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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 14.10.2016
PRLeuteMünchner Regisseur in Bozen

Jescheck und die Räuber

Veröffentlicht
am 14.10.2016
Philipp Jescheck inszeniert im Bozner Stadttheater Schillers Klassiker „Die Räuber“. Wie der Regisseur mit Nervosität umgeht und was ihn an seinem Job stört.
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Philipp Jescheck ist ein lockerer Regisseur, der aber auch weiß, was er will.

Am 15. Oktober um acht Uhr abends ist Premiere. An diesem Tag wird Philipp Jescheck mehr reden als sonst und aufgeregt hin- und herlaufen, „rumtigern“. Kurz bevor es losgeht, wird er versuchen, sich zu beruhigen. Der Münchner Regisseur ist vor jeder Premiere total nervös. Wenns dann mal anläuft, die ersten Sätze gesprochen sind, dann ist es gut, sagt er. Bei der ersten Vorstellung sieht er sich das Stück immer an und achtet darauf, wie das Publikum reagiert. In den ersten Szenen entscheidet sich, ob das Stück aufgeht oder nicht. Ob sich die Leute fragend anblicken und verwirrt sind, von dem, was sie sehen. Es ist nicht Angst, die Jescheck vor der Premiere hat. Aber angespannt ist er immer.

Noch ist es aber nicht ganz soweit. Noch konzentriert sich der Regisseur darauf, kleine Dinge zu ändern, an den Feinheiten seiner Schauspieler zu schleifen. Er ist voll im Arbeitsmodus. Die Endproben stehen an. „Ich liebe ja Fußball“, sagt der 34-Jährige. „Da heißt es immer: von Spiel zu Spiel denken. Ich denke eben von Probe zu Probe.“ Jescheck sitzt mit rosigen Wangen in der sechsten Reihe des Studios im Bozner Stadttheater. Hier, wo morgen das Premierenpublikum sitzen wird, sieht er sich gleich die Probe an. Eingemummelt im grau melierten Strickpulli und Schal.

Jeschecks Eltern sind beide Architekten. Schon früh weiß er: Er will etwas anderes. Ihn faszinierte schon immer das Theater. Als Jugendlicher spielt er bei Theaterstücken mit. Das prägte ihn, sagt er heute. „Es war etwas, was mich gereizt hat, auch nach dem Abitur.“ Kurz nach der Geburt seines ersten Sohnes macht Jescheck, damals 21, ein Praktikum beim Münchner Volkstheater. Als Souffleur bei den Räubern. Danach studiert er Theaterwissenschaften, Psychologie und Interkulturelle Kommunikation und gründet einen Thater-Jugendclub am Münchner Volkstheater. 2003 begann er dort als Regieassistent und inszeniert 2006 Darja Stockers „Nachtblind”. „Nach der ersten Eigenregie bekommt man dann den Stempel: Regisseur“, sagt Jescheck. Für ihn war es damals nicht einfach, vom Assistentendasein, bei dem er nah an den Schauspielern war, auf die andere Seite zu wechseln. Aber „es war eine sehr beglückende Arbeit“.

Seit 2009 arbeitet Jescheck als freier Regisseur an Theatern, unter anderem in Kassel, Wien, Innsbruck und eben Bozen. Jetzt darf er mit Friedrich Schillers erstem Drama „Die Räuber“ die Spielsaison der Vereinigten Bühnen Bozen eröffnen. 234 Jahre nachdem der 22-jährige Schiller das Stück verfasst hat.

Ein Theaterstück über Neid, Liebe und Rache

Karl und Franz von Moor, zwei Brüder, zwei Rivalen. Durch eine Intrige bringt Franz den Vater dazu, Karl zu verstoßen. Zutiefst enttäuscht lässt sich der Verstoßene von seinen Freunden zum Hauptmann ihrer neu gegründeten Räuberbande in den Wäldern wählen. Es werden blutige Kämpfe gefochten, was als Kampf um Freiheit und gegen Ungerechtigkeiten begann, artet bald in rohe Gewalt aus. Karl kehrt schließlich doch noch einmal nach Hause zurück. Als die Intrige des Bruders ans Licht kommt, beginnt ein Rachefeldzug.

Jescheck möchte den Klassiker des Sturm und Drang aus heutiger Sicht erzählen. „Am Anfang war es sehr viel Arbeit am Text, um das lange Stück in eine spielbare Form zu bekommen“, erinnert sich der Regisseur. Wie immer, wenn er ein Stück inszeniert, hat er auch „Die Räuber“ zuerst mehrere Male gelesen, dann Passagen gestrichen und zugespitzt. „Die Sprachwelten sind immens. Jemanden heute Tod oder Freiheit rufen zu lassen, ist echt schwierig“, sagt er und lacht. Dennoch sei es ein Stück, dem man seine Jahre nicht ansieht. Machtstrukturen, Neid, Liebe und Scheitern an Idealen sind eben zeitlos.

