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Veröffentlicht
am 27.11.2013
LebenEingesperrt

Zehn Tage isoliert

Veröffentlicht
am 27.11.2013
„Die Zelle ist grausig, feucht und kalt: ein dreckiger Boden, Staub. Mit Rotz, Kaugummi und Zahnpasta verschmierte Wände.“
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Über grauen Zementboden, durch leere Gänge bringen sie mich in einen kleinen Raum. Die Luft riecht nach Schimmel und Moder. Meine Sachen werden mir abgenommen, meine Dokumente, Hausschlüssel, Schreibzeug, auch die Haarbürste, Zigaretten, die leere Geldtasche und so weiter. Sogar die Jacke und die Schnürsenkel, alles wird registriert und deponiert. Eine Wärterin durchsucht mich: „Zieh dich aus!“ Sie duzt mich, obwohl sie mich nicht kennt und ich sie auch nicht, Mein Korsett will sie deponieren, bis sie sieht, dass ich ohne dem kaum stehen kann und ich die ärztliche Verschreibung dafür betone. „Leibchen ausziehen … BH, auch die Unterhose! Die Beine auseinander, in die Hocke, wieder rauf, wieder runter … so noch ein paar Mal. Was will die? Ich befolge ihre Befehle obwohl mir das zu weit geht und sehr peinlich ist.

Zwei Plastiksäcke bleiben

Ich darf mich wieder anziehen, bekomme zwei durchsichtige Plastiksäcke mit Bettwäsche, etwas Geschirr, Seife, Zahnbürste, Zahnpasta, einige wenige Shampoobriefchen und etwas Klopapier darin, dazu noch eine verwaschene harte Decke. Von der Wärterin in den ersten Stock, Abteilung A, Zelle 19 begleitet, trage ich mit Mühe den Kram und meine Anklageschrift. Es ist 13 Uhr, eine dicke Panzertür ohne Klinke fällt hinter mir laut in den Riegel, so als müssten sie einen Elefanten einsperren.

Die Zelle ist grausig, feucht und kalt: ein dreckiger Boden, Staub. Mit Rotz, Kaugummi und Zahnpasta verschmierte Wände, darauf Namen, Jahreszahlen und Sätze in verschiedenen Sprachen. Ein großes Fenster mit Eisenstangen und einem dichten Gitter, das nicht mal einen Finger durchlässt. Zwei verrostete Betten mit einer schimmligen Schaumstoffmatratze und ein sich zerbröselndes Kissen, ein kleiner Tisch und Hocker, ein Kästchen, ein lauwarmer Heizkörper und ein kleiner Fernseher mit nur italienischen Sendern. Mein Italienisch ist sehr schlecht. Durch eine Tür verbunden befinden sich Klo, Bidet und Waschbecken mit kaltem, nach Chlor riechendem Wasser, dem Trinkwasser. Mein Gott, wo bin ich gelandet? Ich bin so schwach, in Abstinenz und möchte mich nur in ein Federbett hüllen und schlafen.

In Einzelhaft

Zehn Tage verbringe ich in der Isolierzelle, Tag und Nacht alleine. Andauernde Magenschmerzen quälen mich, die Wärterinnen kontrollieren mich ab und zu durch die kleine Öffnung in der Tür und reichen mir das Essen.

Ich sollte meinem Orgellehrer die Unterrichtsstunde absagen, ebenso die Termine im Bozner Krankenhaus, automatisch greife ich in meine Hosentasche nach meinem Handy, aber umsonst. Das einzige Kommunikationsmittel mit der Außenwelt ist hier die Post, aber auch mein Adressbuch haben sie mir genommen. Die Zeit scheint stehen zu bleiben und meine eigene Stimme kommt mir fremd vor. Wie schrecklich müssen sich die Tiere in den Käfigen fühlen! Den Schmerz verdrängend putze ich die Zelle, versuche mich nicht fallen zu lassen und rede mir ein, unter die Drogen, die mich heimlich gefesselt haben, einen Schlussstrich zu ziehen. Ich lese in der Anklageschrift, verstehe aber nichts von dieser abstrusen Sprache. Aber das wird mein Anwalt schon klären, ich komme sicher bald nach Hause, tröste ich mich.

Frische Luft zwischen grauen Mauern

Der Gefängnisarzt lässt mich rufen, ich erzähle ihm von meiner fünf Monate langen Krankengeschichte, bevor ich verhaftet worden bin: Entzündung der Bauchhöhle, Bandscheiben und Wirbel mit einer Knocheneiterung, drei Wochen Bettruhe und seit drei Monaten Krankenstand. Ich zeige ihm die Befunde, aber er versteht kein Deutsch, merkt mich für eine orthopädische Visite vor. Am Tag vor der Verhaftung war ich zur Kontrolle in der Innsbrucker Universitätsklinik, dort hieß es, ich müsste operiert werden.

Eineinhalb Stunden am Tag darf ich in den Hof. Dort ist Betonboden, umgeben von grauen Mauern. Ab und zu zeigt sich eine Inhaftierte an einem der Fenster über mir, so kann ich zwei, drei Worte austauschen. Ich kann den Himmel sehen, frische Luft atmen und die rauschenden Autos von der Ferne hören. Die Tauben leisten mir Gesellschaft und ich laufe Runden, bis ich warm habe und sich die Schwere legt, auch wenn‘s kalt ist oder regnet. Mit herumliegenden Papierstückchen rolle ich Jonglierbällchen und verliere mich in Schattenspielen. Ach, hätte ich doch ein Klavier hier!
Vom Flur höre ich den ganzen Tag die Stimmen der anderen Frauen, ich bin neugierig was das für Leute sind. Plötzlich wird die Zellentür aufgesperrt und eine Italienerin zieht mit Sack und Pack bei mir ein.

Von Agnes S.

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