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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 15.11.2017
LeuteKompostklos für Südtirol

(K)eine Scheißidee!

Veröffentlicht
am 15.11.2017
Johanna Perret verrichtet ihr Geschäft gerne auf hübschen Toiletten. Als sie herausgefunden hat, dass Scheiße goldwert ist, hat sie ein mobiles Kompostklo für Südtirol entworfen.
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„Scheiße ist ein Thema, das uns alle angeht“, sagt Johanna Perret, „und trotzdem mag niemand gerne darüber sprechen. Es ist nach wie vor ein Tabu.“ Als das der jungen Rosenheimerin während erster Recherchen zu ihrer Masterarbeit bewusst geworden ist, hat die Kommunikationsdesignerin in ihr gejubelt. Die Idee für das Abschlussprojekt in Ökosozialem Design in Bozen war geboren: „Holy Shit“ – ein mobiles Kompostklo, das den Menschen bildlich vorführen sollte, wie wertvoll Scheiße eigentlich ist.

Johannas Prototyp

Anstatt die 100 bis 400 Gramm dunkle Materie in unseren herkömmlichen Wasserklos jeden Tag einfach wegzuspülen, könnte man mit unseren Ausscheidungen viele Probleme lösen. Energie, Wasser, Daten über unsere Gesundheit, neue Materialien wie Bio-Kunststoffe oder die wertvollen Pflanzennährstoffe Phosphor, Stickstoff und Kalium könnten nämlich direkt aus ihr gewonnen werden. „Phosphor zum Beispiel dient als Grundlage unserer Düngemittel, wird aber in etwa 50 Jahren auf der Erde aufgebraucht sein“, meint Johanna. „Nur in unserer Scheiße wird es den Stoff noch geben.“ Dann zieht sie an der hölzernen Tür ihrer mobilen Toilette. Diese hat sie sozusagen als Leinwand benutzt, um in der Schlange stehenden Klobesuchern einige interessante Fakten über unseren Kot vorzulegen.

Ein Klo als Leinwand

„Wer hinter zehn anderen auf seinen Klogang wartet, ist ja immer froh um etwas Beschäftigung, oder?“, meint sie und zieht ihre Augenbrauen hinter der großen Brille etwas hoch. Als der Magnet nachgibt, öffnet sich das Tor zur „Goldmanufaktur”. Passend dazu ist nicht nur die Halterung der Klorolle, sondern auch die Benutzungsanleitung in Goldfarbe gestaltet. „Um auch visuell den Wert von Scheiße noch einmal darzustellen“, sagt Johanna, schreitet zwei Treppen ins Klo empor und öffnet den weißen Klodeckel. Der Blick auf 120 Liter Fassungsvermögen eröffnet sich. „Kennen ziemlich vui Leid kacken“, meint die Rosenheimerin ganz stolz in ihrem bairischen Dialekt. Während der Pop-Up-Ausstellung in der Gärtnerei Schullian in Bozen habe es aber leider noch niemand versucht.

Johanna (rechts) stellt ihr Projekt vor

Durch einen Trichter werden Urin und Stuhl während des Geschäfts getrennt. Eine einfache Lösung, um den üblen Geruch der menschlichen Ausscheidungen zu unterbinden. Nachdem man sein Geschäft verrichtet hat, schaufelt man mit einem Kännchen duftende, frische Hobelspäne darauf. „So ekelt sich keiner und man fühlt sich sauber, auch in einem Klo, in dem das Wasser fehlt“, resümiert Johanna ganz logisch und setzt sich auf den geschlossenen Klodeckel.

