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Verena Walther
Veröffentlicht
am 17.12.2015
LebenKritischer Konsum

Unfairer Handel?

Veröffentlicht
am 17.12.2015
Kritisch konsumieren bedeutet auch kritisch nachfragen: Wie fair ist eigentlich Fair Trade? Und welche Alternativen zum Massenkonsum hat man in Südtirol?
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Mit zusammengekniffenen Augen nimmt eine Käuferin die Verpackung des Schokoriegels unter die Lupe. Sie sucht nach Hinweisen über Herkunft, Inhaltsstoffe und Produktionsweise, achtet auf ein Fair-Trade- oder Biosiegel. Kinderarbeit und Klimawandel sind keine Fremdworte für sie, sie möchte etwas verändern. Verbraucher wie sie gibt es viele. Bewusster Konsum findet langsam seinen Weg in die Gesellschaft, seit Internet und Medien massentaugliche Informationen zu dem Thema bereitstellen. Studien zeigen, dass die Konsumenten verstärkt Informationen beanspruchen und wissen wollen, wo ihre Konsumgüter herkommen. Der Trend geht also dahin, dass Menschen in der westlichen Welt, wo der Wohlstand es erlaubt, verstärkt auf ihre Gesundheit achten, umweltfreundlicher leben wollen und sich ein gewisses Bewusstsein für das Zustandekommen eines Produktes entwickelt. Die großen Lebensmittelproduzenten wissen das und reagieren darauf. In fast allen Supermärkten gibt es mittlerweile Produkte mit Fair-Trade- und anderen Gütesiegeln zu kaufen – mit Erfolg: Der Umsatz von Fair-Trade-Produkten lag 2013 zum Beispiel bei weltweit 5,5 Milliarden Euro, im Vergleich dazu waren es 2005 noch 1,1 Milliarden. Fair-Trade-Produkte haben ihren Weg in die Regale der Supermärkte gefunden, wo sie allein in Deutschland 90 Millionen Euro jährlich an Gewinn einbringen und zwar mit einem Wachstum von 13 Prozent jährlich. „Diese Fair-Trade-Bananen sind unser ganzer Stolz”, erklärt eine Managerin der Kette Rewe, „Sie verkauften sich von Anfang an außergewöhnlich gut”.

Eine Zertifizierung kostet 3.000 Dollar. „Eine solche Ausgabe hat für kleine Produzenten wie uns keinen Sinn.”

Wie fair ist Fair-Trade?

„Wir vergessen gerne, dass viele der typischen Fair-Trade-Produkte wie Kaffee und Kakao nach wie vor Kolonialprodukte sind, das bedeutet, Menschen im globalen Süden arbeiten für uns hier im Norden, nicht für ihre eigene Unabhängigkeit”, sagt Kathrin Hartmann, deutsche Journalistin und Buchautorin. Sie kritisiert seit Jahren die sogenannte green economy, die sich ein Gleichgewicht aus fairen Bedingungen bei der Herstellung und wirtschaftlicher Rentabilität von Produkten zum Ziel gesetzt hat. In ihren Büchern, zum Beispiel „Ende der Märchenstunde” oder „Aus kontrolliertem Rubbau”, versucht sie, auf Schwindel und Ungereimtheiten der Fair-Trade- und Nachhaltigkeitsindustrie aufmerksam zu machen. Wo liegen nun die grundsätzlichen Probleme?

  • Jene Großkonzerne in Europa, welche fair gehandelte Produkte kaufen wollen, beanspruchen meist eine sehr große Menge. Dies zwingt die einzelnen Bauern, an Zwischenhändler zu liefern, welche an weitere Zwischenhändler liefern usw. So sind die Bauern nur über mehrere Ecken am Handel beteiligt und haben keinen Einfluss darauf.
  • Fair Trade garantiert einen Mindestlohn, der sich keineswegs dem weltweiten Marktpreis von Kaffee (der gerade auf Rekordhöhe gestiegen ist) anpasst und gerade mal zum Überleben reicht.
  • Eine Zertifizierung kostet 3.000 Dollar. „Eine solche Ausgabe hat für kleine Produzenten wie uns keinen Sinn”, sagt Roland Spendlingwimmer, ein Österreicher, der in Costa Rica lebt und dort mit nur 40 Kaffeebauern zusammenarbeitet, aber direkt nach Europa, ans Cafè Liberdad in Hamburg, liefert.
  • Der Begriff Fair Trade ist nicht gesetzlich geschützt.
  • Fertige Produkte aus nicht-EU-Ländern werden mit hohen Zöllen belegt, während Rohstoffe allein zollfrei sind. Dies verhindert, dass etwa Kakao in den Herkunftsländern selbst verarbeitet wird. So wird den Produzenten die Kontrolle über den Preis genommen.
  • Um als Fair-Trade-Produkt zu gelten, müssen mittlerweile nur mehr 20 Prozent des Inhalts aus fairem Handel stammen. Oft werden schon im Herkunftsland Fair-Trade und konventioneller Handel vermischt. Die Universität von London führte 2014 eine Glaubwürdigkeitsstudie durch. Die Ergebnisse fielen keineswegs positiv aus. Auch die Verbraucherzentrale Hamburg kam bei einer Studie zu einem ähnlichen Schluss.

