nur wenige Menschen sind bereit, für ihren Pornokonsum zu bezahlen und nehmen daher problematische Inhalte der Mainstream Pornografie sowie die Ausbeutung vieler Porno-Darsteller:innen in Kauf. Für Avva kommt das alles nicht in Frage. Die 20-Jährige lebt in Wien, arbeitet als Ballerina und ist Österreichs erfolgreichste OnlyFans-Darstellerin. Only Fans (OF) ist im Gegensatz zu vielen Pornoseiten im Web eine kostenpflichtige digitale Plattform mit Videos und Bildern, vorwiegend erotischen und pornografischen Inhalts. Als Pornodarstellerin produziert Avva täglich neuen Content und gehört nach knappen zwei Jahren zu einer der weltweit erfolgreichsten OF-Creator:innen.

Avva, was bedeutet es, eine der bekanntesten OF-Darsteller:innen der Welt zu sein? Was steckt hinter deinem Beruf?
Ich produziere Content, also Bilder, erotische Videos sowie Pornos und poste das alles auf OF. OF funktioniert dabei sehr ähnlich wie Instagram, Facebook und alle anderen sozialen Netzwerke. In meinem Feed lade ich täglich Bilder und Videos hoch. Die Pornos und Fotos sind dabei von ganz unterschiedlichem Inhalt. Es gibt Solo-, Boy-Girl- und Girl-Girl-Content.

Und damit verdienst du Geld?
Ja. Meine Follower:innen können mit einem monatlichen Abo von neun Dollar mir folgen. Einmal die Woche kommt ein langes Video, ein Porno von zehn bis 20 Minuten. Dafür muss man nochmal extra bezahlen. Zusätzlich verkaufe ich Custom-Made Content, also persönliche Videos mit Wünschen von Follower:innen.

Gibt es ein Management, das mit dir über deinen Content entscheidet?
Nein, ich mache das alles ganz allein und das ist mir auch sehr wichtig. Ich habe mir gleich zu Beginn meine eigenen Grenzen gesetzt, was ich produzieren möchte und womit ich mich wohlfühle. Dadurch, dass ich jetzt alleine arbeite, habe ich über meine Produktionen vollkommene Entscheidungsmacht. Ich arbeite also an der Idee, der Umsetzung und Produktion bis hin zum Bearbeiten und Posten meiner Pornos.

Wolltest du immer schon Pornodarstellerin werden?
Ich wollte immer Balletttänzerin werden. Das habe ich auch geschafft. Ich liebe die Perfektion und Kontrolle über mich selbst, die beim Ballett erforderlich ist. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper hat mich schon immer fasziniert. Da sind sich Porno und Ballett sehr ähnlich. Grundsätzlich hatte ich immer schon einen sehr hohen Sex Drive (Anm. d. Red: Sexualtrieb, Bedürfnis nach Sex) und großes Interesse an meiner eigenen Sexualität, an Fotografie und Film. Als Pornodarstellerin kann ich all meine Interessen vereinen.

Avva ist Ballerina und Pornodarsteller:in: „Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper hat mich schon immer fasziniert. Da sind sich Porno und Ballett sehr ähnlich.“

Was bedeutet Erotik für dich?
Für mich ist jemand erotisch, wenn sich eine Person in ihrem Körper und in ihren Handlungen komplett wohlfühlt. Eine Person, die sich selbst sexy empfindet, strahlt in meinen Augen pure Erotik aus. Ich definiere Erotik also nicht nach bestimmten äußeren Attributen, sondern nach der Fähigkeit, einer Person Gefühle wie Sinnlichkeit zu transportieren. Ein Sex Tape ist für mich dann erotisch, wenn die Gefühle der Person ehrlich sind und man merkt, dass sie wirklich Spaß hat und Lust empfindet.

