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Wir waren auf einem guten Weg. Es ist erst zwei Jahre her, da kürte Heidi Klum zum ersten Mal ein Curvy Model zur Siegerin ihres Wettbewerbs. Doch die Zeiten der Bodypositivity scheinen bereits wieder vorbei zu sein. Nach den Cleangirls und Tradvwives sind nun die Skinny Girls da. Wer schön sein will, muss das „Skinny Girl Mindset“ erlernen, wie zahlreiche Frauen auf der sozialen Medien-Plattform TikTok propagieren. In ihren Videos posieren sie bauchfrei in enger Jeans oder Unterwäsche, geben Tipps, wie andere schnell dünner werden können und glorifizieren einen sehr schlanken Körper: „Ich bin hier, um dir jetzt zu sagen, pack endlich dein Essen weg.“ „Bist du heute aufgewacht und hast dir gedacht, ,dünn sein ist mein Outfit‘? Nein? Dann ändere das.“ „Wenn du skinny werden willst und skinny bleiben willst, dann gewöhn dich daran, zu hungern.“ Oder: „Wenn dein Magen knurrt, dann applaudiert er dir.“
Nicht nur besorgte Eltern und Feminist:innen empören sich über den gefährlichen Trend, auch die Europäische Union setzte Kurzvideoplattform zunehmend unter Druck, gegen die Videos vorzugehen.
Die Influencerinnen zeigen, wie viele Schritte man täglich machen muss und welcher Brennnesseltee am besten hilft, um abzunehmen. Oder erklären, dass man eine Gurke statt Öl verwenden kann, um die Pfanne einzureiben und dass eine Tasse mit purer Knochenbrühe als Mahlzeit völlig ausreicht. Denn, um es in den Worten eines Skinny Girls zu sagen: „Nur Hunde brauchen einen ,Treat‘ (zu Deutsch: „Snack“ oder „Leckerli“).
Nicht nur besorgte Eltern und Feminist:innen empören sich über den gefährlichen Trend, auch die Europäische Union setzte Kurzvideoplattform zunehmend unter Druck, gegen die Videos vorzugehen. Die Folge: TikTok hat nun #skinnytok gesperrt. Gibt man den Hashtag in die Suchleiste ein, dann erscheint nun ein Text mit: „Wenn du Fragen zur Körperwahrnehmung, zum Essen oder zu körperlicher Betätigung hast oder jemanden kennst, der solche Fragen hat, ist es wichtig, dass du Folgendes weißt: Es gibt Hilfe und du bist nicht allein. (…) Denk bitte daran, dich immer gut um dich selbst und um andere zu kümmern.“ Dazu ein Link zu verschiedenen Hilfsangeboten. Problem gelöst, würde man denken. Doch die Videos sind noch da. Unter anderen Hashtags, aber mit selbem Inhalt. Und zum Teil mit mehreren tausend Aufrufen.
Im Jahr 2023 verzeichnete man bei Mädchen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren einen alarmierenden Anstieg von fast 50 Prozent bei Essstörungen wie Magersucht, Bulimie und
Und das in Zeiten, in denen die Zahl von Essstörungen deutlich gestiegen ist, wie die Kaufmännische Krankenkasse für Deutschland vor kurzem berichtete. Im Jahr 2023 verzeichnete man bei Mädchen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren einen alarmierenden Anstieg von fast 50 Prozent bei Essstörungen wie Magersucht, Bulimie und Binge Eating im Vergleich zu 2019. In keiner anderen Gruppe sei der Anstieg derart drastisch. Gleichzeitig zeigt eine andere Erhebung, wie tief das Streben nach dem gesellschaftlichen Schönheitsideal verankert ist: 44 Prozent der australischen Frauen wären bereit, ein ganzes Jahr ihres Lebens dafür zu opfern, wenn sie dafür das „perfekte Äußere“ hätten.
Sind es nun Fitnessinfluencer:innen, die ihre Produkte mit Süßstoff bewerben, die „Abnehmspritze“ Ozempic oder #skinnytok: Die Schönheitsideale der 2000er sind wieder da. Menschen, die als Frau sozialisiert wurden, wird schon wieder ein neues, kaum erreichbares Schönheitsideal verkauft. Denn wer mit dem Dünnsein beschäftigt ist, hat keine Zeit, über andere Dinge nachzudenken. Wenn Frauen also immer schmaler, kleiner, „cleaner“, dünner werden, dann stören sie weniger. Sie sind nicht laut und nehmen weniger Platz ein. Und sie verschwinden immer mehr, bis sie schließlich gar nicht mehr da sind.
Links:
https://www.bodyandsoul.com.au/wellness/mental-wellbeing/body-image-dove-global-state-of-beauty-report/news-story/eb72dae649c46d23413dda59ca9216e5
https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/zunahme-essstoerungen-100.html
https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/beautypolizei
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