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Illustrations by Sarah
Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 14.01.2019
LeuteInterview mit Paul Köllensperger

„Wie die SVP, nur besser“

Etablierte Parteien werden weiter Stimmen verlieren, prognostiziert Paul Köllensperger. Mit seinem „Team Köllensperger“ will er den Populisten nicht das Feld überlassen.
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Paul Köllensperger im Ostwest Club

Er ist keiner, der brüllt oder gerne laut ist. Mit seiner Bewegung verortet er sich weder rechts noch links, er ist gegen das Establishment, aber ohne extreme Positionen zu vertreten. Trotzdem oder gerade deshalb holte das „Team Köllensperger“ bei den letzten Landtagswahlen 15,2 Prozent der Stimmen praktisch aus dem Stand heraus. Die Neue Südtiroler Tageszeitung ehrte diese Leistung, indem sie Köllensperger zum Mann des Jahres 2018 kürte. Ein verdienter Titel? Kritiker sprechen auch von Beliebigkeit und bemängeln die Abwesenheit konkreter Inhalte. Im Interview reagiert Köllensperger auf solche Vorwürfe und wirft einen Blick auf die kommende Legislaturperiode.

Herr Köllensperger, fünf Jahre haben Sie bereits in der Opposition verbracht, damals noch gegen eine SVP/PD-Regierung. Was wird diesmal anders sein?
Das lässt sich noch nicht so leicht beurteilen. Das eine ist, was in einem Regierungsprogramm steht, und das andere – entscheidendere – ist, was eine Regierung tatsächlich macht. Ich bin also gespannt, was kommen wird, vor allem vonseiten der Lega im Trentino, deren starker Mann Maurizio Fugatti ist, aber auch von der Lega in Rom. Das Koalitionsprogramm an sich lässt sich fürs Erste recht gut lesen und ist auch unter sozialen Gesichtspunkten durchaus vertretbar. Da hat die SVP eindeutig die Linie vorgegeben und dem Koalitionspartner nur wenige Brotsamen übrig gelassen. Die Lega bleibt aber trotzdem die Lega, da genügt ein Blick aufs Decreto Sicurezza.

Auch mit Blick auf die Autonomie könnte die Lega – so befürchtet man – weniger zuverlässig sein. Sehen Sie eine Gefahr?
Wegen der Lega ist die Autonomie nicht gefährdet. Bekanntlich ist die Lega eine autonomiefreundliche Partei. Die Worte von Senator Calderoli haben mich aber doch überrascht. Nicht so sehr seine Senatsreform zur Reduzierung der Senatoren …

… bei welcher Südtirol nun sogar einen relativen Vorteil erhält, wenn es seine drei Senatoren behalten kann.
Da wären sie proportional extrem überbewertet gegenüber den andern Senatoren (die von 315 auf 200 reduziert werden, Anm. der Redaktion). Aber das ist alles nur mündlich. Ich möchte erst sehen, was davon umgesetzt wird. Und Calderoli hat in diesem Zusammenhang ein paar wirklich bedenkliche Aussagen getätigt. Das Pariser Abkommen hat er als überholt bezeichnet und die Funktion Österreichs als Schutzmacht infrage gestellt. Der Lega geht es vor allem darum, ihren eigenen Regionen zu mehr Autonomie zu verhelfen, etwa der Lombardei und dem Veneto.

Dass Sie lieber selbst mit der SVP regiert hätten, ist kein Geheimnis. Das war aber schon aus rein formalen Gründen ausgeschlossen, weil Sie keine italienischen Landesräte stellen konnten. Werden Sie künftig mehr Italiener ins Boot holen?
Ich möchte vorausschicken, dass mir von Anfang an klar war, dass die SVP uns als Letzte zum Partner wählen würde. Der Wunsch, mitzuregieren, soll eher eine Geisteshaltung ausdrücken: Wir haben diese Bewegung ins Leben gerufen, um Südtirol aktiv zu gestalten. Um das zu erreichen, möchten wir natürlich die Italiener mit im Boot haben – schon aus prinzipiellen Gründen. Leider ist es uns in den zweieinhalb Monaten bis zu den Wahlen nicht so gut gelungen, auch die Italiener anzusprechen, aber wir wollen in Zukunft daran arbeiten, alle Bevölkerungsgruppen zu repräsentieren. Das Vorhandensein mehrerer Sprachgruppen sehen wir als großen Mehrwert für Südtirol.

Dabei waren Sie zuerst ausgerechnet beim italienischen Movimento 5 Stelle (M5S). Den haben Sie verlassen, um auch für deutsche Wähler attraktiv zu werden. Ein Ausstieg also aus rein taktischen Gründen?
Ursprünglich wollte ich ein Südtiroler Projekt innerhalb des M5S gründen und habe viele Monate darüber verhandelt. Mit der aktuellen Konfiguration des M5S wäre es schlichtweg nicht möglich gewesen, alle Südtiroler mit einzubinden. Gegen diese Idee kam aber ein Veto von ganz oben.

