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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 19.12.2016
LebenAktion „Ein Karton voller Freude“

Wenn Mütter helfen

Veröffentlicht
am 19.12.2016
Viele Haushalte in Südtirol sind armutsgefährdet. Für Weihnachtsgeschenke reicht das Geld oft nicht. Eine Gruppe Mütter hilft Familien in Not.
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143 Pakete wurden in diesem Jahr an bedürftige Familien in Südtirol verschenkt.

Weihnachten steht vor der Tür. Vor allem die Kleinsten freuen sich da aufs Christkind oder den Weihnachtsmann – und auf die Geschenke. Unter dem Weihnachtsbaum mancher Familien würde es allerdings leer aussehen, wäre da nicht die Initiative „Ein Karton voller Freude – von Familien in Südtirol für Familien in Südtirol“. Petra Spitaler Goller hat sie vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Die Kindergärtnerin hat sich dazu zehn Südtiroler Mütter mit ins Boot geholt. Gemeinsam unterstützen sie notleidende Familien in Südtirol und beschenken sie zu Weihnachten in Zusammenarbeit mit verschiedenen Hilfsorganisationen. Das Projekt ist für die 34-Jährige und ihr Team eine Herzensangelegenheit. Dieses Jahr ist die Aktion bereits abgeschlossen und die Kartons abgegeben, damit sie pünktlich am Weihnachtsabend unter dem Baum liegen.

Wie bist du auf die Idee für „Ein Karton voller Freude“ gekommen?
Entstanden ist die Idee 2014 über die Facebookgruppe „Von Mutter zu Mutter“. Dort war ein Beitrag zum Thema Weihnachten im Schuhkarton. Da kam mir in der Diskussion mit den Müttern die Idee, auch bei uns in Südtirol eine Aktion für Familien in Not ins Leben zu rufen. Ich habe die Gruppe „Ein Karton voller Freude“ gegründet und mir gleich unter den Mitgliedern der Facebookgruppe Unterstützung gesucht. Ziel wäre, die Gruppe nicht nur für die Weihnachtsaktion zu nutzen, sondern die Seite das ganze Jahr für Hilfeaufrufe und Sachspenden zu nutzen. Denn Schwierigkeiten gibt es ja nicht nur zu Weihnachten.

Ihr arbeitet seit Beginn mit Südtiroler Organisationen zusammen. Warum?
Als die Grundidee stand, haben wir über zehn Organisationen angeschrieben. Wir wollten mit ihnen zusammenarbeiten, um überhaupt in Kontakt mit bedürftigen Familien zu kommen. Wir wollten keine eigene Organisation und keinen Verein gründen. Familien, die bereits den Mut hatten, sich einer Organisation anzuvertrauen, sollten das nicht noch einmal bei uns machen müssen. Armut ist in Südtirol leider immer noch ein Tabuthema und mit Schamgefühl verbunden. Vier Organisationen haben sich dann bereit erklärt, uns zu unterstützen. Darunter die „Plattform für Alleinerziehende“, der „Verein Freiwilliger Arbeitseinsatz “, die geschützten Wohnungen in Bozen gemeinsam mit dem Verein „Frauen helfen Frauen” und das Kinderdorf in Brixen mit dem Therapiezentrum und den geschützten Wohnungen, die dazu gehören. Vor allem Ida Lahnbacher, die freiwillig bei der „Plattform für Alleinerziehende“ arbeitet, war begeistert. Sie hat auch mitgeholfen, das Konzept genauer auszuarbeiten.

Was wisst ihr über die Familien? Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen?
Wir kennen ihr Alter, das Geschlecht, den ungefähren Wohnort und natürlich ihre Wünsche. Darüber hinaus wissen wir nicht viel von ihnen. Das Privacy-Gesetz in Italien ist sehr streng. Das ein oder andere sickert dann durch, wenn sich Betroffene bei den Schenkern melden. Die meisten Familien sind in finanzieller Not. Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Schicksalsschläge wie der Tod eines Partners sind dabei oftmals die Ursache.

Wie läuft das Schenken bei der Weihnachtsaktion genau ab?
Wir bekommen innerhalb September die Listen der Familien von den Organisationen. Ihre Identität ist dabei verschlüsselt. Jeder Familie und jedem Familienmitglied wird eine Nummer zugeordnet. So können wir die Kartone später verteilen, ohne die jeweiligen Daten preiszugeben. In einem angekündigten Zeitraum posten wir dann jeden Tag die Wünsche von bis zu 15 Personen in einem eigenen Beitrag auf Facebook. Wer diese Wünsche übernehmen möchte und für die jeweilige Person einen Karton packen will, kommentiert einfach unter dem Beitrag. Wir notieren die Person in unserer Liste. Hat jede Familie einen Schenker, wird die vollständige Liste zur Kontrolle nochmals in die Facebookgruppe gestellt.

Jede Hilfe wird gebraucht beim Kontrollieren der Pakete, damit auch ja alle rechtzeitig unterm Weihnachtsbaum liegen.

Gibt es Schwierigkeiten bei der Organisation?
Die Privacy-Bestimmungen sind eine der größten Hürden. Oft möchten die Spender mehr über die Familie wissen, um gezielter oder langfristig zu helfen. Wir sind dann oft Bindeglied zwischen Organisation und Spender, übermitteln Infos oder geben die Kontakte der einzelnen Organisationen weiter. Das ist mühsam, aber durch das Privacy-Gesetz nicht anders möglich.

