Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Lisa, 16 Jahre, sitzt seit einem Monat in einer Oberschule in Meran und fühlt sich richtig wohl. Das war letztes Jahr ganz anders. Nach der Mittelschule wusste sie nicht, welchen Bildungsweg sie einschlagen sollte, und wählte deshalb einfach die Schule in nächster Nähe. Gelangweilt von den Fächern, überfordert von den hohen Ansprüchen, scheiterte sie kläglich und begann sogar an sich selbst zu zweifeln.
Oberschulen klagen, dass vor allem in den ersten zwei Klassen, Schülerinnen und Schüler teilnahmslos in den Klassen sitzen, stören oder unterm Jahr in andere Schulen wechseln. Die Anzahl jener, die das Jahresziel nicht erreichen, ist dementsprechend hoch. Auch die Ausbildungsabbruchquote in Südtirol liegt bei 13,1 Prozent und ist deutlich höher als in der restlichen Europaregion: 8,5 Prozent sind es im Trentino und 7,1 Prozent in Tirol.
Oft sind die Mittelschüler bei der Schulwahl heillos überfordert und wählen die Bildungseinrichtung nicht nach ihren Interessen und Fähigkeiten, sondern folgen den besten Freunden oder suchen die Schule aus, an denen der Nachmittagsunterricht an Tagen stattfindet, die sich mit ihren Hobbys vereinbaren lassen. Misserfolg und Frustration sind vorprogrammiert.
„Jeder weiß, besteht kein Interesse an einem Thema, einem Fach, einem Studienzweig oder hat man keine Freude bei der Arbeit, ist auch kein Erfolg zu erwarten bzw. ist es sehr mühsam weiterzukommen. Zudem wird die persönliche Zufriedenheit nicht erreicht“, so die Berufsberaterin Heidi Gufler. „Es ist wichtig, seine Fähigkeiten, Neigungen und Stärken zu kennen, um die richtige Schule auszuwählen, dann macht auch Lernen richtig Spaß.“
Vor einer noch schwierigeren Entscheidung als die Mittelschülerinnen und Mittelschüler stehen die Maturantinnen und Maturanten, die studieren wollen. Nach der Studienreform „Bologna“ sind die Ausbildungsmöglichkeiten noch vielfältiger, aber auch unüberschaubarer geworden; ein und derselbe Studiengang ist dann noch von Uni zu Uni sehr unterschiedlich aufgebaut. Überfordert werfen auch an der Uni jedes Jahr viele Studierende das Handtuch, nachdem sie einige Semester durchgehalten haben. Solche Fehlentscheidungen kosten die Betroffenen viel Geld und führen bei jedem Einzelnen zu Enttäuschung und Ratlosigkeit.
Auch Leonie war sich im letzten Jahr nicht sicher, was sie studieren sollte, und schaute sich im Internet einige Studienrichtungen an, bis sie ihre Eltern schließlich zur privaten Berufsberatung nach Meran schickten. „Wir haben eine halbtägige Beratung gebucht. Frau Gufler nahm sich Zeit, meine Tochter kennenzulernen und erarbeitete mit ihr gemeinsam Ziele, Zukunftswünsche, Berufsmöglichkeiten, erörterte Talente, Fähigkeiten und Interessen“, so Leonies Mutter. „Beim zweiten Termin gab die Beraterin uns dann sehr wertvolle Ratschläge zu Studienrichtungen, Unis und Universitätsstädten, nachdem sie die Persönlichkeitsmerkmale Leonies klar dargelegt hatte. Wir waren erstaunt, wie gut sie sie zu kennen schien.“
Im Angebot der Berufsberatung ist Südtirol seit einem Jahr um eine Einrichtung reicher geworden und zur öffentlichen Berufsberatung des Landes gesellt sich nun eine private Berufsberatung. Bisher pilgerten viele Südtiroler bis nach Österreich, um sich privat beraten zu lassen. Die S&B Studien- und Berufsberatung hat ihren Sitz in Meran, dort arbeiten eine Erziehungswissenschaftlerin, eine Psychologin und eine Pflegewissenschaftlerin, die sich alle auf den Bereich Berufsberatung spezialisiert haben.
