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Veröffentlicht
am 04.05.2017
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Der Herr über die Latsche

Veröffentlicht
am 04.05.2017
Philipp Eschgfeller aus Unterreinswald ist Ölbrenner. Aus Fichten, Lärchen, Tannen, aber vor allem Zirm- und Latschenkiefern stellt er ätherische Öle her.
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Gäbe es die Sarner Latsche nicht, könnte Philipp Eschgfeller nicht schwimmen. Und stünde die Berliner Mauer noch, wäre er nicht so stolz auf sein „Reischnöl“.

In den 1960er-Jahren hat sich der Vater des heute 40-jährigen Ölbrenners aus Unterreinswald mit einer Wanderbrennerei selbständig gemacht, war mit mehreren Arbeitern von Mai bis zum Schneefall auf der Sarner Scharte oder in Walten in Passeier. Sie hackten Äste von 20-jährigen und älteren Latschen, zerkleinerten und bearbeiteten sie mit Wasserdampf. Der Dampf nimmt das Latschenöl in der Destillierblase mit. Nach dem Abkühlen schwimmt es obenauf und kann abgezogen werden.

Philipp und seine vier Geschwister arbeiteten dem Vater in ihren schulfreien Sommern oben auf den Almen zu. Ihn, den zweitältesten Jungen, interessierten Maschinen und Technik genauso wie Kartenspiel und Spaß: So gruben die Eschgfeller-Kinder in das heiße destillierte Häckselmaterial ein Loch, breiteten Nylon und leiteten Wasser hinein, konnten warm baden und lernten schwimmen.

Das Grundprinzip des Destillierens ist geblieben, die Methoden hat Philipp Eschgfeller verfeinert. 2005 hat er die Brennerei vom Vater übernommen, längst ist sie fix in Reinswald angesiedelt und nicht mehr auf Wanderschaft.

Nach der Öffnung der Oststaaten wurde der Markt in den 1990er-Jahren von billigen ätherischen Ölen aus Russland überschwemmt, die Preise fielen, Südtirols Brennereien schlossen der Reihe nach. Dass die Familie Eschgfeller an der Sarner Latsche festhielt, hat sie Philipps Mutter Barbara zu verdanken: Sie wusste um die fördernde Kraft bei der Durchblutung, um die entzündungshemmende und schleimlösende Wirkung, setzte auf Bioqualität und bot das Öl auch im Hausladen an: ein Standbein mehr neben den preisdrückenden Großhändlern. Roch die Latsche damals manchen Menschen noch zu ländlich oder harzig, steigt die Beliebtheit des Duftes derzeit sprunghaft an.

Die Sarner Latsche wächst auf sauren Böden, sei buschiger und reichhaltiger als anderswo, sagt Philipp Eschgfeller. Mit Motorsägen ausgestattet fahren er und seine zwei Mitarbeiter nach der Schneeschmelze auf die Alm. Die zu rodenden Flächen haben sie davor mit Grundbesitzern und Förstern vereinbart. Rund sieben Hektar Latsche entnehmen sie jährlich, 2.000 Hektar stünden allein im Sarntal noch bereit. Die ölbringenden Stauden trennen sie vom Hackschnitzelmaterial und bringen beides mit dem Traktor ins Tal. Zehn Kubikmeter zerkleinerte Stauden haben im Destillierkessel Platz. Die Hitze für den achtstündigen Prozess kommt von den Hackschnitzeln. Aus einem Kubikmeter Latsche – rund 350 Kilogramm Masse – gewinnt der Ölbrenner einen Kilo Latschenöl. Sein Vater konnte mit dem Erlös daraus noch drei Arbeiter zahlen, Philipp braucht drei Kilo Öl, um einen Arbeiter zu entlohnen. Auch wenn die Waldarbeit oft eine Schinderei und nicht ungefährlich ist, Philipp Eschgfeller würde mit niemandem tauschen: Die Latsche ist sein Leben und sein Parfum.

von Maria Lobis

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