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Veröffentlicht
am 24.07.2015
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„Der Rollstuhl gehört zu mir”

Veröffentlicht
am 24.07.2015
Ivan Tratter sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl. Der 22-Jährige hat sich aber nicht aufgegeben, sondern verfolgt neue Ziele. Eine Schülerin hat ihn getroffen.
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An unserem vereinbarten Treffpunkt, einem Gasthaus in Jenesien, erwartete uns bereits Ivan Tratter, ein 22-jähriger Mann aus diesem Dorf. Sein berührendes Schicksal traf nicht nur die Menschen aus seinem Heimatdorf, sondern auch viele weit darüber hinaus. Was dieser junge Mann erleiden musste und mit welcher Kraft er diesen Schlag verarbeitet, ist bemerkenswert. Der junge Mann sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl, doch er lässt sich nicht unterkriegen und verfolgt einen großen Traum.

Sein Ausdruck verfinstert sich, wenn er an den Unfall und diesen schwarzen Tag in seinem noch so jungen Leben denkt. An den Tag selbst hat er kaum noch Erinnerung, nur Erzählungen und sein Rollstuhl erinnern in daran. Er erzählt uns seine Geschichte:

„Ich hatte mehr Knochen gebrochen als noch heil.“

Es ist der 16. Jänner 2011. Ein paar Freunde beschließen spontan, nach Reinswald im Sarntal zu fahren, da dort das bekannte Mondscheinrodeln stattfindet. Alle sind voller Vorfreude und Motivation, da sie nach längerem wieder zusammen einen Tag verbringen. Es ist ein lustiger, ausgelassener Abend und schließlich steht der Aufbruch Richtung Tal bevor. Die erste Idee, ist den Abstieg zu Fuß über die Skipiste zu bewältigen, jedoch entscheiden sie sich trotzdem um und nehmen als Abfahrtsgerät eine Matte. Dieser Spaß wird ihnen dann zum Verhängnis. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit verlieren zwei der Freunde die Kontrolle über die Matte. Einer der zwei Freunde schafft es im letzten Moment von der Matte zu springen, der andere, Ivan, prallt voller Wucht auf einen Baum am Rande der Piste. Die Freunde holen sofort Hilfe, bringen ihn zurück ins Tal. Dass Ivan so einen schweren Unfall überlebt, grenzt schon an ein Wunder. Er ist schwer verletzt: Er trägt ein Schädel-Hirn-Trauma davon und mehrere Rippenbrüche, sowie das Schlimmste von allen: einen Wirbelbruch. Seine Antwort auf die Frage, was er alles gebrochen hatte, ist immer dieselbe: „Ich hatte mehr Knochen gebrochen als noch heil.“

Der lange Weg in die Unabhängigkeit
Ein Tag, an dem das Leben von einem Moment auf den nächsten komplett verändert wird und man alles umstellen muss. Nach dem Unfall begann Ivan gleich mit einer Reha in Bad Häring, die ihn langsam wieder zurück ins Leben brachte. Er lernte Menschen mit einem ähnlichen Schicksal kennen und das Gefühl mit Gleichgesinnten zu sein, war sehr hilfreich für ihn. Neben den Anstrengungen der Reha und den vielen Sachen, die er neu erlernen musste, kamen die Schwierigkeiten im Alltag dazu. Er war auf die Hilfe anderer rund um die Uhr angewiesen.

Ein großer Schritt für ihn war der Umbau des Elternhauses, wodurch er eine eigene, behindertengerechte Wohnung bekam. Sein Zuhause ist so eingerichtet, dass er alles problemlos erreichen kann, ohne Stufen versteht sich. Es ist seine kleine, eigene Welt, in welche er auch viel Geld hinein gesteckt hat. „Mir war es wichtig unabhängig und eigenständig leben zu können“, erzählt Ivan. Zu seiner Selbstständigkeit gehört auch ein eigens für gehbehinderte Menschen gebautes Auto, das ihm Mobilität ermöglicht. Seinen Oberschulabschluss hat er an der Abendschule der HOB nachgeholt, denn der Unfall geschah während seines letzten Jahres in der Oberschule. Auch hat er wieder eine Arbeitsstelle in einem Büro gefunden, die ihm sehr viel Selbstvertrauen gibt. Dies sei ein sehr großes Glück, welches nicht jeder gehbehinderte Mensch erfahren darf, weiß der 22-Jährige.

„Mein Leben ist nicht schlechter geworden, nur anders“

In jedem Bereich seines Lebens musste er Änderungen hinnehmen. Auch in Sachen Aufmerksamkeit, denn der sonst so unscheinbare Ivan bekommt nun von allen Seiten Mitleid zu spüren. Doch der junge Mann hält nicht viel von Mitgefühl: „Ich habe viel gelernt aus diesem Tag und ich will nicht, dass mich Leute bemitleiden. Ich kann sagen, dass mein Leben nicht schlechter geworden ist, sondern nur anders.“ Er strotzt nur so vor Energie und Lebensfreude, ist aktiv wie damals.

Traumziel Olympia
„Der Gedanke nie mehr Fußballspielen zu können war der schlimmste von allen. Denn Fußball spielte ich für mein Leben gerne. Doch nicht nur dieser Sport begeisterte mich, sondern ich spielte auch gerne Tennis“, erzählt Ivan. Seine sportliche Aktivität nahm er in sein neues Leben mit, denn Rollstuhl-Tennis macht er jetzt zu seiner Lebensaufgabe: „Das Tennis im Rollstuhl hat mir wieder Hoffnung gegeben, neue Türen geöffnet und Perspektiven gezeigt. Es hat mich sozusagen aus einem Loch herausgeholt.“ Nun hat Ivan wieder ein Ziel vor Augen: Er will an den Paralympics im Jahre 2016 in Rio de Janeiro teilnehmen. In diesen Traum investiert er sehr viel Zeit. Ein eigener Lehrer steht ihm bei seinen Trainings in der Nähe von Padua zur Seite. Sein Ziel erfordert viel Durchhaltevermögen und das Training ist sehr wichtig. Doch das alles kostet viel Geld, das ihm fehlt. Auch wenn er Sponsoren gefunden hat, ist die Kostenfrage sehr präsent und daher haben sein Dorf und seine Freunde immer wieder Veranstaltungen organisiert, um ihm den Erlös zu spenden. Er weiß, dass alle hinter ihm stehen und dies gibt ihm immer wieder neue Kraft. Dafür ist Ivan sehr dankbar.

Zurückblickend sagt er, dass er sich natürlich oft gedacht habe, wenn er nur die Zeit zurück drehen könnte, um alles rückgängig zu machen: „Damit ich wieder laufen kann, Fußball spielen, Spaß haben. Doch mit der Zeit akzeptiert man es einfach. Es gehört zu mir und meinem Leben dazu und zu meiner Persönlichkeit. Ich kann behaupten, dass mich der Tag in irgendeiner Weiße positiv geprägt hat und dass ich mein Leben jetzt viel mehr zu schätzen weiß.“

Von Daniela Stanger (Fachoberschule für Tourismus, Bozen)

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