In Südtirol sind mehr als 30.000 Haushalte armutsgefährdet. Was kann man dagegen tun?
Man müsste erst einmal damit anfangen, Armut zu enttabuisieren. Keiner von uns sollte sich herausnehmen, mit dem Finger zu zeigen. Jeder von uns kann binnen Sekunden in einer ähnlichen Situation sein. Viele Familien trauen sich aus Scham nicht, sich an die jeweiligen Stellen zu wenden. Betroffene sollten sich aber nicht davor scheuen, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Es gibt bei uns einige Organisationen, die Menschen in Not auf unterschiedliche Weise helfen. Die Mitarbeiter kennen sich meist sehr gut aus. Sie können Betroffenen unter anderem durch den Dschungel der Ansuchen für mögliche Förderungen helfen. Auch wenn der Wunsch utopisch erscheint und die Umsetzung schwierig ist, finde ich, es sollte individuell geholfen werden. Oft fallen Familien durch das Raster und bekommen aus unbegreiflichen Gründen keine Förderungen, obwohl es ihnen wirklich schlecht geht.

„Wenn ich die Listen zum ersten Mal durchsehe, bekomme ich oft Gänsehaut. Wenn sich jemand Duschgel, Socken, Mehl oder Reis wünscht, kann es der Familie nicht wirklich gut gehen.”

Was wünschen sich Familien und Kinder bei eurer Aktion zu Weihnachten?
Es sind oft Herzenswünsche, wie ein bestimmtes Spielzeug oder ein Fußball, aber auch lebensnotwendige Dinge wie Lebensmittel und Kleidung. Wenn ich die Listen zum ersten Mal durchsehe, bekomme ich oft Gänsehaut. Wenn sich jemand Duschgel, Socken, Mehl oder Reis wünscht, kann es der Familie nicht wirklich gut gehen. Das sind Dinge, die ich ohne groß zu überlegen in meinen Einkaufskorb lege, weil ich sie einfach benötige. Im ersten Moment muss man bei solchen Wünschen schlucken. Dann beginnt man, über sich selbst nachzudenken und kommt ins Grübeln. Man rechnet nicht damit, dass es Familien bei uns so geht. Auffallend ist auch, dass viele Eltern sich etwas für die Kinder wünschen, selbst aber auf ein Paket verzichten würden. Die Organisationen schreiben daher oft noch einen Wunsch für die Eltern dazu, damit man auch ihnen eine Freude machen kann: Einen Gutschein für ein gemeinsames Pizzaessen oder für einen gemeinsamen Eintritt ins Schwimmbad oder Museum. Etwas, worüber die meisten von uns nicht nachdenken und wofür andere über Monate hinweg einen Euro auf die Seite legen müssen.

Was waren die außergewöhnlichsten Wünsche in den zwei Jahren?
Ein Kind hat sich einen Nachmittag in einer ganz normalen Familie gewünscht. Ein Mädchen hat einmal im Brief ans Christkind geschrieben: Sie wisse, dass es zu viel verlangt wäre, sich eine intakte Familie zu wünschen, deshalb wünsche sie sich eine Puppe. Und eine Mama hat geschrieben, sie wünsche sich einen Glücksbringer, denn Glück könne sie gebrauchen.

Und was ist dein größter Weihnachtswunsch?
So abgedroschen der Wunsch auch klingt, am meisten wünsche ich mir, dass meine Familie gesund bleibt. Ich habe in den vergangenen Jahren von so vielen Schicksalsschlägen gehört, dass mir immer bewusster wird, was ich eigentlich habe.

Wie viele Familien wurden in diesem Jahr beschenkt?
Es waren in diesem Jahr mehr als vergangenes. Insgesamt werden 43 Familien mit 130 Paketen beschenkt, das sind 130 beschenkte Personen.

Bekommt ihr Feedback von den Beschenkten?
Wir sagen immer, dass sich niemand erwarten soll, dass sich die Beschenkten melden. Es steht aber jedem Schenker frei, seine Kontaktadresse in den Karton zu legen. Ich finde es wichtig, dass man den Leuten die Möglichkeit gibt, sich zu bedanken, wenn sie es möchten. Die Organisationen bekommen jedoch von den meisten Beschenkten Rückmeldungen – oftmals unter Tränen und noch am Abend des 24. Dezember. Sie melden uns das dann auch zurück und wir geben es an die Gruppenmitglieder weiter.

Was gibt dir die Aktion?
Mir ist die Aktion ganz wichtig. Sie holt mich auf den Boden zurück. Uns geht es gut, wir haben die üblichen kleinen Sorgen, aber keine großen. Die Aktion lässt mich über mich, über die Familien und auch über mein eigenes Konsumverhalten nachdenken.

Was kann man tun, um zu helfen?
Wir posten das ganze Jahr über auf die Facebookseite, wenn jemand Hilfe braucht. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich direkt bei den Organisationen zu melden und zum Beispiel eine Patenschaft für eine Familie zu übernehmen, die man dann regelmäßig unterstützt.

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