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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 16.01.2014
LebenEin Tag in ...

Wo Hollywood auf Ötzi trifft

Veröffentlicht
am 16.01.2014
Schnals ist die Heimat des Ötzi und des Gletschers. Aber ist es wahr, dass immer mehr junge Leute von hier wegziehen? BARFUSS auf Spurensuche.
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Es gibt viel Interessantes über das Schnalstal. Vor über 20 Jahren wurde hier der Ötzi gefunden, seither ist er weltbekannt. Der deutsche Schriftsteller Hellmut von Cube lebte einige Zeit bei Schnalser Bergbauern und setzte ihnen in seinem Buch „Mein Leben bei den Trollen" ein literarisches Denkmal. Und da war auch noch der Local Hero Leo Gurschler, ein Mann der Tat, der die Gletscherbahn gründete, das Sportdorf Kurzras aus dem Boden stampfen ließ und somit den Tourismus im Tal ankurbelte. 1983 starb der umtriebige Gurschler durch den Schuss aus einem Jagdgewehr. Seither soll es mit dem Tourismus wieder abwärts gehen.

Knapp 1.300 Einwohner zählt die Gemeinde, zu der die fünf Ortschaften Katharinaberg, Karthaus, Vernagt, Unser Frau und Kurzras gehören. Der Blick aus dem Autofenster bestätigt mir, perfekter hätte der Tag für einen Ausflug ins Schnalstal nicht sein können. Sonnenschein und ein klarer, blauer Winterhimmel. Ich lass mich überraschen.

„Schönster Ort Südtirols“

Von Meran kommend geht's bei Naturns „rechts hinein" – so erreicht man das Schnalstal. Die Straße ist kurvenreich, aber was beschwer ich mich als Ultnerin. Ich fahre durch zwei Tunnel, an der Straße stehen ein paar Häuser, ansonsten sieht man links und rechts nicht viel mehr als Berge, bis auf der rechten Seite ganz oben auf dem Berg eine kleine Kirche auftaucht. Katharinaberg. Da muss ich hin. 1,5 Kilometer den Berg hoch, eine noch kurvigere und steilere, schmale Straße. Oben angekommen sehe ich nicht viel, außer einige Häuser, die Kirche und zwei Männer beim Holzhacken. Sofort komme ich mit ihnen ins Gespräch. Was mich hierhin verschlagen habe, und ob ich wandern gehe, will einer von den beiden wissen. Er ist nett und erzählt, dass er bestimmt nicht hier wegziehen werde, er lebe gerne hier „am wunderschönsten Ort Südtirols" und das obwohl hier im Winter nicht sehr viel los sei, im Sommer höchstens ein paar Wandertouristen in die Gegend kämen.
Viele Leute kriege ich hier tatsächlich nicht zu Gesicht. Vielleicht kann der Schnalser ja deswegen mitten im Dorf bei lauter Radiomusik ungestört sein Brennholz hacken. Ob es in Schnals auch gute Skifahrer gebe, möchte ich von ihm noch wissen. „Nein, gute Skifahrer haben wir hier nicht.“ Doch dann wirft der andere Mann lächelnd ein: „Gute durchaus, nur keine Spitzenfahrer.“ Trotz des netten Gesprächs habe ich hier in Katharinaberg noch nicht viel über die Schnalser erfahren. Also geht’s weiter. Wieder den Berg hinunter und ich fahre weiter, tiefer hinein ins Schnalstal.

Kreuzgang und Kloster

Karthaus ist das nächste Ziel, das ich mit meinem alten Auto anpeile. Erste Wolken sind mittlerweile aufgezogen. Ich hab den Tipp bekommen, unbedingt im Gasthaus Grüner einzukehren und mit dessen Chef Erwin über Karthaus und das Kloster zu reden. Er hätte darüber einiges zu erzählen, hat man mir gesagt. Leider habe ich mir die falsche Zeit ausgesucht, die Grüners sind im Urlaub. Aber der Kreuzgang steht ohnehin auf dem Plan. Die Überbleibsel des Klosters sollen allemal einen Besuch wert sein.

Die Kirche von Karthaus.

