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Marianna Kastlunger
Veröffentlicht
am 14.03.2017
LeuteBeruf mit Feuer und Explosion

Die Pyro-Profis

Veröffentlicht
am 14.03.2017
Sie spielen Actionszenen in brennender Kleidung, inszenieren Feuershows und Kampfszenen mit Waffen: Jakob Watschinger und Diego Marangoni sind Pyrotechniker.
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Die Aufkleber an den Fenstern ihres Winterbüros stellen schon am Eingangsbereich klar, womit sie sich beschäftigen: „We do miracles for movies – and some fireworks“, lautet die klare Ansage im Zentrum von Innichen. „Feuerwerke haben uns schon von klein auf fasziniert“ erzählen Jakob Watschinger und Diego Marangoni, die im Herbst 2013 ihre Firma Impact Productions gründeten. Die Idee dafür entstand, als sie am selben Film als Produktions- und Aufnahmeleiter arbeiteten. „Die Firmengründung hatte eine relativ lange Vorlaufzeit, auch wegen der komplexen Gesetzeslage. Aber bis dahin gab es in Südtirol keine einzige Firma, die vielfältige Pyroeffekte anbot“, erzählt Diego. Alleine die Lagerung der notwendigen Materialien ist in Südtirol heute nur zwei Mal zugelassen. Eine dieser Lizenzen besitzt Impact Productions.

Jakob Watschinger

Das Pyro-Lager der Firma ist in einem alten Luftschutzbunker untergebracht, der zu Jakobs Familiengrund gehört. „Er ist nicht besonders groß, und ohnehin nicht als Weinlager geeignet. Da ist uns ein Keller im Haus lieber“, scherzt er. Das Spiel mit dem Feuer nehmen die beiden Hochpustertaler umso ernster, sie haben eine ganze Reihe von Pyrokursen in Österreich besucht. Um den Pyroschein in Italien zu kriegen, reicht eine Prüfung, das technische Wissen vermitteln allein die Lehrbücher. Doch die beiden 28-jährigen Gründer wollten mehr: „In den Kursen haben wir auch gelernt, wie man es auf keinen Fall machen soll“, betont Diego schmunzelnd. Die Pyrotechnik ist sehr vielfältig und soll nicht nur bei Feuerwerken kontrolliert eingesetzt werden, sondern auch auf Bühnen, im Theater oder eben im Film. Die Kosten und der Zeitaufwand für die verschiedenen Ausbildungen sei hoch, aber sinnvoll. Nur so sei Sicherheit gewährleistet. Momentan sind beide noch angestellt, aber bald dürften sie und fünf weitere Kollegen allein von ihrer Firma leben.

Diego Marangoni

Neben der Arbeit mit Feuerwerken kreieren Jakob und Diego auch andere Feuereffekte. So sorgen sie dafür, dass die bengalischen Lichter bei Krampusumzügen spektakulär platziert werden, beraten Profiskifahrer und Skilehrer beim richtigen Umgang mit Fackeln, inszenieren deren Sprünge durch Feuerreifen und entwerfen Pyro-Flügel. „Manche Skishow-Übungen sind richtig gefährlich, da braucht man schon die richtigen Leute dazu. Solche Kooperationen sind immer spannend und abwechslungsreich für uns“, erklären sie.

Die Shows räumen den Tüftlern kreativen Spielraum ein. Für Ski-Shows oder Filmstunts mimt Jakob sogar den „Burning Man“, spielt also Actionszenen in brennender Kleidung. Der Ablauf ihrer Einlagen will gut durchdacht sein, „damit ein DJ oder ein Security-Mann nicht versehentlich über unsere Pyrotechnik treten“, sagt Diego. Ihre Anspannung ist vor allem bei Live-Events hoch, die Arbeit erfordert Präzision und Konzentration. Besonders spannend seien Feuershows mit Musiktaktung, dementsprechend fies die Streiche, die einem die Natur spielen kann: „Bei minus 19 Grad war einmal eine Effekt-Batterie unterkühlt und ein Element funktionierte nicht“, erzählt Jakob. Glücklicherweise klappten die anderen Effekte wie geplant. „Die Erfahrung lehrt, das Unvorhersehbare mit zu berücksichtigen“, stellen sie fest. Nur schade, dass sie ihre eigenen Shows nie als Zuschauer genießen können: „Es knallt nur, und wir sehen nichts“, erzählen sie grinsend. „Dafür können wir unsere Filmeffekte auf großer Leinwand erleben, das entschädigt uns.“ Dass diese vor den Dreharbeiten getestet werden, macht die Pyro-Arbeit am Set ein wenig entspannter.

Lodernde Leidenschaft: Für Ski-Shows oder Filmstunts mimt Jakob den „Burning Man“, spielt also Actionszenen in brennender Kleidung

Szenenabläufe vorauszudenken hat Jakob schon im Rahmen seines Digital Filmmaking-Studiums gelernt. Er weiß, wie Schüsse in Wände oder gar Bösewichte einschießen und aus welcher Kameraperspektive die actiongeladenen Effekte am besten wirken. Eine der jüngsten Kostproben ihrer Waffenkompetenz war im Südtiroler Teil der ORF Landkrimiserie zu sehen. Bei anderen Effekten sind mitunter auch chemische und physikalische Kompetenzen gefragt: Wie hoch sollen Flammen bei einer Feuerszene flackern oder lodern, wieviel Rauch ist bei Kampfszenen mit Waffen sinnvoll?

