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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 07.09.2017
LeuteZu Besuch bei der „Kräuterrosi“

Die Kräuterhexe

Veröffentlicht
am 07.09.2017
Was Rosmarie Mangger nie wollte, ist Bäuerin werden. Trotzdem ist die „Kräuterrosi“ heute genau das und baut mit Leidenschaft über 500 verschiedene Kräuter auf ihrem Hof an.
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Rosmarie Mangger bückt sich und schiebt ein großes, ledriges Blatt zur Seite. Darunter wächst ganz nieder am Boden versteckt eine kleine, buschige Fettpflanze, die an das grüne Moos im Wald erinnert. Rosi streicht mit ihrer rechten Hand so sanft darüber, als würde sie empfindliche Haut berühren, dann zupft sie einzelne Grashalme aus, die sich als Unkraut durch das Büschel herausgeschoben haben. „Das ist der Mauerpfeffer“, sagt sie und pflückt ein Stück von den saftigen Blättchen ab, „der wurde zwar früher als Pfefferersatz genutzt, zu viel davon sollte man aber nicht essen, dann gibts erste Vergiftungserscheinungen.“ Über diese winzige Pflanze in ihrem Kräutergarten könnte die junge Bäuerin noch vieles erzählen. Sie kennt nämlich eine Geschichte zu jedem der 500 Kräuter hier und wird daher nicht umsonst von den Passeirern liebevoll „Kräuterrosi“ genannt.

Obwohl sie sowohl Inhaltsstoffe als auch Heilwirkung kennt, interessiert die 41-Jährige doch die Mythologie hinter den Pflanzen am meisten. „So kann ich bei Kräuterwanderungen immer ein rundes Bild vermitteln, das schätzen die Leute“, erklärt Rosi. Mehrmals in der Woche macht die Kräuterrosi nämlich Führungen mit Touristen und Einheimischen, bei denen sie in der freien Natur alles zu den wild wachsenden Pflanzen erklärt. Nebenher ist die zweifache Mutter als Kräuterpädagogin viel in Schulen und Kindergärten unterwegs, wo sie ihr Wissen den Kleinsten auf spielerische Art und Weise vermittelt. Für sie schreibt sie auch gerne selbst Kräuter-Märchen, die demnächst in einem Buch gesammelt werden sollen. Eigentlich ist Rosi jedoch gelernte Gärtnerin und Floristin und arbeitet zum Teil noch selbst im eigenen Blumenladen in St. Martin in Passeier mit. Ein straffes Programm, das nur strenge Tagesplanung möglich macht.

„Was ich in meinem Leben aber eigentlich nie wollte, ist einen Bauer zu heiraten oder selbst Bäuerin zu werden.“

„Was ich in meinem Leben aber eigentlich nie wollte, ist einen Bauer zu heiraten oder selbst Bäuerin zu werden“, gesteht die 41-Jährige und zieht verblüfft die Augenbrauen hoch. Bereits mit sechs Jahren, als Rosi die Sommerferien bei ihrer Großmutter auf dem Mitterkofelhof verbrachte, musste sie nämlich schon mit anpacken. „Meine Aufgabe damals waren die Brennnesseln“, erinnert sie sich und muss lachen. Mit einem „Buckelkorb“ bestückt, musste sie auf dem ganzen Hof Brennnesseln sammeln und diese danach mit einer „Praxe“ kleinhacken. „Heute eine unvorstellbare Aufgabe für ein Kind“, fügt Rosi hinzu. So ganz konnte sie die harte Arbeit jedoch nicht abschrecken, denn der steile Kräutergarten, durch den sie gerade führt, liegt direkt über Rosis eigenem Hof. Um dort hin zu gelangen muss man erstmal rein ins Passeiertal und dann etwas verstrickt durch das Dorf St. Leonhard hindurch. Schließlich sind es nur zwei steile Kehren, die zum Fronigerhof auf 700 Höhenmeter führen. Diese haben es aber in sich, denn Rosi muss das Auto in jeder Kurve noch einmal kurz ein Stück zurückrollen lassen, bevor sie sie nehmen kann.[[{“fid”:”23062″,”view_mode”:”default”,”fields”:{“format”:”default”,”field_description[und][0][value]”:”%3Cp%3EDer%20Blick%20auf%20Rosis%20Kr%C3%A4utergarten%3C%2Fp%3E%0A”,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Jakob Haller”,”field_license_type[und]”:”_none”,”field_url[und][0][url]”:””,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”link_text”:null,”attributes”:{“height”:520,”width”:780,”class”:”media-element file-default”}}]]