Es ist jetzt elf Uhr. Die Hauptprobe beginnt. Der strikte Zeitplan erlaubt kaum Abweichungen.

Die Räuber.

Und Bitte!

Gemurmel, die Mitarbeiter wuseln durch die Sitzreihen und um das Gerüst auf der Bühne. Jescheck braucht sie, neue Ideen bespricht er am liebsten im Team. Gemeinsam proben sie heute den ganzen Durchlauf des Stücks.

„Bitte einmal Ruhe!“, ruft Jescheck. Licht aus, die Musik beginnt. Nur ein Lichtstrahl erhellt die Schauspieler. „Bitte.“ Der Regisseur beobachtet scharf. Auftritt der Räuberbande. Nach wenigen Minuten weist Jescheck an: „Ruhig ein bisschen mehr Stoff geben.” Das Stichwort, um die Szene zu wiederholen. Trotz der Ernsthaftigkeit geht es auch locker zu. Es wird viel gelacht und nach einer gelungenen Szene gibt es schon mal einen Freudentanz vom Regisseur.

Jescheck waren bei der Ausarbeitung des Stücks vor allem die zwei Brüder wichtig. Er wollte aus ihrer Sicht erzählen. Von Anfang an hatte er seine Figuren im Kopf. Da die Vereinigten Bühnen Bozen kein fixes Ensemble haben, konnte er sich die acht Schauspieler eigens für seine Produktion aussuchen. Vier Wochen probte er gemeinsam mit ihnen auf der Probebühne, in den vergangenen Wochen wurde das Stück dann an die Bühne angepasst.

Ist der Münchner für Proben in Südtirol, schläft er aus. So bezeichnet Jescheck es, wenn er um acht Uhr aufsteht, um die Probe vorzubereiten. Von zehn bis 14 Uhr wird geprobt. Danach geht er spazieren, macht Sport oder ruht sich aus, bevor die Abendprobe um 18 Uhr losgeht. Die dauert meist bis 23 Uhr. Ist Jescheck zu Hause, schläft er nicht aus. Seine drei Söhne müssen um halb sieben raus und in die Schule.

„Ich habe zu wenig Zeit für meine Familie und das ist total scheiße. Entweder verheiratet man sich mit dem Theater oder hat eine Familie.“

Fährt Jescheck nach Hause, versucht er von seiner Arbeit als Regisseur abzuschalten. Ist er bei seiner Familie, ist das Stück komplett raus aus dem Kopf. „Es kommt erst wieder auf der Fahrt hierher. Das funktioniert übrigens super, in Zügen zu arbeiten“, erklärt Jescheck. Zurzeit verbringt er auch die Wochenenden in Bozen. Die Endproben stehen an. In dieser Zeit begleitet ihn das Stück ständig. „Es ist ein Programm, das im Hintergrund weiterläuft.“

Die Familie bleibt da schon mal auf der Strecke. „Ich habe zu wenig Zeit für meine Familie und das ist total scheiße“, bedauert Jescheck. Das stört ihn an seinem Job. „Man lebt ein total konservatives Familienmodell und das ist schrecklich“, gibt der Familienvater zu. Aber das ist eben so, jetzt in den Endproben, in denen er gar nicht mehr nach Hause kommt. Nach so einem intensiven Stück versucht er immer wieder näher bei München zu arbeiten. „Da bin ich mehr zu Hause, das tut uns gut. Aber es ist schon so: Entweder verheiratet man sich mit dem Theater oder hat eine Familie.“

In dieser Spielsaison arbeitet Jescheck noch an mehreren Projekten, am „Prozess“ von Kafka und „King Kongs Töchter“, einem Sterbehilfe-Drama. Auch bei einem Schulprojekt führte er Regie. Jescheck wünscht sich, dass irgendwann Leute über ein Theaterstück sagen: Das musst du gesehen haben. Wie, du warst nicht in diesem Stück?

Noch hat er aber anderes im Kopf.

Einen Tag ist es noch bis zur Premiere im Studio des Bozner Stadttheaters. „Die Endproben sind wirklich anstrengend“, sagt Jescheck. Er muss die Schauspieler zum Weitermachen animieren und selbst auf Kleinigkeiten achten. Geht es dem Ende zu, muss schließlich alles passen. Das sei Stress pur. Aber positiver Stress. „Man macht ja etwas, das einem am Herzen liegt“, sagt Jescheck und grinst. Dann gehen die Proben weiter. Das Licht wird gedimmt, die Musik geht an und die Räuber treten ein weiteres Mal auf die Bühne.

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