Jakob und Diego kommen überall dort zum Einsatz, wo Feuer und Explosionen zu sehen sind, aber auch Nebel- und Wettereffekte. Diese werden maschinell erzeugt, können aber je nach Höhenlage und Temperatur des Drehorts in freier Wildbahn unterschiedlich aussehen. „Wir wissen aus Erfahrung, wie sich künstlicher Nebel je nach Wetter ‚verhält‘ und steuern die Maschinen dementsprechend“, erklärt Diego. Regentropfenformen oder Schneevarianten lassen sich ebenfalls bestimmen. „Die Natur muss zwar bis zu einem bestimmten Grad mitspielen, der Rest unserer Arbeit besteht aus der Tüftelei mit Maschinen, Schläuchen und Wassertanks“, sagt Jakob.

Wären digitale Simulationen da nicht die einfachere Lösung? Beide antworten prompt mit Nein: Computer-Effekte seien teuer, außerdem könne die schauspielerische Performance von einem echten Feuer oder von Waffen mit echtem Rückstoß sehr profitieren. „Spezialeffekte werden nie aussterben, es kommt wohl auf die richtige Mischung aus digital und analog an, damit die Szenen wirken“, fasst Jakob zusammen.

Bei Kampfszenen mit Waffen erzeugen auch Rauchschwaden tolle Effekte

Bislang haben die Pyro-Profis an zehn Filmproduktionen mitgewirkt. Ein Blitzeinschlag während der Dreharbeiten zu „Der stille Berg“, wo sie 2012 als Komparsen mitwirkten, war für beide ein Schlüsselerlebnis. Mehrere Crewmitglieder und Hauptdarsteller William Moseley wurden dabei leicht verletzt, die Dreharbeiten verzögerten sich. Seither ist ihnen klar, dass Sicherheit vorgeht, auch wenn Gewitter dann doch vorbeiziehen. „Better safe than sorry“, sagt Diego. Alpine Dreh-Locations sind nicht nur wegen plötzlicher Wetterumschwünge schwierig. Auch körperliche Fitness und Trittsicherheit spielen eine Rolle. Als Bergretter und Kletterer sind Jakob und Diego mit unwegsamen Gelände vertraut und geben das richtige Verhalten am Berg an weniger geübte Crewmitgliedern weiter. Auch kleine, einfache Stunts in Filmszenen machen sie ab und zu: „Schnee- oder Schotterfelder hinablaufen, von Fahrzeugen angefahren werden oder sich irgendwo hinunterstürzen, auch brennend“, zählt Jakob sein Stuntrepertoire auf. Sein elfjähriges Kampfsporttraining kommt ihm dabei gelegen.

Auch an der Seite einiger Stars haben die Beiden schon gearbeitet. Bei der Produktion der Dolomitenepisoden „Bear Grylls – Stars am Limit“ lernten sie Mister Grylls, Kate Hudson und Jesse Tyler Ferguson (bekannt als Mitchell Pritchett in der Serie „Modern Family“) persönlich kennen. „Eine tolle Erfahrung. Die Stars wissen echt nicht, was auf sie zukommt. Sie haben sich trotzdem super geschlagen. Wir haben großen Respekt vor ihnen und der Crew, die mal in den Bergen dreht, mal in der Wüste, mal im Dschungel“, schwärmen Jakob und Diego. Besonders amüsiert haben sie sich bei einer Szene mit Ferguson, als dem Schauspieler weisgemacht worden war, er hätte eine Lawinensprengung losgelöst: „Das waren aber natürlich wir – Jesse bediente nur eine Attrappe“, erinnern sie sich mit breitem Grinsen.

Der Umgang mit Profischauspielern am Set sei unkompliziert. Den Ötzi-Darsteller Jürgen Vogel hat Diego als großen Sympathieträger erlebt, der sich auch für größere Frühstücksportionen für die Crew engagiert. Genauso Gedeon Burkhard, der am Set von „Tränen der Sextner Dolomiten“ versehentlich zum Schneeschöpfen beordert wurde und ohne zu zögern mitmachte. „Echte Profis haben keine Starallüren am Set. Außerdem muss uns ihre Berühmtheit egal sein, um mit ihnen arbeiten zu können“, sagt Jakob – die Arbeit bestehe nun einmal darin, konkrete Anweisungen zu geben.

Jakob und Diego haben engen Kontakt zu anderen Filmkollegen aus Südtirol. „Es tut sich etwas in der heimischen Filmszene, da sind coole, professionelle Leute am Werk“, sagt Jakob. Auch landschaftlich sei hierzulande vieles möglich, wenn man auch noch nicht mit großen ausländischen Produktionen konkurrieren könne. „Das Know-how ist aber vorhanden, man müsste nur den Sprung wagen“, stellt Diego fest.

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