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Mia Matthias
Veröffentlicht
am 25.06.2018
LebenSichere Tattoos und Piercings

Unter die Haut

Veröffentlicht
am 25.06.2018
Hepatitisviren, Keime, giftige Farben – die Wahl des Tattoo- und Piercingstudios sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wie man das richtige findet.
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Matteo Lescio im „Highscore“

„Es ist eine Jugendsünde, die höllisch weh getan hat.” Lena* schaut auf ihren Fuß. Ein leuchtendes Blumentattoo ziert ihren Knöchel. Sie erzählt weiter: „Mit 18 wollte ich unbedingt ein Tattoo. Ich ging in ein Studio und staunte über die Preise“. Kurzerhand ließ sie sich ihren Körperschmuck für wenig Geld im Wohnzimmer eines Bekannten stechen. Am selben Abend bekam sie Fieber. Ihr Fuß entzündete sich und musste im Krankenhaus behandelt werden. Die Heilung dauerte Monate und vom einstigen Motiv blieb nur ein Fleck. Jahre später hat sich Lena ein sogenanntes „Cover Up “ über die unschöne Stelle tätowieren lassen.

Oft ist ein sogenanntes „Cover up “ die einzige Möglichkeit, um ein missglücktes Tattoo zu retten.

„Fieber nach dem Stechen ist ein Warnzeichen“, sagt Wilma Leonardi. Sie arbeitet für den Sanitätsbetrieb der Provinz Bozen und prüft, ob sich die Betreiber der Tattoo- und Piercingstudios an die gesetzlich festgelegten Vorgaben halten. Regelmäßig führt sie unangekündigte Inspektionen durch und prüft dabei die Farbflaschen, Nadeln und das Ambiente. Ist die Flasche einmal offen, haben beispielsweise auch Tattoofarben ein Verfallsdatum. Im Idealfall sollte der Tätowierer auf der Flasche das Datum vermerken, an dem er sie zum ersten Mal benutzt hat.

„Die wenigsten wissen, dass Hepatitisviren wochenlang an der freien Luft überleben. Nicht nur die Nadeln müssen deshalb keimfrei sein, sondern auch das Ambiente.“

Tätowierfarben stehen immer wieder in der Kritik, denn manche enthalten Schwermetalle wie Nickel oder Kadmium. In Lenas Fall wurde im Krankenhaus festgestellt, dass sie auf genau diese allergisch reagiert hat. Niemand kennt außerdem die Langzeitfolgen der potentiell krebserregenden Farb-Bestandteile. Das soll sich durch eine internationale Untersuchung ändern, die zur Erstellung von europaweit gültigen Richtlinien bei der Herstellung von Tätowierfarben führen soll. Auch Wilma Leonardis Labor in der Amba-Alagi-Straße ist maßgeblich an diesem Projekt beteiligt.

Wilma Leonardi

Matteo Lescio kennt sich beim Thema Farben aus. Seit 2009 betreibt er gemeinsam mit Martin di Collalto das Tattoostudio „Highscore“ in Bozen. Er berichtet von einem chinesischen Hersteller namens „China Export“, deren Logo der CE-Kennzeichnung der Europäischen Union zum Verwechseln ähnlich sieht. Dort können Farben für weniger als zwei Euro pro Flasche gekauft werden. Das Etikett mit dem vermeintlichen CE-Logo trügt, denn der Inhalt entspricht nicht den europäischen Standards. Sind die Farben erst einmal unter der Haut, wandern ihre Inhaltsstoffe durch den Körper und setzten sich auch in den empfindlichen Lymphknoten ab. Billige Farben machen einen zwar nicht automatisch krank, aber das Risiko einer allergischen Reaktion ist höher. Ganz zu schweigen von den eventuellen Langzeitschäden.

Jeder seriöse Tätowierer – und auch Piercer – muss sich bei seinen Kunden über eventuelle Allergien informieren. In Kombination mit bestimmten Medikamenten oder während einer Chemotherapie kann es sogar zu schlimmen Neben- oder Wechselwirkungen kommen. Nicht zertifizierte Farben und Schmuck bergen deshalb ein Gesundheitsrisiko, denn ihre genaue Zusammensetzung ist unklar. Mit Sorge beobachtet Matteo den Aufschwung, den die Szene in den letzten Jahren erlebt hat: „Manche wittern das schnelle Geld und bieten Tattoos zu Dumpingpreisen an. Um zu bestehen, müssen die aber zwangsläufig bei irgendetwas sparen, oder?“

„Diese Vorgehensweise ist fahrlässig, denn du kannst, rein theoretisch, ein staatlich geprüfter Piercer sein ohne jemals ein Loch gestochen zu haben.“

Fahrlässigkeit kann auch bei Piercings gravierende Folgen haben, da Nerven oder Muskeln dauerhaft verletzt werden könnten. Im Falle eines schiefgegangenen Zungenpiercings kann es sogar zum partiellen Geschmacksverlust kommen. Unsachgemäß sterilisierte Instrumente können Krankheiten wie Hepatitis oder HIV übertragen. Selbst ein Ohrstecker sollte nicht verharmlost werden. Ohrlochpistolen sind in vielen italienischen Regionen mittlerweile verboten, denn der Schuss setzt mikroskopisch kleine Blutstropfen frei, die überall im Raum verteilt werden. Zusätzlich sind diese Pistolen niemals ganz steril, da ihr Mechanismus kaum gereinigt werden kann.