Mit welcher Begründung?
Das wurde nicht ausführlich begründet. Ich gehe aber davon aus, dass man eine zentralisierte Kontrolle beibehalten wollte, während ich für das Südtiroler Projekt eine große Autonomie anstrebte. Die Differenzen waren also nicht ideologischer, sondern vielmehr organisatorischer Art. Mit der Entwicklung zu einer zentralisierten Kontrolle im M5S kann ich mich nach wie vor nicht anfreunden. Es gibt aber auch ein paar inhaltliche Differenzen, so hatte ich zum Beispiel von Anfang an eine andere Haltung zu Europa. Seit letztem Jahr kam außerdem ein interner Rechtsruck des Movimento hinzu. Der Abschied im Juli ist mir daher relativ leicht gefallen.

Will den Landtag aufmischen: Paul Köllensperger.

Nicht nur in Südtirol, in ganz Europa wenden sich die Wähler von etablierten Parteien zunehmend ab. Sie selbst profitieren davon. Wie bewerten Sie diese Entwicklung: Chance oder Gefahr?
Wie so oft, beides. Die Chance besteht darin, eine Erneuerung zu bringen, die die etablierten Parteien in den letzten zwei Jahrzehnten nicht gebracht haben. Vor allem die Sozialdemokraten haben auf ganzer Linie enttäuscht und verlieren jetzt massiv Wähler an die Populisten aus dem rechten Lager. Und genau da liegt die Gefahr.

Was genau machen die alten Volksparteien falsch? Mit anderen Worten: Was können die Rechtspopulisten besser?
Sie machen in Wirklichkeit gar nichts besser, sie sind nur gut darin, mit den Ängsten der Menschen zu spielen. Wo die alten Volksparteien, insbesondere die Sozialdemokraten, sich verfehlt haben, ist, dass sie keine soziale beziehungsweise sozialdemokratische Politik mehr geführt haben. Wer hat etwa die Banken gerettet? Wer hat die Arbeit prekarisiert? Von Renzis Arbeitsmarktreform „Jobs Act“ zu Schröders „Agenda 2010“, da sind überall in Europa teils neoliberale Tendenzen durchgegangen. Angesichts dessen wundere ich mich nicht, dass jetzt von den Wählern die Retourkutsche kommt.

Dass der Vorwurf der Beliebigkeit ausgerechnet von der SVP kommt, die auf Landesebene mit der Lega und in Bozen mit dem PD und den Grünen regiert, ist ziemlich lächerlich.

Sie hingegen wollen sich mit Ihrer Politik weder rechts noch links positionieren. Ist das nicht etwas feige, so nach dem Motto: Wer sich nicht festlegt, enttäuscht auch keine Erwartungen? Manche werfen Ihnen sogar Beliebigkeit vor.
Dieser Vorwurf kommt vor allem aus den Reihen der SVP und rührt daher, dass wir die SVP mit ihren eigenen Waffen schlagen. Die SVP ist nämlich selbst eine Sammelpartei, die versucht, alle Menschen auf dem sozialen Spektrum zu repräsentieren, von den Arbeitern zu den Unternehmern. Wir machen etwas Ähnliches, aber ohne uns auf die deutsche Minderheit zu beschränken. Unser Angebot gilt für alle Südtiroler. Dabei machen wir in unserem Programm präzise Aussagen. Im wirtschaftlichen Bereich haben wir uns etwas liberaler aufgestellt, sind dann aber wieder klar ökologisch ausgerichtet und haben durchaus eine soziale Schlagseite. Daher nennt sich unsere Bewegung „sozial-liberal“. Dass der Vorwurf der Beliebigkeit jetzt ausgerechnet von der SVP kommt, die auf Landesebene mit der Lega und in Bozen mit dem PD und den Grünen regiert, ist ziemlich lächerlich.

Und dieses große Spektrum – vom Sozialen zum Liberalen – lässt sich so leicht vereinen?
Auf regionaler Ebene schon. Hier geht es zu 90 Prozent um Sachpolitik: gute Verwaltung, funktionierende Infrastruktur, eine effiziente Sanität, ein tragfähiges Verkehrsnetz. Ideologie spielt da keine große Rolle. Auf staatlicher Ebene sieht es dann schon anders aus, dort wird es umso wichtiger, sich zu einer bestimmten Vision einer Gesellschaft zu bekennen.

Sie haben in den vergangenen Monaten bereits die Absicht geäußert, das „Team Köllensperger“ umzubenennen, um die Bewegung weniger abhängig von Ihrer Person zu machen. Wie weit ist man damit?
Bisher waren wir noch mit Dingen beschäftigt, die höhere Priorität hatten. Die Umbenennung wird aber sicherlich auch noch passieren. Ich mag diese exzessive Personalisierung nicht, vor allem für eine Sammelpartei wie unsere Bewegung es ist. Was wir in erster Linie erreichen wollen, ist wieder eine Politik, die alle Bürger vertritt und nicht nur die großen Interessensverbände und großen Herren, wie es auch in Südtirol inzwischen der Fall ist. Und wir wollen das Feld nicht den Populisten überlassen. Wir wollen beweisen, dass der Ruf nach Neuem auch mit seriösen, unaufgeregten und nicht-rassistischen Angeboten beantwortet werden kann.

Herr Köllensperger, danke für das Gespräch.

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