Warum genau OF? Was unterscheidet die Seite von anderen pornografischen Seiten?
Am wichtigsten ist mir, dass ich selbst darüber entscheiden kann, was ich, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt produzieren möchte. Daher war mit von Anfang an klar, dass ich bei keiner Agentur für Mainstream-Pornografie arbeiten möchte. Als Jugendliche bin ich auf Erika Lust gestoßen, die Ethical Paid Porn produziert. Meiner Meinung nach ist ethische und bezahlte Pornografie die einzige Pornografie, die man konsumieren sollte. Den Ansatz dahinter fand ich super spannend und wollte das selbst ausprobieren. Dafür bietet OF eine geeignete Plattform.

Du bezeichnest deine Videos als Ethical-Feminism-Porn: Inwiefern ist deine Arbeit ethisch und feministisch?
Ich habe die volle Kontrolle über mich, meinen Körper und den Content, den ich produziere. Ich frage mich auch immer als Frau, was ich ästhetisch und ansprechend finde. So produziere ich keinen ausschließlich für Männer attraktiven Content und bin sehr darauf bedacht, die weibliche Seite der Pornografie herauszuarbeiten. Ich zeige zum Beispiel nicht ausschließlich typisch harten Sex aus männlicher POV-Position in meinen Videos.

Das ist kein ethisches, sondern toxisches und extrem abhängiges Arbeitsfeld für die Darsteller:innen

Und in der Mainstream-Pornografie ist das anders?
Dort bestimmt in der Regel die Produktionsfirma alles. Wenn sie zum Beispiel für ein Video eine junge, schlanke, blonde und natürliche Darstellerin brauchen, dann leitet die Agentur der Darsteller:innen das Skript an passende Kanditat:innen weiter. Diese können dann nur zwischen „Ja: Ich verdiene Geld oder Nein: Ich geh leer aus“, entscheiden und haben sonst wenig Mitspracherecht. Sollten sie sich für den Dreh entscheiden, erfahren sie erst beim Dreh mit wem gedreht wird, was für ein Team anwesend ist, ob sie sich wohlfühlen usw. Das ist kein ethisches, sondern toxisches und extrem abhängiges Arbeitsfeld für die Darsteller:innen.

Ist es dir deshalb so wichtig, dein eigener Boss zu sein?
Genau. Ich will meine Sexualität für mich ausleben und kreativ sein. Ich verurteile niemanden, der für Seiten wie Pornhub arbeitet oder diese Form von Pornografie konsumiert. Jede:r sollte sich aber über die Arbeitsbedingungen am Set, der Abhängigkeit und der Ausbeutung von Darsteller:innen bewusst sein.

Was denkt dein Umfeld über deinen Beruf?
Meine Familie hat nicht mit Jubelschreien auf meinen neuen Job reagiert, aber ist total okay damit. Ich wurde sehr offen über Themen wie Körperkultur und Sexualität erzogen, was sicherlich viel zu meiner Berufswahl und Einstellung zum Thema Sexualität beigetragen hat. Mein Umfeld ist generell sehr offen und sexpositive (Anm. d. Red: positive und offene Haltung gegenüber Sexualität) eingestellt. Meine Freunde haben gegenüber mir und meiner Arbeit keine Vorurteile, sondern interessieren sich sehr stark dafür, was ich genau mache. Viele haben daher einen Gratis-Zugang zu meinem OF-Feed, weil ich ihr Feedback schätze und ich sie auch über meine Arbeit und meine Meinung zu guter Pornografie aufklären will.