Ist die Toilette voll, muss das gesammelte Gut zu einer Sammelstelle oder ganz einfach auf den Gartenkompost gebracht werden. Dort kann die Scheiße verrotten und etwa zwei Jahre später schon wieder als Humus eingesetzt werden. Urin hingegen kann schon nach zwei Monaten, verdünnt mit Wasser, als Flüssigdünger benutzt werden. Dann hat sich das darin enthaltene Ammoniak nämlich von alleine abgebaut. Auch Rückstände von Hormonen, Farbstoffen oder Medikamenten seien im Wasser schlechter aufgehoben als in Johannas Kompostklo: „In der Erde sind diese einfach besser gebunden und dadurch ungefährlicher.“

Johanna erklärt ihr Konzept

Trotz all der Vorteile war die Erfindung des Wasserklosetts vor 200 Jahren in England natürlich nicht umsonst. Zunehmende Urbanisierung und die im Kot enthaltenen Krankheitserreger haben damals große Probleme verursacht, die mit dem Spülklo ganz einfach gelöst werden konnten. Trotzdem haben bis heute immer noch 2,4 Milliarden Menschen in der Welt keinen Zugang zu sanitären Anlagen. „Und 1,8 Milliarden trinken immer noch fäkalienverseuchtes Wasser. Außerdem hat man heutzutage viel größere Mengen zu händeln als vor 200 Jahren und verbraucht damit viel mehr Wasser“, erklärt Johanna. Genau genommen 16.000 Liter im Jahr werden von jedem einzelnen von uns durch die Spültoilette von Trink- in Abwasser verwandelt. Zwar werten wir dieses in Klärsystemen wieder auf, das kostet aber nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld und Energie.

  • 2,4 Mrd. Menschen haben keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen
  • 1,8 Mrd. Menschen trinken täglich noch fäkalienverseuchtes Wasser
  • Jeder von uns braucht 16.000 Liter Wasser pro Jahr für sein Klo

Der hölzerne Prototyp von Johanna ist in Zusammenarbeit mit der Firma Lobis Elements vom Ritten entstanden und kann je nach Einsatzbereich individuell gestaltet werden. Der Aufbau ist mit einem einfachen Stecksystem, das ohne viele Schrauben funktioniert, schnell erledigt. Nicht nur Materialien, sondern auch die Wartung machen die Komposttoilette jedoch etwas teurer als das herkömmliche Dixie Klo. Trotzdem gibt es in Deutschland, der Schweiz und auch schon in Österreich Firmen, die ihre mobilen Komposttoiletten auf Festivals und anderen Events anbieten. „In Deutschland legen die Veranstalter die Kosten oft auf den Klobenutzer um. So gibt es auf Festivals neben den gratis Dixie-Klos ein Kompostklo, das 50 Cent kostet“, erzählt Johanna. Sie persönlich verrichtet ihr Geschäft nämlich lieber im sauberen Kompostklo als im stinkenden Dixie.

Am Ende gibt’s einen Kassenbon

Ihr Projekt wird sie in Südtirol zurücklassen und hat es vorerst in die Hände von blufink.com übergeben. Neben ihrem Studium ist Johanna nämlich noch in ein Start-up in München eingestiegen, das ein Pfandbechersystem für Coffee to go entwickelt. „Meine Masterarbeit ist nur der Impuls, um Bewusstsein zu schaffen und den Dialog zu starten. Nun muss ausgearbeitet werden, mit wem man Zusammenarbeiten kann, um unseren Kreislauf zu schließen und die Logistik dahinter zu lösen“, meint sie. Später sollten die mobilen Komposklos nämlich nicht nur auf Südtirols Festivals, sondern vielleicht auch bei Jugendcamps im Freien oder etwa auf hiesigen Wanderwegen Verwendung finden.

Dann steht Johanna vom Klo auf und drückt auf einen Knopf mit der Aufschrift „Drück mich“, direkt unter dem Dach der Toilette. Für ihr Geschäft kriegt sie einen Kassenzettel, der sie daran erinnert, dass 13 große Geschäfte so viele Nährstoffe enthalten, wie ein Apfelbaum im Jahr benötigt. Johanna grinst: „Es wäre echt schön, wenn ich ein paar mehr Menschen für Scheiße begeistern könnte.“ [[{“fid”:”23552″,”view_mode”:”default”,”fields”:{“format”:”default”,”field_description[und][0][value]”:””,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”blufink.com”,”field_license_type[und]”:”_none”,”field_url[und][0][url]”:””,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”link_text”:null,”attributes”:{“height”:519,”width”:780,”class”:”media-element file-default”}}]]

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