Nadeln, Mundschutz und Handschuhe sind Corinne Zorzans Arbeitsmaterialien.

„Die wenigsten wissen, dass Hepatitisviren wochenlang an der freien Luft überleben. Nicht nur die Nadeln müssen deshalb keimfrei sein, sondern auch das Ambiente“. Corinne Zorzan arbeitet seit sechzehn Jahren als Piercerin. Seit 2015 betreibt sie ihr eigenes Studio „Royal Fang“ in Bozen. Mit Ohrlochpistolen und den Vertreibern von minderwertigem Schmuck steht sie auf Kriegsfuß. Erst vor einigen Monaten hat sie eine E-Mail von einem Hersteller erhalten, der ihr Ware für 36 Cent pro Stück angeboten hat. „Sogar die Gazen, die ich verwende, kosten mehr!“, sagt Corinne dazu. Sie warnt vor günstigem Schmuck aus Teflon oder Kunststoff, denn die Oberfläche zerkratzt schnell und ist anfällig für Bakterien.

Sie selbst setzt handgefertigten Schmuck aus Titan ein, da dieser viel resistenter ist. Da jeder Körper unterschiedlich ist, muss das passende Schmuckstück mit Bedacht ausgesucht werden. Der Durchmesser der Nadel und die Länge des Stäbchens hängen von unseren Körperproportionen ab und sind ausschlaggebend für eine korrekte Heilung. Diesbezüglich sollte ein Piercer dem Kunden gegenüber auch immer ehrlich sein. Ein sogenanntes „Microdermal “ beispielsweise hat eine durchschnittliche Heilungschance von 60 Prozent. Häufig werden Piercings vom Körper auch abgestoßen und hinterlassen nach dem Entfernen eine Narbe. Manchmal verweigert Corinne deshalb bestimmte Eingriffe. „Damit mache ich mich zwar nicht immer beliebt, aber jeder Körper hat seine Grenzen.“

Ein „Microdermal “ lässt sich überall einsetzen, bei den Heilungschancen muss man aber realistisch sein.

Was passiert also, wenn die Zustände in einem Studio nicht den Vorschriften entsprechen? Wilma Leonardi holt tief Luft, ehe sie antwortet: „Wenn ich bei einer Kontrolle Unregelmäßigkeiten feststelle, kann ich das Studio zeitweise schließen, sonst sind mir leider die Hände gebunden“. Der Betreiber muss die Mängel zwar beheben, Geldstrafen oder der Verlust der Lizenz sind aber auch im Falle wiederholter Verstöße nicht vorgesehen. Diesbezüglich hat jede Region ihr eigenes Gesetzt. So kommt es, dass man in der Lombardei zum Erhalt der Lizenz einen 90-stündigen Kurs beim Sanitätsbetrieb besuchen muss, in Südtirol sind dafür nur 30 Stunden vorgesehen.

Der Unterricht befasst sich mit hygienischem Arbeiten und vermittelt medizinische Kenntnisse über den Aufbau der menschlichen Haut. Niemand prüft, ob der Anwärter seine Tätigkeit in der Praxis beherrscht. Matteo ist mit dieser Situation unzufrieden, denn das Tätowieren ist ein Handwerk, das erlernt werden muss. „Es ist eine Frage der Leidenschaft, die man für das Zeichnen und den Beruf hat. Das geht nicht von heute auf morgen und schon gar nicht in einem 30-stündigen Kurs.“ Corinne bringt das Problem auf den Punkt: „Diese Vorgehensweise ist fahrlässig, denn du kannst, rein theoretisch, ein staatlich geprüfter Piercer sein ohne jemals ein Loch gestochen zu haben.“

„Falls ihr euch aus irgendeinem Grund in einem Studio nicht wohlfühlt, lasst es lieber.”

Woran erkennt man nun ein zuverlässiges Studio? Matteo warnt vor auffällig günstigen Angeboten. Auch sollte man sich von langen Wartezeiten nicht abschrecken lassen, denn sie sind meist ein positiver Hinweis für einen treuen Kundenstamm. Wilma Leonardi ist selbst tätowiert. Dennoch findet sie, dass das Geschäft mit dem Körperschmuck schlussendlich eine Vertrauenssache sei. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es dabei nicht. Vertrauen heißt, dass man als potentieller Kunde keine Angst davor haben darf, Fragen zu stellen und Zweifel zu äußern. „Wir sprechen hier immerhin von Wunden, die unserem Körper zugefügt werden“, sagt Leonardi. Für Corinne schließlich sind der Dialog und eine realistische Beratung ausschlaggebend. Sie gibt allen noch einen Tipp: „Falls ihr euch aus irgendeinem Grund in einem Studio nicht wohlfühlt, lasst es lieber. Niemand braucht Körperschmuck zum Überleben, also sollte man immer mit Überzeugung hinter dieser Entscheidung stehen.”

*Name geändert

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