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Illustrations by Sarah
Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 02.10.2017
LeuteInterview mit Lenz Koppelstätter

Tatort Südtirol

Auch in seinem dritten Krimi erklärt Lenz Koppelstätter die Südtiroler Idylle zum Tatort. Warum sich Südtirol als Schauplatz besser eignet als Berlin und wie der Autor für seine Romane recherchiert.
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Irgendwann reichten dem Journalisten und Kolumnisten Lenz Koppelstätter seine Artikel nicht mehr. Deshalb wagte er den Sprung in die Literatur und veröffentlichte 2015 seinen ersten Kriminalroman „Der Tote am Gletscher“. Bei dem einen Debüt, das bei Kritik und Publikum auf großen Zuspruch traf, blieb es aber nicht. Nach „Die Stille der Lärchen“ erscheint im Oktober nun der dritte Band der Reihe, dessen Hauptfigur Commissario Grauner aus Bozen ist. Der Titel „Nachts am Brenner“ verrät es schon: Auch der neueste Mordfall, den der Commissario übernimmt, spielt in Südtirol. Dorthin ist auch Autor Lenz Koppelstätter wieder zurückgekehrt. Nach dem Studium an der Deutschen Journalistenschule in München arbeitete er zehn Jahre lang in der deutschen Hauptstadt für überregionale Zeitungen und Magazine. In dieser Zeit schrieb er für BARFUSS die beiden Kolumnen 865 Kilometer und Auch schon 30. Zur Veröffentlichung seines dritten Krimis ein Gespräch über die Kunst des Schreibens, die Recherchen zum Buch und die Frage, ob Südtirol als Tatort blutrünstiger Morde überhaupt geeignet ist.

Seit 2015 veröffentlichen Sie im Jahrestakt einen Roman. Das ist ein hoher Arbeitsrhythmus. Wie kamen Sie überhaupt zum Krimi-Schreiben?
Geschrieben habe ich ja vorher schon, das war meine Arbeit. Was den Umfang der Arbeiten angeht, endet es für einen Journalisten aber meistens bei der Reportage, also bei ungefähr 18.000 Zeichen. Danach kommt lange nichts mehr und dann kommt das Format des Buches. Das wollte ich eigentlich immer schon machen, aber abgesehen von einigen Schreibversuchen war da zunächst nichts. Ich dachte früher an klassische Jugendromane, ein bisschen Sex, Drugs und Rock ‘n’ Roll. Das hat sich mit fortschreitendem Alter geändert. Ich weiß noch, wie ich mit Freunden in Köln Karneval gefeiert habe. Alle waren angenehm betrunken und es ergab sich jene Atmosphäre, in der man sich plötzlich die großen Fragen des Lebens stellt. Da fiel die Entscheidung. Ich sagte mir: Wenn du ein Buch schreiben willst, dann ist das Beste, du fängst einfach mal damit an!

Haben Sie auch vorher schon literarische Texte geschrieben?
Als Schüler habe ich beim literarischen Wettbewerb der Sparkasse mitgemacht und gewonnen. Eigentlich wurde ich Zweiter, aber der erste Platz wurde nicht vergeben (lacht). Auch ein paar Kurzgeschichten, so für mich, habe ich schon geschrieben. Wahnsinnig viel für die Schublade habe ich aber nicht produziert. Das Schöne am Bücherschreiben ist, dass jeder es ausprobieren kann – ohne finanziellen Aufwand. Das gibt es in der Musik- oder Filmbranche zum Beispiel nicht. Ein Buch kann aber wirklich jeder von uns schreiben. Was es natürlich braucht, sind Talent, Ausdauer, Mut und einen großen Willen.

Kriminalromane werden oft als seichte Literatur abgetan, wenn nicht sogar in Zweifel gezogen wird, ob es sich dabei überhaupt um Literatur handelt. Was sagen Sie dazu?
Das ist eine öde Diskussion. Man kann natürlich darüber diskutieren, was Literatur und was nicht Literatur ist, beziehungsweise was Trivialliteratur ist. Aber das am Genre festzumachen, finde ich etwas lächerlich. Das macht man inzwischen auch nicht mehr, diese Zeiten sind vorbei. Gute Krimis haben ja längst schon das Feuilleton erreicht. Ich selber lese eigentlich kaum Kriminalromane. Wenn, dann lese ich sie nicht, weil es Krimis sind, sondern weil der Autor eine wahnsinnig tolle Geschichte erzählt.

Lenz Koppelstätter im Interview.

Auf Ihren Büchern steht „Ein Krimi aus Südtirol“. Wen zieht das mehr an – die Deutschen, die Südtirol aus ihrem Urlaub kennen, oder die Südtiroler selbst?
Die Bücher sind für ein deutsches Publikum geschrieben. Sie sind in einem großen deutschen Verlag erschienen, liegen in deutschen Buchhandlungen auf. Was mich aber sehr gefreut hat, ist dass sie auch in Südtirol sehr gut ankommen. Sie verkaufen sich relativ gut, es gibt viel Resonanz und zu den Lesungen kommen viele Interessierte. Man hätte als Südtiroler genauso gut darüber hinwegschauen können, sobald da wieder jemand über Südtirol schreibt. Das hätte ich in Kauf nehmen müssen. Es kam aber anders.

