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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 24.04.2017
LeuteAuf a Glas'l mit dem Ernährungstherapeuten

Schluss mit Diät

Veröffentlicht
am 24.04.2017
Man muss sich auch einmal etwas gönnen: Ernährungstherapeut Christian Thaler über richtige Ernährung, Unverträglichkeiten und die Tricks der Lebensmittelindustrie.
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Schon als kleiner Junge lebte ihm sein Vater vor, wie wichtig gesunde Ernährung ist: Als Koch verarbeitete er hauptsächlich frische und gesunde Lebensmittel, als Lehrer sensibilisierte er für das Thema. Das hat Christian Thaler geprägt. Der 34-Jährige arbeitet als Ernährungstherapeut in Brixen – in einem Zentrum für Rehabilitation, Sport, Ernährung und psychologische Betreuung. Er hält Vorträge über gesunde Ernährung, Lebensmittelunverträglichkeiten und über die Tricks von Lebensmittelindustrie und Supermärkten.

Was macht ein Ernährungstherapeut?
Er schaut, dass sich seine Klienten gesund ernähren und keine Mangelernährungen haben. Bei Krankheitsbildern versucht er die Symptome zu lindern und unterstützt bei der Optimierung der sportlichen Ziele. Durch Übergewicht können Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Gicht entstehen. Solche Krankheitsbilder kann man mit gesunder Ernährung verhindern oder verbessern. Wenn Klienten zu mir kommen, mache ich zuerst eine Ernährungsanamnese. Unter anderem messe ich die Körperzusammensetzung, also die Fett- und Muskelmasse der Person. Anhand von Blutproben wird dann ein individueller Ernährungsplan berechnet.

Worauf sollte jeder bei der Ernährung achten?
Es gibt nicht die Tipps, denn man muss immer die eigene Lebenssituation beachten. Eine wichtige Grundregel ist aber, dass man mehrere kleine Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen sollte. Dadurch fällt man nicht in den Unterzucker und der Heißhunger bleibt aus. Man sollte so viel wie möglich frisch essen und viel rohe Kost zu sich zu nehmen. Der Mythos, dass man abends keine rohen Produkte essen sollte, stimmt nicht. Man sollte viel Wasser und ungesüßten Tee trinken und so wenig wie möglich Fertigprodukte essen. Sie beinhalten Stoffe wie Glutamat, die den Hunger künstlich fördern. Vollwert ist natürlich auch immer besser. Das bezieht sich nicht allein auf Vollkornprodukte, sondern bedeutet etwa auch, dass man Obst und Gemüse mit Schale essen sollte. Frisch, regional und saisonal: Diese drei Dinge gilt es bei der Ernährung zu beachten. Natürlich spielt auch die Bewegung eine zentrale Rolle.

Was hältst du von Ernährungstrends wie Low Carb?
Ich halte sehr wenig davon. Das sind Ernährungsformen, mit denen man zwar anfangs Erfolge hat, die man aber meist nur einige Monate durchhalten kann. Dann fällt man in alte Gewohnheiten zurück. Man muss bei der Ernährung auch den sozialen Aspekt berücksichtigen. Wenn alle zusammen Pizzaessen gehen und man sagen muss, dass man nicht mitkommen kann, weil man Low Carb macht, wird man bald genug davon haben. Viele meiner Klienten haben das bis zu einem Jahr durchgehalten, dann bekamen sie oft Heißhunger. Der berühmte Jo-Jo-Effekt setzte ein. Am Ende hatten sie mehr Kilos drauf und haben ihren Körper Stress ausgesetzt.

Das Wort Diät sollte jeder aus seinem Wortschatz verbannen, denn eine Diät ist immer mit Verboten verbunden und wenn etwas verboten ist, wird es interessanter.

Was hilft gegen Heißhunger?
Damit Heißhunger erst gar nicht entsteht, sollte man wie gesagt häufig kleine Mahlzeiten zu sich nehmen – am besten alle zwei bis zweieinhalb Stunden. Außerdem sollte man viel trinken und viele Ballaststoffe aufnehmen. Heißhunger kann aber auch hormonelle Ursachen haben. Er kann etwa auftreten, wenn man aufgeregt ist, bei Stress oder bei Frauen während oder kurz vor der Periode. Wenn man Heißhunger bekommt, sollte man zu Obst greifen. Ab und zu sollte man sich aber auch mit einer Süßigkeit belohnen, denn trotz gesundem Essen ist es ganz wichtig, sich ab und zu was zu gönnen. Es gibt viele, die sagen: Das darf ich nicht, ich bin auf Diät. Das Wort Diät sollte jeder aus seinem Wortschatz verbannen, denn eine Diät ist immer mit Verboten verbunden und wenn etwas verboten ist, wird es interessanter. Man muss eine Ernährung für sich finden, die man langfristig einhalten kann. Man soll auch mal ohne schlechtes Gewissen einen Kuchen essen. Das ist ganz wichtig.

