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Veröffentlicht
am 06.04.2020
LebenSüdtirols Straßennamen

Wie soll sie heißen?

Veröffentlicht
am 06.04.2020
Zwischen Andreas Hofer und der heiligen Maria: BARFUSS hat ausgewertet, nach welchen Persönlichkeiten in Südtirol Straßen benannt werden – und zeigt, wie wenige davon Frauen gewidmet sind.
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Wenn der eigene Name ein Straßenschild ziert, dann hat man es im Leben wohl geschafft. Diese Ehrerbietung aber selbst zu erleben, ist nur sehr wenigen Menschen vergönnt. Denn in Südtirol sieht das Landesgesetz vor, dass Persönlichkeiten, nach denen Straßen, Plätze etc. benannt werden, bereits über zehn Jahre verstorben sein müssen. Nur manchmal wird eine Ausnahme gemacht, zum Beispiel als der Platz vor dem Südtiroler Landtag Silvius Magnago gewidmet wurde – zu seinen Ehren bereits am zweiten Todestag am 25. Mai 2012.

Obwohl als Namensvettern nur verstorbene Persönlichkeiten in Frage kommen und alle Lebenden, die sich darum streiten könnten, nicht beachtet werden, kommen dennoch immer wieder politische Diskussionen bei der Namensvergabe auf. Insbesondere der geringe Anteil an Straßen, die nach weiblichen Persönlichkeiten benannt sind und werden, hat zu einigen Diskussionen geführt.

Im Jahr 2018 wurde von den Grünen ein Beschlussantrag in den Landtag eingebracht, im Zuge dessen vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Universität eine Liste mit Frauen, die für die Benennung einer Straße in Frage kommen, erstellt werden soll. Diese Liste wird, sobald sie fertiggestellt ist, an alle Gemeinden übermittelt – denn die Vergabe von Straßennamen ist Gemeindeaufgabe.

Die Gemeinde Meran hat die Thematik bereits im vergangenen Jahr aufgegriffen: Im Sommer 2019 wurde entschieden, dass zukünftig ein Ausgleich zwischen männlichen und weiblichen (Straßen-)Namen angestrebt werden soll. Die Sichtbarkeit von Frauen und ihren Leistungen soll damit auch im Stadtbild verankert werden. Bis zum angepeilten Gleichgewicht dürfen seitdem nur mehr ein Drittel der Straßen nach Männern benannt werden. Solche Maßnahmen werfen die Frage auf: Wie ist es um die bisherige Straßenbenennung in Südtirol eigentlich bestellt?

Südtirol würdigt am häufigsten Tiroler Persönlichkeiten wie Andreas Hofer und Oswald von Wolkenstein, aber auch Erfinder wie Guglielmo Marconi (Radiopionier).

BARFUSS hat für die Beantwortung dieser Frage alle 6.332 Südtiroler Straßennamen ausgewertet, welche bis Oktober 2018 in Südtirol verzeichnet waren. Das erste spannende Ergebnis: Nur ein kleiner Teil der Gassen, Straßen und Plätze sind nach Personen benannt, und zwar etwa 17 Prozent. Das entspricht 1.054 Straßen. Dieser Anteil variiert in den verschiedenen Landesteilen allerdings sehr stark: In ganzen 15 Gemeinden Südtirols ist keine einzige Straße nach einer Person benannt, stattdessen tragen sie die Namen von Bergen, Infrastrukturen oder geografischen Besonderheiten. In Leifers hingegen sind 26 der insgesamt 67 Straßen nach Persönlichkeiten benannt.

Da die politische Diskussion vor allem jene Straßen im Fokus hat, die nach Menschen benannt sind, stehen diese im Zentrum unserer Analyse. Der Blick auf die Straßen, Gassen und Plätze in Südtirol, die nach Menschen benannt wurden, zeigt: Südtirol würdigt am häufigsten Tiroler Persönlichkeiten wie Andreas Hofer und Oswald von Wolkenstein, aber auch Erfinder wie Guglielmo Marconi (Radiopionier).