„Den Hof haben mein Schwager, mein Mann und ich mit der Hilfe meines Schwiegervaters vor zehn Jahren gekauft“, erzählt die Bäuerin, „heute bewirtschaften wir ihn gemeinsam.“ Während die Hofstelle des Schwagers samt traditionellem Stadel und Vieh einige Meter darunter liegt, ist das moderne Haus von Rosi und ihrer Familie ein Stück darüber unter einem Wald direkt in den Hügel gebaut. Das Klimahaus wurde innen mit Lehm verputzt und heizt sich mit Geothermie. Stolz führt Rosi seitlich daran vorbei und direkt aufs begrünte Dach. Darauf spielen nicht nur ihre zwei Jungs gerne Fußball, sondern auch ihr Hausgarten befindet sich dort oben.

Rosi bemerkte ihre Erkrankung erst, als sie innerhalb von einer Woche zehn Kilo abgenommen hat, körperlich von Tag zu Tag schwächer wurde und schließlich auch noch ihren Geschmackssinn verlor.


Zwischen zig Tomaten- und Johanniskrautsorten, Salat und Studentenblumen fängt Rosi an, von einer dunklen Zeit in ihrem Leben zu erzählen. Vor vier Jahren ist sie nämlich am Epstein-Barr-Virus erkrankt. Einer Herpes-Virus-Krankheit, die nur auf natürliche Art und Weise behandelt werden kann. Während Kinder auf die sogenannte „Kuss-Krankheit“ bzw. das Pfeiffersche Drüsenfieber nur mit geschwollenen Lymphknoten reagieren, treten bei Erwachsenen Symptome auf, die bis zum Tod führen können. Versagen der Mitochondrien, geschädigte Nebennierenrinden oder auch Tumoren können Folgen der Infektion sein. Auch Rosi bemerkte ihre Erkrankung erst, als sie innerhalb von einer Woche zehn Kilo abgenommen hat, körperlich von Tag zu Tag schwächer wurde und schließlich auch noch ihren Geschmackssinn verlor.

„Meine Körperfunktion war bereits auf 30 Prozent gesunken“, erinnert sich die Kräuterfrau, „meine unglaublichen Schmerzen konnte ich nur noch mit Extremsport bekämpfen.“ Das Stresshormon Cortisol, das in der Nebennierenrinde produziert wird, kann durch die Krankheit nämlich nicht mehr abgebaut werden. Stress muss Rosi deshalb heute vermeiden und hält sich jeden Tag strikt an ihren Terminkalender. Samstag und Sonntag hat die Kräuterbäuerin frei. Neben dem natürlichen Coenzym Q 10 und DHEA, das das Stresshormon Cortisol im Körper abbaut, hat sie sich vor allem mit ihren eigenen Kräutern beholfen. Gundermann, Brennnessel und Giersch ist ihre Lieblingsmischung zum Entgiften. „Komischerweise sind genau diese Kräuter ganz stark in meinem Umkreis gewachsen und wachsen heute immer noch hier“, meint Rosi.

Bereits ihre Großmutter galt als Kräuterfrau und hat ihre schwere Tuberkulose mit Kräutern aus ihrem Garten behandelt. „Typische Hausmittel aus Kräutern wurden bei uns in der Familie schon seit Generationen verwendet“, erinnert sich Rosi und leitet ihre Leidenschaft auf diesen Ursprung zurück. Als jüngstes Enkelkind war sie „Omas Nestgoggele“, durfte überall mit hin und hat von ihr bereits früh vieles über die Kräuter in der freien Natur gelernt. Als Rosi erwachsen wurde, hat sie die Kräuter lange Zeit vergessen. Erst durch eine Bronchitis, die sie während der Schwangerschaft mit ihrem ersten Sohn befallen hat, hat sie wieder zum alten Kräuterbuch gegriffen und kommt seither nicht mehr davon los.