Warum haben Sie gerade Südtirol zum Tatort gemacht?
Für mich war klar, dass ich meine Geschichte irgendwo spielen lassen will, wo ich mich auskenne. Da kam Südtirol in Frage, weil ich hier aufgewachsen bin, oder Berlin, wo ich in den letzten Jahren gelebt habe. Berlin war mir aber dann doch zu groß, zu düster. Liest man da täglich den Polizeibericht, hat man schon seinen Krimi.

Da war dann die Idylle Südtirols reizvoller?
Ja, es ist dieser Gegensatz: Südtirol, das klischeehaft Schöne auf den Werbeplakaten, manchmal zu schön um wahr zu sein – das zu brechen, mit Dunkelheit und Abgrund, mit etwas Bösem, das hat mich fasziniert.

Hauptfigur Ihrer Bücher ist der Kommissar Grauner. Wer ist das eigentlich, dieser Kommissar? Und hat man nach dem dritten Buch eine gewisse Bindung zur eigenen Figur aufgebaut?
Der Grauner ist zufrieden mit dem, was er hat. Er ist nicht jemand, der die Welt erobern will. Im Gegenteil, manchmal hat er sogar etwas Angst davor, dass die ganze Welt über ihn hereinbricht. Er hat auf jeden Fall eine hohe Moral – die muss man auch haben, sonst ist man als Kommissar fehl am Platz. Außerdem hat er eine Naturkomponente. Er hat einen Bauernhof, der ihm wichtig ist, eigentlich sogar am wichtigsten. Dazu kommt eine sinnliche Seite. Er ist ein Liebhaber klassischer Musik, vor allem von Mahler. In vielerlei Hinsicht ist der Grauner anders als ich. Aber ich mag ihn, so wie man als Autor im Grunde selbst die sogenannten bösen Figuren mögen muss, um über sie schreiben zu können. Nach mehreren Monaten des Schreibens, in denen ich mich täglich mit dem Kommissar beschäftige, bin ich aber auch froh, ihn wieder in eine Schublade zu stecken. Das ist bei guten Freundschaften ja genauso. Manchmal tut ein bisschen Entfernung auch ganz gut.

Um über den Alltag eines Kommissars Bescheid zu wissen, mussten Sie sich polizeiliches Fachwissen aneignen. Wie sind Sie da vorgegangen?
Das ist genau wie beim Journalismus: Selbst muss man von überhaupt nichts eine Ahnung haben. Man muss nur jemanden kennen, der viel weiß, und sich alles erzählen lassen. Bei jedem Buch hatte ich meine Experten. Ein guter Freund von mir, der jetzt bei der Staatsanwaltschaft ist, war früher Kommissar. Er kennt das Polizeiwesen in Südtirol in- und auswendig. Er liest die Bücher und sagt manchmal: Schau Lenz, ich könnte dir Dinge erzählen, die könntest du nicht einmal schreiben, das würde dir keiner glauben. Außerdem ist seit dem ersten Buch auch eine Gerichtsmedizinerin aus Kiel dabei, die mir ein befreundeter Arzt empfohlen hat. Sie liest die relevanten Passagen und wenn dann etwa steht „da spritzte Blut“, kann sie mich berichtigen und erklären, dass da überhaupt kein Blut spritzen kann. Zu den besonderen Themen der verschiedenen Bände ziehe ich dann jeweils noch eigene Experten zu Rate.

Was ist schwieriger beim Krimi-Schreiben, die Rahmenhandlung durchzudenken oder das Schreiben an sich?
Ganz klar das Schreiben. Die Rahmenhandlung habe ich ziemlich schnell, ich muss eigentlich nur spazieren gehen und schon habe ich ein paar gute Ideen. Mehr Schwierigkeiten bereitet die Tatsache, dass es bei der einen Idee nicht bleibt. Oft verselbständigt sich die Geschichte während des Schreibprozesses und nimmt einen neuen, unerwarteten Lauf. Das muss man zulassen, glaube ich, aber man muss halt in der Lage sein, auch den Rest der Handlung diesen Wendungen anzupassen.

Wird es weitere Fälle für den Kommissar Grauner geben?
Wenn ein Buch fertig ist, glaubt man, man brauche jetzt eine ewig lange Pause. Nach kurzer Zeit kribbelt es aber schon wieder und man denkt nach: Was könnte ich als Nächstes machen? Wenn das einmal nicht mehr so ist, lasse ich es. Aber solange die Lust da ist … Es wird auf jeden Fall einen vierten Fall geben. Das entscheide ich eigentlich immer von Buch zu Buch. Mal sehen, ob ich Donna Leon einhole, die hat bald an die 30 Bände.


Auf BARFUSS gibt es morgen einen Vorabdruck des neuen Krimis von Lenz Koppelstätter.

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