Ausschlaggebend für die Gründung dieser privaten Beratungsstelle sei die Aussage der Schülerinnen einer Maturaklasse gewesen, in der drei Viertel der Befragten gesagt hätten, dass sie nie mehr dieselbe Schule wählen würden, sagt die Gründerin Petra Tschenett. „Wir verbringen im Durchschnitt acht Stunden am Tag im Beruf, das ist fast ein Drittel unseres Lebens! Wie zufrieden wir dabei sind, trägt in einem hohen Maße zur persönlichen Lebensqualität bei. Um Spaß an unserer Arbeit zu haben, müssen die vorhandenen Talente mit den eigenen Interessen und der individuellen Persönlichkeit zusammenpassen.“
Bei der Beratung, die einen halben, einen ganzen Tag oder zwei Tage dauern kann, lernt sich der Jugendliche mit all seinen Persönlichkeitseigenschaften, Interessen und Begabungen besser kennen. In einem Gespräch werden die Hobbys, Interessen und Freundschaften, sowie der biografische Hintergrund und die Lebensziele herausgefiltert. Danach werden verschiedene wissenschaftlich anerkannte und standardisierte psychologische Tests durchgeführt, die Aufschluss über Begabungen, Neigungen, Kompetenzen, Interessen, Sozialverhalten und Persönlichkeitseigenschaften geben. Aus diesen Ergebnissen wird vom Team ein individuelles Interessens-, Begabungs- und Persönlichkeitsprofil erstellt, worauf man sehr konkrete Vorschläge bekommt, in welche Richtung der Bildungsweg gehen sollte und woran man noch arbeiten sollte.
Oft sind sich die Jugendlichen erst jetzt über ihre besonderen Stärken im Klaren. Es kommt zu einem deutlichen Zuwachs an Selbstvertrauen, die Motivation wird gesteigert und sie können ihre persönliche wie berufliche Zukunft besser in Angriff nehmen.
„Zahlreiche Persönlichkeitstest gibt es auch im Internet, aber wichtig ist die professionelle Auswertung. Dabei ist es von absoluter Notwendigkeit, dass man mit dem Menschen sprechen kann und ihn als Ganzes wahrnehmen kann, um dann Empfehlungen auszusprechen zu können“, so Eva Locher, die Psychologin der Beratungsstelle. „Wir nehmen den Klienten auch nicht die Entscheidung für den richtigen Berufsweg oder die richtige Berufsausbildung ab, aber wir begleiten und coachen sie bei dieser Entscheidung.“
Im ersten Jahr des Bestehens der Einrichtung suchten auch sehr viele Erwachsene im Alter um die 45 Jahre die private Beratungsstelle auf. Es ist dies jene Generation, die sich nicht mehr zufriedengibt, ein Leben lang an einer Arbeitsstelle zu bleiben bzw. immer denselben Beruf auszuüben. Viele wollen noch einmal neu starten oder wollen sich, nachdem die Kinder groß sind, selbst verwirklichen.
Vorwiegend melden sich aber besorgte Eltern, um Orientierungsgespräche für ihre Söhne und Töchter zu buchen und scheuen auch nicht vor den Kosten zurück. „Die Kosten wären nämlich deutlich höher, wenn mein Kind das falsche Studium oder den falschen Studienort gewählt hätte. Zwischen Einschreibegebühren, Unterkunft und Leben vor Ort gehen da bald einige Tausend Euro drauf“, so Leonies Mutter. Jeden dritten Anrufer verweisen die Beraterinnen an die öffentliche Berufsberatung der Provinz Bozen, da diese über eine riesige Datenbank verfügt und jenen, die schon einen klaren Berufsweg vor Augen haben, rascher und kostenlos helfen kann.
Die Mittelschülerinnen und Mittelschüler haben sich heuer schon entscheiden müssen, denn am 15. März war Einschreibeschluss an den Ober- und Berufsschulen. Auch Leonie hat ihren Weg gefunden: Sie ist nach Berlin gegangen und studiert dort Biologie.
Berufsberatung Meran
Tel. 0473 231802
Mob. 335 7823090 (Petra Tschenett)
www.berufsberatung.it
info@berufsberatung.it
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support