Genauso deutlich tritt der katholische Glauben Südtirols zutage: Unter den beliebtesten Personen für Straßenbezeichnungen befinden sich sehr viele Heilige. Besonders häufig findet sich der Hl. Martin, der Hl. Jakob, der Hl. Johannes, die Hl. Maria, der Hl. Nikolaus und der Hl. Peter. Den ersten Platz der beliebtesten Persönlichkeiten teilen sich Andreas Hofer und der Heilige Martin mit jeweils 18 verschiedenen Straßen, Plätzen usw., die ihren Namen tragen:


Es sind zwar in ganz Südtirol viele Straßen nach Heiligen benannt, dennoch gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Landesteilen: Im Osten, genauer gesagt im Eisack und Pustertal, aber auch im Überetsch und dem Südtiroler Unterland sind besonders viele, und zwar jeweils mehr als fünf Prozent aller Adressen, nach Heiligen benannt. Ganz anders in der Landeshauptstadt Bozen: Dort haben nur zwei Prozent der Straßen und Plätze einen heiligen Namenspatron. Der Ursprung hierfür liegt vermutlich darin, dass Straßen in der Vergangenheit häufiger nach Heiligen benannt wurden als heute – und Städte wie Bozen deutlich stärker gewachsen sind als so manche ländliche Gemeinde.

Insgesamt sind von allen Straßen, die nach Menschen benannt sind, nur 11 Prozent nach Frauen benannt.

In Bozen entstanden also mehr neue Straßen, die häufiger nach weltlichen Persönlichkeiten benannt wurden: Insgesamt sind 4 von 10 Straßen in Bozen weltlichen Persönlichkeiten gewidmet, während es in den restlichen Bezirksgemeinschaften maximal zwei von zehn Straßen sind.


Die Liste der beliebtesten Südtiroler Persönlichkeiten zeigt bereits, woher die Diskussionen um die Neubenennung von Straßen nach Frauen rühren: Insgesamt sind von allen Straßen, die nach Menschen benannt sind, nur 11 Prozent nach Frauen benannt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ganze neun von zehn Straßen nach Männern benannt sind. Der Prozentsatz der Frauen ist noch niedriger, wenn man nur die weltlichen Personen in den Blick nimmt. Wie in der Grafik erkennbar, ist der Frauenanteil unter den Heiligen nämlich deutlich höher – und bei den weltlichen Persönlichkeiten deutlich niedriger.



Diese Häufung von Frauen unter den Heiligen wird auch daran erkenntlich, dass man nach der ersten weltlichen Frau in der Liste der weiblichen Top-Persönlichkeiten eine ganze Weile suchen muss: Mit drei Nennungen (in Bozen, Kurtatsch und Margreid) befindet sich die Katakomben-Lehrerin Angela Nikoletti erst auf Platz 49 der häufigsten Namensgeber und Namensgeberinnen. Ebenso häufig wurden Straßen außerdem der italienischen Reformpädagogin Maria Montessori und der Jeanne d’Arc Tirols, der Freiheitskämpferin Katharina Lanz, gewidmet.

Südtirols Gemeinden haben bisher Frauen, die sich nicht durch religiöse Aufopferung auszeichnen, kaum gewürdigt. Betrachtet man nur die weltlichen Namensgeberinnen und Namensgeber, wurden Straßen nur nach 44 verschiedenen Frauen, jedoch nach 491 verschiedenen Männern benannt. Auch wenn Gemeinden wie Meran nun zwei Drittel der Straßen künftig nach Frauen benennen, ist es noch ein langer Weg bis zum Gleichgewicht. Aber das birgt auch eine große Chance: Die Chance auf viele neue Straßennamen, deren Vorbilder spannende Frauen sein können. Die Anzahl bisher nicht beehrter Frauen, auf die man dabei zurückgreifen kann, ist groß genug.

Datenaufbereitung und -analyse: Wolfgang Tessadri
Datenanalyse, Visualisierung und Text: Mara Mantinger

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