Wieviel Arbeit steckt hinter OF?
Unglaublich viel. Viele können sich das nicht vorstellen, aber die Arbeit als OF-Darstellerin ist unglaublich kräftezehrend. Ich arbeite 16 Stunden am Tag und habe nie einen Tag frei. OF ist ganz stark an Soziale Medien wie Instagram, Youtube und Tik Tok gebunden, weshalb man immer viel Content produzieren, schneiden, bearbeiten und hochladen muss. Wenn man das nicht macht, ist man weg vom Fenster. Es gibt bei OF keine Suchfunktion, weshalb man eine Fanbase auf den anderen Social Medias aufbauen muss. Man ist also neben dem Beruf der Pornodarstellerin auch Influencerin. Der Algorithmus verzeiht einem keinen Urlaub oder mal einen Tag Pause. Ich kann auch nicht viel Material vorproduzieren, weil täglich neue Trends entstehen, die zeitlich umgesetzt werden müssen.

Ich habe insgesamt sechs TikTok-Accounts, einen Instagram- und einen Youtube-Kanal.

Wie sieht dein Alltag aus?
Nach dem Aufstehen beantworte ich erstmal Fragen meiner Follower:innen und chatte mit ihnen. Dann geht es darum, möglichst viele Tik Toks zu produzieren und Bilder zu shooten für Instagram. Ich habe insgesamt sechs TikTok-Accounts, einen Instagram- und einen Youtube-Kanal. Neben der Social Media-Arbeit muss dann noch der Content für OF gemacht werden: Bilder, Pornos, Customer Request Content usw. Am Nachmittag bearbeite ich die Videos und Bilder, schneide sie und lade alles hoch. Zusätzlich halte ich meinen ganzen Tag mit Storys auf Instagram fest, um Online-Präsenz zu zeigen.

Wird dir das nie zu viel?
Bisher noch nicht (lacht). Die Berufswelt ist aber sehr toxisch, weil man immer unter immensen Druck steht. Mehr geht immer: Ich könnte immer noch einen Account erstellen, noch ein Bild shooten, noch ein Video drehen… Ich weiß nicht, wie lang man das in dieser Form durchalten kann. Aktuell macht mir das alles aber unendlich viel Spaß und die Arbeit ist wie ein Hobby, eine Passion für mich. Dass ich nicht einfach zwei Wochen in den Urlaub fahren kann, stört mich bislang nicht.

Das klingt sicherlich für viele nach einem Traum: Das Hobby zum Beruf machen…
Ja, das ist das Problem, wenn man über OF spricht. Ich möchte niemanden dazu animieren, OF zu machen. Es steckt so viel Arbeit dahinter und der Beruf birgt auch andere Gefahren, da viele Agenturen OF in einem falschen Licht bewerben.

Wenn ihr euch nicht denkt: „Geil, ich will Pornos drehen, das macht mich an und ich will, das Leute meine Pornos anschauen“, Hände weg von OF.

Inwiefern?
Sie bewerben OF als Social Media-Plattform wie Instagram und viele OF-Darsteller:innen sind nicht ehrlich und sagen so etwas wie „Ich mache OF“. Das Wort Pornografie wird dabei von niemandem in den Mund genommen. Das verfälscht den Beruf und ist für Interessierte sehr gefährlich. Die eigentliche Arbeit wird versteckt und so denken viele junge Frauen, dass ein paar ästhetische Bilder ausreichen, um in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen. Jeder, der OF machen will, muss sich aber darüber bewusst sein, dass es sich um Sexarbeit handelt: Wer OF macht, produziert Pornos und ist Pornodarsteller:in.

Was sollten Interessierte über OF wissen?
OF ist eine Plattform für Sexarbeiter:innen. Das muss in Zukunft so kommuniziert werden. Viele Frauen wissen, dass der Beruf der Sexarbeit nichts für sie ist, werden aber durch die Verschleierung des Berufs hinter dem Begriff „OF machen“ implizit dazu gedrängt, obwohl sie sich in ihrer Sexualität und ihrem Körper nicht wohlfühlen. Mein Appell an alle jungen Frauen, die interessiert sind, OF zu betreiben, lautet also: Wenn ihr euch nicht denkt: „Geil, ich will Pornos drehen, das macht mich an und ich will, das Leute meine Pornos anschauen“, Hände weg von OF.

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