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Irina Ladurner
Veröffentlicht
am 25.10.2016
LebenDie gute Bank

Zum Teufel mit dem Gewinn

Veröffentlicht
am 25.10.2016
Die einen unterstützen soziale Projekte, die anderen entdecken den unprofitablen Kunden für sich: Die guten Gesichter modernen Bankings.
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Wer zu lange im Hamsterrad mitläuft, dem tut irgendwann der Rücken weh. So war es zumindest bei Peter Zimmerl: Bandscheibenvorfall. Nicht Schreibtischarbeit und fehlende Bewegung waren die Ursache. Rückblickend ist er sich sicher, es war die Psyche. Jahrelang hatte Zimmerl im österreichischen Bankensektor gearbeitet und seine Unzufriedenheit ignoriert. Nun spürte er die Konsequenzen. Zimmerl tauschte das Bankenumfeld mit einem Posten beim Glücksspielkonzern Novomatic. Das Gehalt war gut, einen Sinn sah er in seiner Arbeit nicht. Da drückte ihm im Yogastudio seiner Frau eine Bekannte einen Flyer in die Hand. Es war die Einladung zu einer Infoveranstaltung des Projekts Bank für Gemeinwohl. Er ging hin, wurde Mitglied. Seit März 2016 ist Zimmerl Vorstand.

Einen Kredit bekommt, wer dem Wohl der Gesellschaft dient.

In seiner neuen Position will Zimmerl etwas von seinem Versäumnis aufholen. Dafür nimmt er ein deutlich geringeres Gehalt in Kauf. Auch die Mitglieder des Projekts Bank für Gemeinwohl sind bereit, auf einen Teil ihrer Zinsen oder ihrer Rendite zu verzichten. Im Gegenzug wollen sie die Sicherheit, dass ihr Geld zugunsten der Gemeinschaft eingesetzt wird: Gutes Gewissen anstatt gutem Geld. Geboren hat das Projekt eine Gruppe von hundert Studenten, Globalisierungskritikern, Ökonomen und Unternehmern, darunter auch Christian Felber, Vertreter der sogenannten Gemeinwohl-Ökonomie. Vor fünf Jahren gründeten sie die Genossenschaft. Heute zählt sie 4.000 Mitglieder. Jeder Einzelne von ihnen hat ein Stimmrecht – egal, ob er sich mit 200 Euro oder dem Höchstwert von 100.000 Euro an der Genossenschaft beteiligt. Die Bank ist noch nicht am Markt aktiv, doch ihr Ziel ist klar: Sie muss dem Gemeinwohl dienen. Und: Nicht Projekte, die schnelles Geld versprechen, sollen in Zukunft unterstützt werden. Einen Kredit bekommt, wer dem Wohl der Gesellschaft dient.

Das „grüne“ Versprechen

Der Markt für solche Projekte ist vorhanden. Immer mehr Menschen schauen genauer hin, wenn es um ihren Einfluss auf die Gesellschaft geht: Bio-Lebensmittel aus dem Supermarkt, fair gehandelte Kleidung, Fahrrad anstatt Auto. Sie wollen auch wissen, was mit dem Geld passiert, das auf ihrer Hausbank liegt. Wird es womöglich in Unternehmen investiert, die ihr Geld mit Kinderarbeit, Atomenergie oder Waffenhandel verdienen? Bei dieser Unsicherheit setzen Ethikbanken wie die GLS Bank in Deutschland oder die Freie Gemeinschaftsbank in Basel mit ihrem „grünen“ Versprechen an. Sie verzichten auf derartige Investitionen, auch wenn sie hoch rentabel wären. Stattdessen werden mithilfe alternativer Banken energieautarke Häuser gebaut, vom Aussterben bedrohte Handwerksberufe unterstützt, Projekte für Menschen mit Beeinträchtigungen umgesetzt und Meditationszentren gebaut. Ethikbanken wirtschaften nach sozialen und ökologischen Regeln und setzen auf Transparenz.

Wer ethisches Sparen verspricht, dem wird erst recht auf die Finger geschaut. Bei der geplanten Bank für Gemeinwohl will man Projekte deshalb zukünftig gleich dreifach prüfen. Experten legen im ersten Schritt den Grad der Gemeinwohlorientierung fest. Ein Kriterienkatalog bewertet etwa Lieferantenbeziehungen oder Gehaltsschema der Mitarbeiter. Im zweiten Schritt folgt der Wirtschaftlichkeitscheck. Und im dritten bringen sich die Genossenschafter ein. Auf einer Online-Plattform sollen sie sich über ein vorgestelltes Projekt austauschen können. Sie bewerten etwa den Grad der Gemeinwohlorientierung und ob sie eigenes Geld investieren würden. Die Ergebnisse aller Stufen entscheiden, ob ein Kredit vergeben wird. Ähnlich einer Ampel, die entweder auf rot oder grün steht. Ein aufwendiges demokratisches Verfahren, das so gar nicht der Realität klassischer Kreditinstitute entspricht.