1326 wurde das Kloster von den Kartäusermönchen gegründet, 1782 die einzelnen Gebäude an Bauern und Händler im Ort verkauft. So entstand aus dem ehemaligen Kloster im Laufe der Zeit ein einzigartiges Dorf. Vielleicht treffe ich ja hier einige Leute, denke ich mir, und breche zum Kreuzgang auf. Ich muss gestehen, ich habe ihn mir anders vorgestellt, bin aber positiv überrascht. Der Gang führt mitten durch die verschiedenen Wohnhäuser, an denen die altertümlichen Klostermauern und Gebäude grenzen. Ein alter Mann, den ich auf dem Kreuzgang treffe, erzählt von dem Brand, der im Jahr 1924 viel zerstörte. Man habe die Häuser aber wieder aufgebaut und ich solle mir unbedingt die Grotte und die Pfarrkirche St. Anna anschauen. Gesagt, getan. Vorbei an den Resten der Klostermauern, dem ehemaligen Priorhaus und der Klosterpforte, bis hin zur Grotte. Sehr beeindruckend. Ein absolut sehenswertes Dorf, denke ich bei mir. Aber viele Menschen treffe ich auch hier nicht. Stimmt es also, dass immer mehr Leute von hier wegziehen? Oder habe ich einfach die falsche Tageszeit erwischt? Der alte Mann, der wie ein„Dorfstrolch“wirkt, weiß, dass hier nicht mehr viele junge Leute leben. Zudem ist es Mittag, vielleicht sind die meisten ja beim Essen, kommt es mir noch in den Sinn. Erst etwas später, im nächsten Ort, erfahre ich dann, dass die meisten Schnalser auswärts arbeiten, das hätte ich mir auch denken können.

Hollywood lässt grüßen

Eine Station steht noch auf meinem Plan. Ich will unbedingt ins berühmt-berüchtigte Après Ski Bussl in Kurzras und mir die Gletscherbahn von diesem Gurschler ansehen. Ich fahre weiter, vorbei am schönen und weitläufigen Dorf Unser Frau und am Stausee von Vernagt. Dann erreiche ich Kurzras. Hier will ich endlich Antworten bekommen, warum anscheinend immer mehr junge Leute wegziehen.
Das Dorf bietet nicht viel mehr als Hotels und Bars. Ich setze mich an die Theke der Bussl-Bar, die von November bis April geöffnet ist. Noch sind nicht viele Leute hier. Klar, noch sind alle auf den Pisten, so Barist Andreas. Der 28-Jährige ist der Sohn vom Chef des Lokals und kein Schnalser. Besonders am Wochenende sei die Bar immer gefüllt, so Andreas, im Sommer aber sei hier in Kurzras gar nichts los. Jetzt lerne ich auch Ingemar kennen, er ist Schnalser, arbeitet ebenfalls im Après-Ski-Lokal, wohnt aber auch außerhalb.

Andreas und Ingemar, zwei der fünf Kellner im “Bussl”.

Ich erkundige mich, warum das so ist und ob wirklich immer mehr junge Leute wegziehen. „Es gibt hier im Tal nicht viele Jobs. Man muss im Tourismus arbeiten, außer man ist Bauer“, erklärt Ingemar. Es gäbe zwar einige kleine Handwerksbetriebe, aber auch wenig Wohnungen und schon gar keine Mietwohnungen. So könne man hier als junger Mensch nicht wohnen. Auch die junge Kellnerin ist nicht von hier. Sie kommt aus dem Eisacktal und arbeitet diese Saison in Schnals.
Über der Bar, deren Dach fast jeden Tag offen ist, schwebt nun die 1975 in Betrieb gegangene Gletscherbahn hoch bis auf 3.212 Meter. Dort oben stehe außerdem das höchste Hotel der Alpen, wie Andreas sagt. Ich frage, ob man hier etwas über den neuen Hollywoodfilm weiß, deren Hauptdrehort der Gletscher wird. Ingemar erzählt mir, dass in gut einer Woche 400 Personen anreisen werden. Unter anderem Jake Gyllenhaal (berühmt aus Brokeback Mountain oder Prince of Persia). Eine 15-Millionen-Dollar-Produktion soll Everest werden. Vielleicht bringt der neue Hollywoodstreifen ja den ersehnten Aufschwung für das schöne Schnalstal, schießt es mir durch den Kopf. Wer weiß. Verdient hätten sie's ja, die Schnalser.
Gleich beginnt hier im Bussl die Liveband ihren Auftritt und für mich die Heimfahrt. Obwohl es nach einem heißen Glühwein, einem spendierten Nutellaschnaps und lauter Musik sicher leicht fallen würde, hier im hintersten Teil von Schnals zu „versumpfen“.

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