Mit welchen Tricks arbeiten die Supermärkte?
Bei größeren Supermärkten kann man nicht einfach rein- und rausgehen, sondern muss durch das ganze Geschäft gehen. Das animiert, mehr zu kaufen. Auch die Platzierung ist nicht zufällig gewählt. Grundnahrungsmittel wie Brot sind meist ganz hinten platziert, damit man durch den ganzen Laden gehen muss. Einige Supermärkte arbeiten bereits mit Gerüchen. Geht man hier an Süßigkeiten vorbei, weht einem ein Schokoladengeruch entgegen. Das fördert die Kauflust. Ein bekannter Trick sind die Süßigkeiten an der Kasse. Hier wird man noch einmal animiert, zu kaufen. Auch beim Einkaufswagen wird getrickst: Je größer er ist, desto stärker das Gefühl, dass man wenig gekauft hat. Obst und Gemüse werden meist im Eingangsbereich platziert. So kauft man gleich zu Beginn etwas Gesundes, hat ein gutes Gefühl und kauft später eher etwas Ungesundes. Auch die Beleuchtung spielt eine große Rolle. Bei 18 Grad Raumtemperatur und leichter Hintergrundmusik hält man sich außerdem gern länger im Supermarkt auf.

Wie trickst die Lebensmittelindustrie?
Schwarze Oliven im Glas sind oftmals grüne, die schwarz gefärbt sind. Das erkennt man meistens erst, wenn man sie bereits gekauft hat. Champignons werden vor dem Verkauf oft stark gewässert. Sie saugen sich mit Wasser voll und sehen so schöner aus. Dabei bestehen sie meist zu 50 Prozent aus Wasser. Wenn man sie kocht, halbieren sie sich. Um ihre Qualität zu testen, kauft man am besten offene Champignons und drückt den Stiel zusammen. Tritt Wasser aus, sollte man die Finger davon lassen. Auch mit sogenannten Light-Produkten trickst die Lebensmittelindustrie. Sie wurden eigentlich für Diabetiker entwickelt, indem Zucker entfernt und Süßstoff hinzugefügt wurde. Heute denken viele, sie tun sich mit solchen Produkten etwas Gutes, weil sie weniger Kalorien zu sich nehmen. Dabei ist oft genau das Gegenteil der Fall. Wenn man den Zucker weglässt, muss man den Geschmack ausgleichen. Deshalb wird den Produkten mehr Fett hinzugefügt oder es werden Geschmacksverstärker verwendet. Zudem weiß man mittlerweile, dass ein Großteil der Süßstoffe wie etwa Aspartam krebserregend sind.

Wie gut oder schlecht sind die Zucker-Alternativen Stevia oder Birkenzucker?
Stevia finde ich optimal, wenn man sich die Steviapflanze kauft und sie selbst verarbeitet. Entweder man trocknet sie und mörsert sie zu einem Pulver oder man nimmt etwa 250 Millimeter Wasser, kocht es mit 600 Blättern auf und erhält einen Sirup zum Süßen. Stevia hat eine große Süßkraft und enthält keine Kalorien. Dadurch wird kein Insulin produziert. Bis 2011 war Stevia nicht erlaubt. Das zeigt, welche Macht die Pharmabranche über die Lebensmittelindustrie hat. Mittlerweile wurde auch Stevia chemisch verändert und ist als Granulat erhältlich – das ist dann aber wieder nicht gut. Birkenzucker finde ich besser als raffinierten Zucker, weil er mehr Nährstoffe hat. Es bleibt aber immer Zucker.

Ist Salz gleich schlecht wie Zucker?
Wenn man sich die Arterien ansieht, ist es dasselbe. Wenn man in Unterzucker oder Überzucker geht, führt das zu Schäden der Arterien. Dasselbe passiert, wenn man zu viel salzt. In gleichen Mengen ist Salz sogar schädlicher als Zucker. Salz sollte man deshalb komplett aus der Küche verbannen, denn in jedem frischen Lebensmittel wie Obst und Gemüse oder auch Brot ist Salz enthalten. Natürlich muss man es nicht von heute auf morgen weglassen, aber man sollte es stufenweise reduzieren und viel mit Kräutern und Gewürzen arbeiten. Das ist alles Gewöhnungssache.

Worauf kann und sollte man beim Einkaufen achten?
Wichtig ist, dass man sich bereits vorher Gedanken macht, was man braucht und sich eine Einkaufsliste schreibt, an die man sich hält. Man sollte nie hungrig einkaufen gehen, weil man dann Dinge kauft, die man nicht braucht. Man sollte vorwiegend frisch und zumindest den Großteil von Obst und Gemüse im Bioladen einkaufen. Ganz wichtig: Auch darauf achten, wo die Produkte herkommen und beispielsweise nicht im Winter Erdbeeren oder Tomaten kaufen.

Wie ernährst du dich persönlich?
Ich versuche so wenig Salz wie möglich aufzunehmen, keine Fertigprodukte und so frisch und regional wie möglich zu essen. Es ist aber nicht so, dass ich zum Beispiel nie eine Pizza esse. Man soll sich auch nicht zu sehr auf das Gesunde versteifen, denn das Essen sollte kein Stress werden. Sonst kann es schnell pathologisch werden – das suchthafte gesunde Essen. Es ist wichtig, sich ausgewogen zu ernähren und sich auch mal etwas zu gönnen. Das einzige, worauf ich komplett verzichte, sind Fleisch und Fisch.

Menschen leiden mittlerweile immer häufiger an Lebensmittelunverträglichkeiten …
Das gab es bereits früher häufig, nur damals wurde nie eine Diagnose gestellt. Es ist schon so, dass das Getreide mittlerweile so verändert ist, dass es mehr Gluten enthält und damit immer mehr Menschen an Zöliakie erkranken. Man muss aber auch sagen, dass Unverträglichkeiten heute ein wenig eine Modeerscheinung sind. Kaum hat jemand Bauchweh, werden Pseudotests gemacht und es wird gleich gesagt, lass Laktose oder Gluten weg.

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