„Bereits mit zwölf Jahren habe ich die Odyssee und die Ilias gelesen“

Vor sieben Jahren hat sie schließlich die Ausbildung zum Kräuteranbau an der Laimburg absolviert. Dann folgten Ausbildungen zur Kräuterpädagogin, in Volksheilkunde und zum Thema Kneipp. „Und momentan bin ich in der Ausbildung zur Traditionellen Alpinen Heilkunde“, sagt Rosi und zieht schmunzeld die Schultern hoch. Die Sucht nach mehr Wissen über die Kraft der Natur hat sie befallen. Genau deshalb hat sie nach langer Überlegung vor knapp fünf Jahren auch ihren eigenen Kräutergarten angelegt. Ihr Wissen hat die Passeirerin durch zahlreiche Bücher und Seminare immer weiter aufgestockt. Rosi vertraut aber auch ihrer Intuition. Sie glaubt, dass sie vielleicht bereits vor Jahrhunderten in einem früheren Leben irgendwo als Hexe gelebt hat. Auch ihre panische Angst vor tiefen Gewässern leitet sie darauf zurück und natürlich ihr Interesse für griechische Mythologie und Sagen aus dem Norden. „Bereits mit zwölf Jahren habe ich die Odyssee und die Ilias gelesen“, erinnert sie sich. Viele unserer Angewohnheiten würden heute noch einen archaischen Ursprung haben, was uns oft gar nicht bewusst sei, meint die 41-Jährige. Diese Traditionen möchte Rosi für die heutige Gesellschaft wieder zugänglich und verständlich machen, damit die Menschen das Feingefühl für die Natur wieder entdecken. Früher habe man die Natur nämlich noch beobachtet und von ihr und ihrem Rhythmus gelernt.[[{“fid”:”23063″,”view_mode”:”default”,”fields”:{“format”:”default”,”field_description[und][0][value]”:”%3Cp%3EEs%20gibt%20viel%20zu%20sehen%3C%2Fp%3E%0A”,”field_description[und][0][format]”:”full_html”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Jakob Haller”,”field_license_type[und]”:”_none”,”field_url[und][0][url]”:””,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”link_text”:null,”attributes”:{“height”:520,”width”:780,”class”:”media-element file-default”}}]]

Auch der Jahreskreislauf der Kräuterbäuerin richtet sich nach der Natur: Ihre Saison beginnt Anfang Februar. Dann fängt sie in ihrem Gewächshaus an, ihre Pflanzen vom Samen auf groß zu ziehen. Was zu viel produziert wird, verschenkt sie oder verkauft es weiter, der Rest wird unter ersten warmen Sonnenstrahlen in den Kräutergarten weiterverpflanzt. Von der eigenen Quelle bewässert, gedeiht hier, im milden Passeirer Klima, nahezu alles. Die Gartenpflege teilt sich Rosi mit ihrer Familie auf. Wenn es viel Arbeit beim Jäten und Ernten gibt, hilft man ihr, gibt es hingegen Stress bei der Heuarbeit, hilft Rosi auch mal auf der Wiese von ihrem Schwager. Wenn im Herbst alle Kräuter geerntet sind, folgt die Verarbeitung zu Kräutertees, – kissen und -salzen nach alten Rezepturen von Rosis Oma. Diese verkauft die Bäuerin dann an Hotels, Touristen oder privat in ihrem kleinen Hofladen.

„Momentan sind wir aber an unsere Grenzen gestoßen, größer werden wir bestimmt nicht mehr. Vor allem, weil es mir wichtig ist, regional zu arbeiten“, gesteht die Passeirerin und biegt in der Mitte des Kräutergartens links auf einen kleinen Hügel ab – ihren Hexen-Kultplatz. Hier hat Rosi freien Blick über ihren Hof hinweg auf das restliche Passeiertal. Im nächsten Jahr sollen auf diesem Platz eine Feuer- und Kochstelle stehen und ein Stück weiter darüber Rosis kleines Gartenhäuschen. Auch die Abgrenzungen der Beete sollen neu gemacht werden und natürlich soll sich neben Meerzwiebel, Ziegenkraut und Ballonblume noch das eine oder andere neue Hexenkräutchen gesellen, erzählt Rosi und grinst verschmitzt. Hexen schlafen nämlich nie.

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