Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Er verhält sich ruhig, arbeitet konzentriert und langsam. Hektik mache sie angriffslustig. Kopf und Gesicht schützt er mit einem weißen Hut aus Stoff und Drahtgeflecht, die Hände mit Handschuhen, die bis zu den Ellenbogen reichen. Um ihn herum monotones Surren. Unter dem Schutzanzug steckt Daniele Piscopiello, 26 Jahre alt, Imker, Student im Fach Agrarwissenschaften und Umweltmanagement und angehender Landwirt. Zusammen mit Freundin Anna Gruber hält der gebürtige Meraner zurzeit zehn Bienenvölker in Ulten.
„Die Bienen merken sofort, wenn man nervös ist“, sagt er, während er mit langsamen Bewegungen den Deckel einer Bienenzarge abnimmt und die Bienen hastig heraus schwirren. Ein gutes Volk, die Waben sind schon gut mit Honig befüllt.
Daniele ist nur einer von vielen Imkern in Südtirol. 2016 zählt der Südtiroler Imkerbund 3.092 Mitglieder. Haben früher meist nur ältere Leute den Imkerberuf erlernt oder sich hobbymäßig um Bienen gekümmert, interessieren sich heute auch immer mehr junge Südtiroler für das Handwerk. „Das Interesse von jungen Leuten ist sehr groß. Dies sehen wir an den wachsenden Teilnehmerlisten für das Grundmodul der Imkerschulen“, bestätigt der Imkerbund Südtirol. Daniele und Anna haben im Februar 2015 den Imkerkurs in Kortsch besucht. Zwar könnte man in Südtirol auch auf eigene Faust und ohne Kurs mit dem Imkern anfangen, Daniele empfiehlt ihn dennoch jedem, um die Biologie der Biene zu studieren und die Krankheiten kennenzulernen. Dass man als Kursteilnehmer vom Land unterstützt werde, sei ein weiterer Anreiz für den Kurs.
Regelmäßig kontrolliert der Imker, ob mit seinen Bienen alles in Ordnung ist. Heute will er Abtrenngitter unter die oberste Zarge legen, um den Honigraum vom Brutraum zu trennen. Dadurch kann er später Jungfernwabenhonig gewinnen, „der besser schmecken soll“, erklärt Daniele. Vor der Arbeit befüllt er den Smoker mit getrocknetem Salbei und der alten Räucherpflanze Beifuß, zündet die Kräuter an und pumpt den Rauch Richtung Bienen. Er imitiert einen Waldbrand, die Bienen saugen sich mit Honig voll, werden schwerer und sind dadurch nicht mehr so angriffslustig. „Bienen sind nicht wie Säugetiere, man kann sie nicht zähmen. Durch den Rauch werden sie ruhiger. Und die Menschen auch“, sagt er und schmunzelt.
Angefangen haben Anna und Daniele mit einem Stock von Annas Opa im Sommer 2013. Vergangenes Jahr haben sie auf zehn Völker aufgestockt, indem sie Ableger machten, die Völker immer wieder teilten: einige Brutwaben mit Bienen raus, hinein in eine andere Zarge, wo die Arbeiterinnen selbst eine Königin machen. Oder sie kauften eine Königin dazu, was schneller geht. „Ableger macht man auch deshalb, damit das Volk kleiner bleibt und nicht ausschwärmt“, erklärt Daniele, bläst nochmal Rauch in die Zargen und nimmt eine Wabe voller Bienen heraus. Würden sie ausschwärmen und er könnte sie nicht einfangen, bedeutete dies den fast sicheren Tod. „Die Honigbienen sind heute ohne den Menschen nicht mehr lebensfähig“, sagt er. Und auch umgekehrt brauchen die Menschen die Bienen. Wissenschaftler der Harvard-T.H.-Chan-Hochschule für Gesundheitswesen in Boston haben die Auswirkungen vom Aussterben der Bienen und anderer Pflanzen bestäubender Insekten untersucht. Sollten die Tiere vollständig aussterben, würde die weltweite Früchteernte um knapp 23 Prozent zurückgehen.
