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„Ich bin nicht der erfolgreiche Gründer. Bis dahin ist es noch ein ganz langer Weg“, sagt Franz Tschimben in die Webcam. Er sitzt am Computer in seiner Wohnung, hinter ihm eine weiße Wand, an der ein großes Blatt mit aufgezeichnetem Diagramm und bunten Post-its hängt. Mit diesem Plan teile er sich seine Aufgaben ein, so der Student, denn nicht selten würde ihm noch in der Nacht etwas Wichtiges einfallen.
Es ist jetzt vier Uhr am Nachmittag, zumindest hierzulande. Bei Tschimben tickt die Uhr zurzeit anders: Bei ihm ist es acht Uhr in der Früh. Der 25-Jährige lebt zurzeit in Kalifornien, im Silicon Valley, das mittlerweile „Tal der Gründer“ genannt wird, weil dort Unternehmen wie Google, Facebook, Apple, Twitter, Yahoo und Amazon gegründet wurden. Mittendrin, in Santa Clara – einer Stadt mit rund 116.000 Einwohnern – 50 Kilometer von San Francisco entfernt, lebt Tschimben seit Anfang September in seinem Zuhause auf Zeit, einer kleinen Einzimmerwohnung. Sie liegt in der Nähe der Santa Clara University – Leavey School of Business, die der Eppaner zurzeit besucht. Möglich macht ihm das das 35.000 Euro Fulbright-BEST-Stipendium, das die vom Land ins Leben gerufene Stiftung für Forschung und Innovation finanziert.
„Ich habe mich riesig gefreut“, erzählt Tschimben auf die Frage, wie er sich gefühlt habe, als er den Anruf erhielt und erfuhr, dass er das Stipendium erhalten habe. Darauf aufmerksam geworden ist der junge Mann in dem Südtiroler Startup-Blog „Startups in the ALPS“ auf Facebook. Er schickte Idee und Lebenslauf und bewarb sich um das Stipendium, rechnete sich anfangs aber keine allzu großen Chancen aus, da die Stipendien meistens an Personen ohne wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund vergeben werden. Bis er sein Projekt „Onof“ einer Jury aus Investoren vorstellte und überzeugte. So sehr, dass er sich unter rund 200 Bewerbern durchsetzte und einer der zwölf war, die ein Stipendium erhielten.
Als Kind wollte Tschimben Maurer werden, jetzt will er im Silicon Valley sein eigenes Startup-Unternehmen gründen. Dafür versucht er Investoren für sein Projekt zu gewinnen, die neben Kapital auch ihre Erfahrungen und Kontakte in das Unternehmen einbringen sollen. Tschimben will eine Software auf den Markt bringen, welche das Demand-Response-Management von virtuellen Kraftwerken ermöglichen soll: Virtuelle Kraftwerke gleichen das Über- oder Unterangebot von Energie aus, das aus dem vermehrten Angebot von erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne resultiert.
„Die Software soll den Energieausgleich möglich machen. So wird das Übertragungsnetz sicherer und stabiler, da Schwankungen verringert werden. Für die Gesellschaft bedeutet das etwas sehr Positives: Es kann vermehrt auf erneuerbare Energien gesetzt und die Umweltbelastung verringert werden“, erklärt Tschimben, der neben Italienisch und Englisch auch fließend Spanisch spricht, was er dem Masterabschluss an der ESADE Business School in Barcelona verdankt. Diese hat er nach dem Bachelorabschluss an der Freien Universität Bozen 2011 besucht. Einen zweiten Masterabschluss macht er bald an der Universität St. Gallen.
Damit er sein Unternehmen aufbauen kann, arbeitet der Student hart. Vormittags besucht er Kurse an der Universität, nachmittags und abends hängt er sich in sein Projekt. Das erfordere viel Ehrgeiz und Fleiß. Tschimben versuche immer einen Schritt mehr zu machen. Er sucht ständig nach neuen Projekten und Aufgaben. Den Antrieb dafür hat er von seiner Familie mitbekommen. Sein Vater hat ein Einrichtungshaus aufgebaut und auch auch sein Großvater, mit dem Tschimben, seit er in Amerika ist, regelmäßig telefoniert, hat immer schon hart gearbeitet.
Als Ausgleich zur Arbeit macht der 25-Jährige viel Sport, sofern es seine freie Zeit zulässt. Vor allem Fußball. „Dabei bekommt man den Kopf frei und denkt nicht daran, was man noch alles erledigen muss“, sagt der jahrelange Stürmer des AFC Eppan. „Ich merke jetzt, wie mir dieser Ausgleich fehlt.“ Zudem hat er sich ein Auto gekauft, mit dem er Touren in die Natur unternimmt: an den Strand, zum Surfen in Santa Cruz oder südlich über den Highway California 1 an die Küste Richtung LA. Dort genießt er die schöne Landschaft. „Es sind die Weiten, die mich faszinieren“, sagt Tschimben, der auch schon ein Semester in Kanada gelebt hat.
Am Abend trifft er sich mit seinen Freunden zum Essen und besucht Start-up-Events, um Gleichgesinnte zu treffen. „Das ist toll. Die hohe Dichte an Investoren und Gründern hier ist einmalig“, sagt Tschimben, der am meisten den regelmäßigen Kontakt zu Familie und Freunden vermisst und einheimisches, traditionelles Essen, wie Knödel mit Gulasch.
„Hier ist es einfach typisch Amerika. Jeder hat sein kleines Haus, seinen perfekt gemähten Rasen, sein kleines Familienauto. Es ist wirklich wie im Film.“
Die nächste Zeit wird Tschimben noch in Santa Clara wohnen, im Dezember zieht er dann nach San Francisco, um für weitere drei Monate in ein erfolgreiches Unternehmen zu schnuppern. Dort sei er außerdem näher an Leuten, die sich für sein Unternehmen interessieren könnten. Die Erfahrung, in einer Stadt wie Santa Clara zu leben, möchte er aber dennoch nicht missen „Hier ist es einfach typisch Amerika. Jeder hat sein kleines Haus, seinen perfekt gemähten Rasen, sein kleines Familienauto. Es ist wirklich wie im Film“, sagt Tschimben und lacht.
Er ist mit einer Idee nach Amerika gekommen und versucht alles, um sein Unternehmen jetzt erfolgreich zu starten. Doch so einfach sei das nicht. Führende Energieanbieter arbeiten an der Umsetzung ähnlicher Projekte und verfügen zudem über mehr Ressourcen, vor allem Geldmittel und Humankapital.
„Ich hoffe, dann bin ich pragmatisch genug, um zu sagen: Wenn ich durch meine Arbeit und Analysen sehe, dass das Projekt kein Potential hat, dann ist es eben so und ich mache was anderes“, sagt Tschimben. Wenn er jetzt das Skype-Fenster schließt, beginnt für ihn ein weiterer aufregender Studien- und Arbeitstag. Irgendwann wird er wieder nach Südtirol kommen – oder auch nicht, wenn es mit seinem Unternehmen klappen sollte.
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