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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 16.05.2017
LeuteJakob Zeller im Porträt

Die Welt, seine Küche

Veröffentlicht
am 16.05.2017
Jakob Zeller kocht in einem der besten Restaurants der Welt. Doch wenn es nach ihm geht, ist das Lokal in der schwedischen Wildnis nicht die letzte Station in seiner Karriere.
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Jakob Zeller und Buster Turner im rooftop Smokehouse

Alle Pflanzenteile der weiß blühenden Robinie sind giftig – außer die Blüte. Jakob Zeller hat sie in ihre Einzelteile gezupft und unter einem feuchten Geschirrtuch in einer Tasche verstaut. Heute Abend wird er sie gemeinsam mit in Zuckerkruste gebackenem Rhabarber und selbstgemachtem Hüttenkäse servieren. Es ist das 30-jährige Jubiläum des Restaurants „Zum Löwen“ in Tisens – sein ehemaliger Arbeitsplatz. Zwölf Stunden war der junge Koch für seinen kurzen Besuch in der Heimat unterwegs. Denn der schwedische Ort Fäviken, wo er gerade lebt und arbeitet, liegt quasi am Ende der Welt. „In Schweden hat es zur Zeit gerade einmal acht Grad, nachts sogar minus vier“, erzählt Jakob von seiner aktuellen Heimat, in der der Sommer noch in weiter Ferne liegt.

Jakob Zeller

Dass er irgendwann zum Kochen im hohen Norden landen würde, hat sich der Meraner mit sieben Jahren nicht vorstellen können. „Damals wollte ich Politiker werden oder Künstler“, erzählt er, „aber ich habe auch schon als Kind gerne gegessen.“ Als Sohn von Julia Unterberger und Karl Zeller war dem 27-Jährigen eine Karriere als Rechtsanwalt oder Politiker fast schon in die Wiege gelegt. Doch Jakob entschied sich, auf andere Art und Weise Politik zu machen. Als Koch besuchte er im Laufe seiner bisherigen Karriere verschiedenste Küchen auf der ganzen Welt und verbreitete seine „Message“ auf den Tellern. „Hinter jedem Gericht steckt eine ganze Philosophie, aber ich kann auch jeden verstehen, der einfach nur gut essen will“, sagt Jakob.

Zum Kochen inspiriert habe ihn bereits in jungen Jahren seine Oma. Bei ihr konnte er sich auf einer kleinen Herdplatte ausprobieren. Während seine ältere Schwester sich dabei die Hände verbrannte, schimmerte bei Jakob ernstes Talent durch. Trotzdem entschied er sich für das Humanistische Gymnasium in Meran anstatt für eine Kochlehre. Schon während der Schulzeit führte er mit einem Freund sein eigenes kleines Catering.

Damit er sich ein Bild vom Beruf des Kochs machen konnte, schickte Karl Zeller seinen Sohn erst einmal zum Praktikum beim „Oberwirt“. Doch das hielt Jakob nicht davon ab, nach Abschluss der Matura nach Barcelona aufzubrechen. Drei Jahre lang absolvierte er dort seine Kochausbildung. „Die Schule war sehr praxisorientiert“, erklärt Jakob. Das Ein-Sterne-Restaurant „Hofmann“ wurde von den Studenten selbst betrieben, Chefkoch war immer wieder ein anderer Lehrer. Auf eine Woche Theorie folgte jeweils eine Woche Praxis.

„Ich habe aber gefühlt, dass Barcelona noch nicht die Endstation sein kann.“

Noch vor seinem Abschluss zog es Jakob zum ersten Mal in den Norden. Einen Monat verbrachte er als Praktikant im „NOMA“ in Kopenhagen. Dem Restaurant, das bereits mehrfach zu „worlds best restaurant“ gekürt wurde. Doch Jakob wollte noch mehr lernen. Als nächsten Stop wählte er ein Restaurant inmitten des Naturschutzgebiets in der Camargue in Frankreich. Zum „La Chassagnette“ gehören drei Hektar Garten, in denen es seine biologischen Produkte produziert. „Dort konnte man abends auf eine Holztafel schreiben, was man in der Küche brauchte. Um sechs Uhr morgens sind die Gärtner dann zum Ernten gekommen“, erzählt er begeistert.

Einen solchen Luxus gebe es bei uns in Südtirol nirgendwo. Trotzdem wollte der Koch sein Repertoire Zuhause erweitern und landete schließlich bei Südtirols einziger Sterneköchin Anna Matscher. Ein Jahr lang kochte er im Restaurant „Zum Löwen“ in Tisens. Gesättigt von der Heimatluft kehrte Jakob dann erneut nach Barcelona zurück, um gemeinsam mit einigen Freunden Pop-up-Dinners zu veranstalten und ein „Rooftop Smokehouse“ zu eröffnen. Aus einem selbstgebauten Smoker und einigen Second-Hand-Kühlschränken wurde schließlich ein Delikatessen-Restaurant, das es heute noch gibt.

„Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass wir bei einem Freund auf der Dachterrasse begonnen haben und unsere Waren in den Kühlschränken der Freunde gelagert wurden“, erzählt Jakob und muss dabei heute noch über sich selbst lachen. „Ich habe aber gefühlt, dass Barcelona noch nicht die Endstation sein kann“, meint er. Also bewarb er sich im Fäviken Magasinet. Einem Restaurant, das durch ursprüngliche Konservierungsmethoden und eine ausgefallene Philosophie immer wieder in internationalen Medien von sich reden macht. Wer bei Sternekoch Magnus Nilsson speisen will, muss zuerst eine lange Reise in die schwedische Pampa auf sich nehmen und nach dem Dinner auch dort übernachten.

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Das Gesamtpaket, das sich der Chef ausgedacht hat, realisiert er mit einem zehnköpfigen Team. Seit drei Jahren gehört auch Jakob dazu. „Gerüchten zufolge hat Magnus, der Chef, drei Ordner für die eingehenden Bewerbungen“, erzählt Jakob und grinst, „einen für ‚Ja, das könnte passen‘, einen für ‚Nein‘ und einen für ‚Italiener‘.“ Jakob wurde als Praktikant aufgenommen. Mittlerweile ist er die rechte Hand des Chefs. Der 27-Jährige koordiniert im Fäviken nicht nur die Köche, sondern kümmert sich auch um „Research and Development“. Zusammen mit dem Chef kreiert er neue Gerichte, sammelt Wildkräuter und Moos in den schwedischen Wäldern, konserviert alles für den Winter und ist ständig auf der Suche nach neuen Produzenten.

Weil der schwedische Sommer keine drei Monate dauert, hat Magnus Nilsson alte Konservierungsmethoden wiederbelebt und lagert so tonnenweise Produkte im Keller des Restaurants – von fermentiertem Gemüse über getrocknetes Fleisch bis hin zu in Salz gelagertem Fisch. „Das Ekligste, das ich je probiert habe, ist ‚Surströmming‘, das kann ich absolut nicht empfehlen“, sagt Jakob. Sein angeekelter Blick spricht Bände. Der Geruch des konservierten Fisches sei das Schlimmste, das er je gerochen habe.

Die Küche im hohen Norden hat den jungen Koch beeinflusst. „Es ist eine sehr spezielle Art, zu kochen“, erzählt er, „was mich jedoch am meisten fasziniert, ist das System, wonach das Restaurant funktioniert.“ Pro Abend gibt es im Fäviken Magasinet Platz für 24 Gäste. Die Plätze sind bereits Wochen vorher ausgebucht. Das Essen mit 28 bis 30 Gängen dauert etwa drei Stunden. Das Menü wird im Rhythmus eines festgelegten Zeitplans, der zwischen sehr schnell und langsam variiert, serviert.

An einem Gericht arbeiten beim Service zehn Leute. „Jeder macht einen Handgriff“, erklärt Jakob und vergleicht den Service mit einem Schweizer Uhrwerk. „Wenn jemand zum Beispiel ein Stück Fleisch schneiden muss, zählt ein anderer die Schnitte, sodass sich derjenige, der schneidet, nur noch auf das Schneiden fokussieren kann.“ Ein Menü im Fäviken kostet 300 Euro, die passende Weinbegleitung 200.

Fäviken Magasinet

Geld, das der Gast auch in eine Philosophie investiert. „Das Schöne am Kochberuf ist die Kreativität, und dass man sich durch das Essen ausdrücken kann“, sagt Jakob. Um auf solch hohem Niveau zu kochen, steht der kreative Prozess im Fäviken an erster Stelle. „Jeder Output ist die Summe der Erfahrungen, die du vorher gesammelt hast“, erklärt Jakob, „das kann eine Erinnerung aus der Kindheit sein, ein Geruch, den du auf einer Reise wahrgenommen hast oder auch Kunst.“ Folglich gilt: Umso mehr Erfahrungen die Köche machen, desto leichter fällt es auch, kreativ zu sein.

Deshalb schickt Magnus Nilsson sein Team immer wieder zu Praktika, die vom Restaurant finanziert werden. „Während einige in anderen Restaurants neue Erfahrungen sammeln, landen andere im Kloster, um einen Monat lang zu malen“, erzählt Jakob. Die Gerichte, die aus solchen Erfahrungen entstehen, seien nicht zu vergleichen mit denen, die aus Brainstormings während Meetings kreiert werden.

In Jakobs Augen kocht niemand auf dem Niveau von Magnus Nilsson. Trotzdem sieht er im Fäviken nicht seine Endstation. Der Meraner träumt von einer Kocherfahrung in Paris und davon, in einigen Jahren in die Heimat zurückzukehren und sich in einem eigenen Restaurant selbst zu verwirklichen. „Bei uns in den Alpen gibt es ganz viele tolle Traditionen, aus denen man etwas machen könnte“, meint Jakob, „und wenn ich etwas erreichen will, darf ich nicht zu lange warten.“

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