In China gibt es heute bereits keine Bienen mehr, dort müssen Menschen den Job der bestäubenden Insekten übernehmen.
Die Problematik des Bienensterbens ist heute allgegenwärtig. Die Zahl der Bienenvölker in Europa und Nordamerika ist stets rückläufig. In den USA sank sie zwischen 1947 und 2005 um 59 Prozent, in Mitteleuropa zwischen 1985 und 2005 um 25 Prozent. In China gibt es heute bereits keine Bienen mehr, dort müssen Menschen den Job der bestäubenden Insekten übernehmen.
Bienen sterben aufgrund der Pestizide und aufgrund der Monokulturen in der Landwirtschaft. Wildbienen, Mauerbienen, Holzbienen oder Hummeln leiden besonders darunter. Sie haben keine Lobby, die sich um sie kümmert. „Durch diese äußeren Einflüsse und vor allem durch die Varroamilbe ist die Honigbiene vom Menschen abhängig geworden“, weiß Philip Hillebrand. Der 27-jährige Bachelor in Umwelt- und Bioressourcenmanagement besucht derzeit den Imkerkurs in Kortsch mit zwei Freunden. Rund die Hälfte der heurigen 14 Teilnehmer ist unter 30.
Die braunrote millimetergroße Varroamilbe, eingeschleppt aus Asien, ist der größte Bienenkiller. Sie befällt ausschließlich Insekten und schwächt die Bienen durch Aussaugen der Larven und durch schädigende Viren.
„Würde man die Bienen bei einem Varroabefall nicht behandeln, würde ein Volk nach dem anderen zugrunde gehen“, weiß Philip. Der bärtige Marlinger hat zurzeit fünf Bienenvölker in einem Bienenhaus auf dem Ritten. Als Gründe, warum er dieses Jahr mit dem Imkern angefangen hat, gibt er dieselben wie Daniele und Anna an: „Abgesehen vom Honig, der mir schmeckt, und den vielen Produkten, die man gewinnen kann, haben Bienen einen riesigen ökologischen Wert aufgrund der Bestäubung“, sagt er. „80 Prozent der Früchte werden von Bienen bestäubt.”
Drei Wochen sind vergangen, seitdem Daniele die Abtrenngitter zwischen die Zargen gelegt hat. Jetzt kann er endlich seinen ersten Honig schleudern. Pro Bienenstock gewinnt er um die zehn bis 30 Kilogramm Honig. Auch bei Philip steht heute Honigschleudern auf dem Programm. Sein erstes überhaupt. Er nimmt vorsichtig die vollen Waben aus den Zargen, über zwei Kilogramm wiegt so eine volle Wabe, und kehrt die aufgeregten Bienen ab. Die Waben kommen in die Honigschleuder. Einige Male kräftig kurbeln, schon fliegt der Honig aus den Waben und fließt goldig dick an der Metallwand entlang in den Behälter.
Obwohl es das Wetter dieses Jahr nicht gut meinte, kann sich der Ertrag sehen lassen. „Als die Bienen den ersten Honig eingetragen haben, war das ein schöner Moment“, sagt Philip. „Ich habe mich gefreut wie ein Kind, das vor einem Geschenk steht.“ Jetzt lässt er den Honig noch einige Tage stehen, der weiße Schaum, der sich an der Oberfläche bildet, wäre bitter. Dann füllt er ihn in Halbkilo- und Kilogläser ab.
Irgendwann möchte er neben Honig auch Propolis erzeugen, ein paar Liter Met und Kerzen aus dem Wachs. „Beim Imkern kann man vielfältige Produkte machen, die Produkte sind dabei nur das Zuckerle, im Gegensatz zur Leistung der Bestäubung durch die Bienen, die man gar nicht messen kann“, sagt Philip. Durch das Imkern hat er eine ganz andere Sichtweise auf die Natur bekommen. Und er wird weitermachen, wie Daniele und Anna. Auch wenn es ein teures Hobby ist. Rund 3.000 bis 5.000 Euro kostet allein das Material, bis man mit dem Imkern anfangen kann – aber schließlich ist der Erhalt der Honigbiene unbezahlbar.
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support