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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 24.08.2016
LeuteAuf a Glasl mit Martina de Zordo

„Mehr auf Jugendliche hören“

Veröffentlicht
am 24.08.2016
Martina de Zordo ist Religionslehrerin und Vorsitzende des Südtiroler Jugendrings. Sie kennt die Probleme und Zukunftsängste von Jugendlichen.
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Sie ist 29 Jahre alt, Religionslehrerin und seit drei Jahren Vorsitzende des Südtiroler Jugendrings – der Dachorganisation der Kinder- und Jugendverbände Südtirols. Der Jugendring will Jugendlichen eine Stimme geben. Ehrenamt, Partizipation, Arbeit, Bildung und Junges Wohnen sind Themen, die die Jugendlichen heute immer mehr beschäftigen. De Zordo ist gerade aus dem Urlaub zurück. Braungebrannt sitzt in einem kleinen Café in Frangart und bestellt einen Birnensaft, bevor das Interview beginnt.

Warum brauchen Jugendliche überhaupt eine Interessenvertretung?
Es ist wichtig, dass in Südtirol auch die Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen vertreten werden. Als Arbeits- und Aktionsgemeinschaft bemühen wir uns, über die Anliegen der Verbände hinaus, der gesamten Jugend in Südtirol zu dienen und gemeinsam mit allen Trägern der Jugendarbeit anfallende Probleme zu lösen. Schwerpunkte setzen wir zurzeit dabei in den Bereichen Beratung und Vernetzung, Förderung des Ehrenamtes, Arbeit und Bildung, Partizipation und internationale Jugendarbeit.

Woher kommt dein Engagement für Jugendliche?
Ich war jahrelang bei der Jungschar dabei, als Kind und als Gruppenleiterin. Dann habe ich den Jugendring kennengelernt. Diese Arbeit gefällt mir gut. Sie ist spannend und interessant. Wir haben ein super Team, das mit großer Begeisterung dabei ist. Ich habe durch meine ehrenamtlichen Tätigkeiten viel erleben und lernen können, das möchte ich auch anderen Jugendlichen ermöglichen.

Deine größte Jugendsünde?
(lacht und denkt nach) Oft zu wenig kritisch gewesen zu sein. Ich habe mich von anderen Leuten zu schnell bremsen gelassen, wenn es um kritische Überlegungen ging.

Ist dir wichtig, den Jugendlichen heute zu vermitteln, dass sie kritisch sein sollen?
In der Jugend entwickelt man ein neues Bewusstsein für die Gesellschaft und man hinterfragt viel kritisch. Man fühlt den Erwachsenen auf den Zahn und das sehe ich als Chance für Erwachsene. Man bekommt Impulse und kann sich weiterentwickeln kann. Man sollte mehr auf Jugendliche hören.

Wie nahe bist du als Vorsitzende vom Jugendring an den Jugendlichen dran?
Über die Mitgliedsorganisationen im Jugendring habe ich Kontakt zu den Jugendlichen südtirolweit. Auch durch Partizipationsprojekte, die wir in verschiedenen Gemeinden durchführen, erfahre ich, mit welchen Themen sich Jugendliche auseinandersetzen. Auch die Beratungsstelle Young + Direct ist für mich Seismograph für Themen junger Menschen. Zudem organisieren wir unterschiedliche Projekte oder Aktionen, bei denen ich konkret mit Jugendlichen arbeite, wie zum Beispiel 72 Stunden ohne Kompromiss oder das Politik Action Sommercamp. Als Lehrerin an der Berufsschule Tschuggmall bekomme ich zudem einen Einblick in die Welt der Jugendlichen.

Interessieren sich Jugendliche für Politik?
Es gibt immer Leute, die sich dafür mehr interessieren und andere, die sich weniger interessieren. Unsere Erfahrung im Jugendring ist, wenn man jugendgerechte Methoden zur Mitbestimmung nutzt, schafft man es, bei Jugendlichen das Interesse für Politik zu wecken und die Begeisterung zu steigern. Erfolgreiche Beteiligungsprozesse, bei denen Jugendliche ernst genommen und ihre Ideen auch umgesetzt werden, motivieren junge Menschen, sich auch weiterhin für die Gemeinde einzusetzen und diese mitzugestalten.
Bei der Servicestelle Young + Active haben wir südtirolweit Anfragen, um Partizipationsprozesse jugendgerecht zu begleiten. Im vergangenen Arbeitsjahr wurde die generationsübergreifende Planung eines Spielplatzes in der Gemeinde Algund moderiert. In Lana wurde ein Treffen zwischen der Gemeindeverwaltung und Jugendverbänden begleitet, wo aktuelle gemeindepolitische Vorhaben diskutiert wurden. Die Gemeinde St. Leonhard in Passeier wurde in verschiedenen Schritten darin begleitet, einen Jugendbeirat zu gründen.

Jugendliche engagieren sich auch sozial immer mehr. Die Zahl der Ehrenamtlichen in den zwölf Mitgliedsvereinen des Südtiroler Jugendrings ist im letzten Jahr um knapp zehn Prozent gewachsen. Was sagst du dazu?
Wir haben eine hohe Zahl an Ehrenamtlichen. Das ist schön, vor allem in einer Zeit, in der immer gesagt wird, dass sich junge Leute nicht für verantwortungsvolle Arbeiten interessieren. Es ist ein großer Reichtum für Südtirol, dass sich so viele junge Menschen ehrenamtlich für die Gesellschaft einsetzen und diese mitgestalten.