Die Gewinner der Finanzkrise

„Banken suchen sich Nischen, die sie besetzen“, sagt Bankenexperte Timo Steinmetz. Denn eine Bank muss auch Gewinne machen, um langfristig am Markt zu bestehen. Einige Ethikbanken haben das schon geschafft. Die GLS Bank in Deutschland etwa besteht seit 1974, die Freie Gemeinschaftsbank in Basel seit 1984. In Südtirol bietet die Raiffeisenkasse Ethical Banking an, in Italien die Banca Popolare Etica. Einen Zulauf bekamen Ethikbanken zuletzt auch durch die Finanzkrise: Während das Vertrauen in internationale Kreditinstitute sank, stieg die Akzeptanz alternativer Banken.

„Diese Bewegung gehört aufgebaut und gepflegt wie ein Garten“, Peter Zimmerl.

Ihr Ziel hat das Projekt Bank für Gemeinwohl noch nicht erreicht. Sechs Millionen Euro sind nötig, um eine Banklizenz zu beantragen. Noch fehlt die Hälfte. Eigenkapital, das die Genossenschaftsmitglieder einbringen müssen. Rund 40.000 Mitglieder sollen dafür gewonnen werden. Peter Zimmerl weiß, dass das nicht von heute auf morgen geht. „Diese Bewegung gehört aufgebaut und gepflegt wie ein Garten“, erklärt er. Zur „Bewegung“ gehören prominente Vertreter wie Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann, Chocolatier Josef Zotter oder Wein-Unternehmer Leo Hillinger. Um Gemeinwohl-Projekte zu finanzieren, wollen sie auf Zinsen und Renditen verzichten. Menschen, an denen keine Bank verdient, können sie allerdings (noch) nicht unterstützen. Klassische Banken aber tun das.

Zuerst sah es gut aus für Harald Leithners Karriere: Vom Empfang eines Hotels in die Speditionsbranche, dann ein Job in leitender Funktion. Schließlich gründete er sein eigenes Unternehmen, und von da an ging es – abwärts. Leithners Geschäftspartner veruntreute Gelder, die Firma ging in Konkurs, es folgte die Privatinsolvenz. Seine Ehefrau verließ ihn, Leithner erlitt einen Lungeninfarkt, geriet an eine Frau, die ihn wegen Betrugs anzeigte und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Kurz: Ein Kunde, um den Banken einen großen Bogen machen.

Auch das ist ethisches Banking

Durch Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Probleme, Privatkonkurse, Suchterkrankungen oder Gefängnisstrafen stehen Menschen wie Harald Leithner vor einem Schuldenberg – und hatten lange Zeit keine Chance auf ein Bankkonto. Die Zweite Sparkasse in Österreich betreut aktuell etwa 8.500 solcher Fälle. In Zusammenarbeit mit Schuldnerberatungen und Einrichtungen wie der Caritas gibt sie ihnen ein Konto und eine Beratung. Auch das ist ethisches Banking. „Seit kurzem haben alle Bürger in der EU ein Recht auf ein Basiskonto. Aber gerade auch die Beratung ist für solche Menschen sehr wichtig“, erklärt Günter Benischek, Vorstand der Zweiten Sparkasse. Denn nach drei Jahren sollen seine Kunden so weit sein, dass sie die Zweite Bank wieder verlassen können.

Ihr idealistisches Gründungsziel haben traditionelle Kreditinstitute vielfach aus den Augen verloren.

Geld verdient die Zweite Bank mit ihren Kunden nicht. Das Konzept funktioniert dank des Engagements der ehrenamtlichen Mitarbeiter – und weil die Zweite Sparkasse eine Initiative der Erste Bank ist. Die zählt zusammen mit der österreichischen Sparkassengruppe zu einer der größten Bankengruppen Österreichs, zu einem klassischen Kreditinstitut. Eigentlich nicht ungewöhnlich, dass sich auch traditionelle Banken sozial engagieren. Denn die Ethikidee ist keineswegs neu: Schon die Sparkasse wurde vor 200 Jahren mit dem Gedanken gegründet, Menschen den Bankenzugang zu ermöglichen. Und die Raiffeisen setzte sich vor 150 Jahren zum Ziel, als Genossenschaft zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Ihr idealistisches Gründungsziel haben traditionelle Kreditinstitute aber vielfach aus den Augen verloren.

Das Projekt Bank für Gemeinwohl müht sich noch mit Überzeugungsarbeit. In allen Bundesländern ist man auf der Suche nach neuen Gesellschaftern unterwegs. Die Bewegung braucht mehr Menschen wie Peter Zimmerl, die aus dem Hamsterrad aussteigen. Günther Benischek findet ihr Projekt gut. Immer wieder tauschen sich die beiden Banken aus. Was sie eint, ist ihre soziale Ausrichtung – und nicht mehr. Die Bank für Gemeinwohl muss sich am Markt behaupten, die Zweite Bank nicht. „Wir sind für niemanden eine Konkurrenz. Unsere Kunden wollen die Banken ja sowieso nicht“, erklärt Benischek. Diesen Luxus können sich eben wenige Banken leisten.

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