Manche der ersten Firmen, die den fairen Handel unterstützt haben, verzichten mittlerweile schon wieder auf Zertifikate, so zum Beispiel die Schweizer Marke „Gebana“. Was bleibt nun aber übrig für Konsumenten, die sich nicht mit halb-fairen Produkten zufrieden geben wollen?

„Ganz wichtig ist die Frage: Brauche ich das wirklich? Wenn man sich diese Frage ehrlich beantwortet, fällt schon mal ein großer Teil von Dingen, die man sonst einfach ohne nachzudenken kaufen würde, weg.”

Fair und regional in Südtirol

Die Organisation blufink bietet seit einigen Jahren konsumkritische Stadtführungen durch Meran, Bozen und Brixen an. Bei der ungefähr 90-minütigen Tour wird man an mehreren nachhaltigen, lokalen oder speziellen Fair-Trade-Geschäften, wie den Weltläden vorbeigeführt. „Wenn ein Produkt regional ist, spart es lange Transportwege und unterstützt die einheimischen Produzenten. Wir hier in Südtirol haben sehr viele Möglichkeiten, bewusst zu konsumieren”, sagt Katharina Erlacher, Mitarbeiterin bei blufink. Sie beschäftigt sich auch privat intensiv mit bewusstem und alternativem Konsum. „Ganz wichtig ist die Frage: Brauche ich das wirklich? Wenn man sich diese Frage ehrlich beantwortet, fällt schon mal ein großer Teil von Dingen, die man sonst einfach ohne nachzudenken kaufen würde, weg.” Genauso wichtig sei es, ein Gespür dafür zu bekommen, wann „die Zeit“ für ein Produkt ist und wann nicht. Wer mitten im Dezember Erdbeeren kauft, muss sich bewusst sein, dass diese lange Transportwege hinter sich haben und die Kontrolle der Produktiosbedingungen schwieriger wird.

„Das Kriterium, nach dem wir unsere Konsumgüter auswählen, ist die Solidarität. Solidarität untereinander, Solidarität mit den lokalen Produzenten, mit den Völkern im globalen Süden, mit denen, die unter der Ungleichverteilung des Wohlstandes der Welt zu leiden haben, mit unserer Umwelt“

Eine weitere Initiative, in der auch Katharina sich engagiert, ist die des „Gruppo acquisto solidale“ (GAS). Diese Organisationen, die es an vielen Orten in Italien gibt, sind unabhängige Zusammenschlüsse von Konsumenten, die gemeinsam Lebensmittel von kleinen, lokalen Produzenten einkaufen und dann unter sich verteilen. Es sollen lange Transportwege vermieden und regionale Produktion gefördert werden. Außerdem steht die Auseinandersetzung mit bewusstem Konsum im Vordergrund. „Das Kriterium, nach dem wir unsere Konsumgüter auswählen, ist die Solidarität. Solidarität untereinander, Solidarität mit den lokalen Produzenten, mit den Völkern im globalen Süden, mit denen, die unter der Ungleichverteilung des Wohlstandes der Welt zu leiden haben, mit unserer Umwelt“, heißt es in den Grundsätzen des Vereins.

Doch nicht nur in Sachen Lebensmittel tut sich in Südtirol so einiges. Es gibt mittlerweile mehrere Second-Hand-Shops für Kleidung, Accessoires und Einrichtungsgegenstände. Eine weitere Möglichkeit sind Tauschmärkte wie zum Beispiel die Kleiderstube „Wilma” in Naturns. Dabei wird Kleidung einfach getauscht anstatt neu gekauft. Doch auch im Handel gibt es mittlerweile Marken, die faire, umweltfreundliche Produktion garantieren, wie zum Beispiel das Label „Armed angels”. Im Internet informieren zahlreiche Websites über alternativen Konsum, zum Beispiel über nachhaltige Weihnachtsgeschenke. Auch in Schulen wird vermehrt auf die Thematik eingegangen und Initiativen wie urban gardening setzen Zeichen für einen bewussteren Umgang mit unseren Ressourcen und unserer Umwelt. Es tut sich durchaus etwas im Vergleich zu vor zehn Jahren, sagen Experten.

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