„Seit eineinhalb Jahren beraten wir auch über Soziale Medien, vor allem WhatsApp. Damit sind wir im gesamten deutschsprachigen Raum die ersten. “

Wie viele Kinder und Jugendliche nehmen den Dienst Young + Direct in Anspruch?
Der Dienst ist nach wie vor sehr gefragt. Telefon und E-Mails sind gefragt, ebenso persönliche Gespräche. Seit eineinhalb Jahren beraten wir auch über Soziale Medien, vor allem WhatsApp. Damit sind wir im gesamten deutschsprachigen Raum die ersten. In den vergangenen Jahren haben die Langzeitberatungen immer mehr zugenommen. Ebenso die Nachfragen von Schulen und Organisationen, um Workshops durchzuführen. Daran merkt man, es braucht den Dienst.

Haben sich die Themen der Jugendlichen in den vergangenen Jahren verändert?
Die Grundthemen sind nach wie vor Persönlichkeitsentwicklung, Liebe, Freundschaft und Sexualität. Jugendliche sind in der Situation, sich von zu Hause und den Eltern loszulösen und in die Selbstständigkeit hineinzuwachsen. Das hat mit Reibungen, Auseinandersetzungen und Diskussionen zu tun. Was zugenommen hat, sind Zukunftsängste, die junge Leute vielfach haben.

Warum ist das so?
Wenn man schaut, welche Herausforderungen sich jungen Leuten stellen und wie die Gesellschaft zurzeit funktioniert, ist das nachvollziehbar. Wenn man sich die prekäre Lage am Arbeitsmarkt ansieht, dann sind vor allem junge Leute die Leidtragenden. Und wenn man keine Arbeit hat, sieht es auch nicht so rosig mit Wohnungsplänen aus oder wenn man sich eine Mietwohnung sucht. Im ersten Jahr bekommt man beispielsweise nur 50 Prozent des Mietbeitrags, der einem eigentlich zusteht. Das sind Herausforderungen, die die jungen Leute nicht unterstützen.
Beim Internationalen Tag der Jugend wurden Studien vorgezeigt, die besagen, dass unter 25-Jährige zu 20 Prozent armutsgefährdet sind. Das sind Zahlen, die erschrecken. Man muss die Augen öffnen.
Das Einkommen an und für sich steht in der gesamten Gesellschaft nicht mehr im Verhältnis. Dabei geht es nicht darum, alles zu haben, sondern um die Basis. Wohnen ist bei uns in Südtirol einfach teuer. Die Statistik zeigt auch, wie groß die Schere zwischen Mann und Frau bereits in diesem Alter auseinandergeht. Vielfach sind es Frauen, die armutsgefährdet sind.

Du unterrichtest Religion an der Berufsschule Tschuggmall in Brixen. Wie schwierig ist es heutzutage, Kindern den Glauben näher zu bringen?
Das Interesse an Religion und Glaube ist schon da, man muss aber in Diskussion treten. Es ist wichtig den Weg über das Ethische und Soziale zu gehen und auch mal über aktuelle Themen zu diskutieren. Die Schüler sind interessiert, fühlen mir aber schon auf den Zahn. Was aber auch richtig ist. (lacht)

Ist Islam auch ein Thema?
Aufgrund der aktuellen Situation ist das natürlich auch ein wichtiges Thema. Es ist wichtig, dass man auch diese Religion kennenlernt, verstehen lernt und es schafft, gewisse Vorurteile abzubauen. Darüber hinaus sollen Jugendliche auch andere Religionen kennenlernen.

Warum hast du dich entschieden, Religionslehrerin zu werden?
(lacht) Diese Arbeit hat eher mich gefunden als ich die Arbeit. Ich habe nach der Oberschule öfter mit dem Gedanken gespielt Religion zu unterrichten. Ich konnte es mir aber nicht so vorstellen. Vor drei Jahren hat es sich aber so ergeben und ich bin sehr froh darüber. Ich bin dabei „hängen“ geblieben.

Wie wichtig ist dir dein Glaube?
Für mich hat Spiritualität, Religion und Glaube einen wichtigen Platz im Leben. Ich suche für mich immer wieder Plätze und Orte, wo ich Energie tanke. Der Glaube gibt meinem Leben eine tiefere Qualität.

Warst du bereits als Kind gläubig?
In der Jungschar habe ich die Gemeinschaft im Bezug zum Glauben erlebt und ich hatte das Glück viele Freunde zu haben, die in Religion und Glauben eingebettet sind. Im letzten Oberschuljahr bin ich mit Freunden nach Taizé gefahren, einem Pilgerort in Frankreich. In diesem Ort habe ich den Glauben und die Spiritualität sehr intensiv erlebt, die seitdem für mich wichtige Lebensstützen geworden sind.

Und privat bist du viel in den Bergen unterwegs…
Genau. Im Sommer gehe ich viel wandern, Bergsteigen oder Mountainbike fahren, im Winter mache ich Skitouren. Durch die Kombi Hauptberuf und Ehrenamt muss ich mir die freie Zeit aber einteilen. Da kann es schon sein, dass ich in der Früh zeitig aufstehe, zum Sonnenaufgang auf einem Berg stehe und dann in die Arbeit starte. (lacht)

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