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Veröffentlicht
am 11.03.2019
LebenStraßenzeitung zebra.

Smartphones auf dem Weg

Veröffentlicht
am 11.03.2019
Jeder fünfte Mensch weltweit besitzt ein Smartphone. In jedem Gerät stecken Unmengen von Rohstoffen und Energie. Welchen Weg hat das Wunderding in unserer Hosentasche hinter sich?
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In Deutschland nennt jede*r Zweite ein Smartphone sein Eigen, in Afrika jede*r Fünfte. Deutsche Jugendliche kaufen im Schnitt alle 16 Monate ein neues Handy. Hochgerechnet besitzt man also etwa 40 Smartphones im Leben. Ganz schön viel, wenn man bedenkt, wie wenig nachhaltig deren Herstellung und Entsorgung sind. Eigentlich sollte jede*r Handynutzer*in Bescheid wissen über Entwicklung, Herstellung, Kosten und Vertrieb sowie die Entsorgung von Smartphones und über die damit verbundenen Problematiken.

Entwicklung

Laut dem Statistik-Portal „Statista“ wird die Anzahl von Smartphones bis 2021 weltweit um 20 Prozent steigen und bis dahin wird es drei Milliarden Nutzer*innen weltweit geben. Umso wichtiger ist es für die Produzenten, das ausgefeilteste Handy zu bauen. Entwicklung und Design finden in der Markenfirma des Herstellers statt, die sich in Industrieländern befinden. Hochqualifizierte, sehr gut bezahlte Technikexpert*innen und Designer*innen arbeiten hier. Was die Marktanteile anbelangt, dominieren Samsung, Huawei und Apple den Smartphone- Markt. In der Entwicklungsphase werden zahlreiche Prototypen produziert, um ein Optimum zu erreichen. Die Entwicklung und die Produktion sind zwei getrennte Gebiete der Smartphone-Herstellung. Der Produzent arbeitet für die Markenfirma. Die Markenfirma selbst stellt keine Smartphones her.

Rohstoffabbau

In einem Smartphone stecken etwa 30 Metalle, die oft umweltschädlich unter Einsatz von giftigen Chemikalien und Inkaufnahme von Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit abgebaut werden. Die Rohstoffe, die benötigt werden, um ein Smartphone zu produzieren, werden vielfach im Globalen Süden abgebaut, weil sie dort im Boden lagern und zu geringen Kosten gefördert werden können. Arbeiter*innen werden in diesen Ländern oft nicht fair bezahlt. Auch Kinder werden in den Minen eingesetzt und ausgebeutet. Die Arbeitsbedingungen in diesen oft von ausländischen Konzernen betriebenen Bergwerken sind katastrophal. Ungesichert und gefährlichen Chemikalien ausgesetzt, hantieren die Menschen tagein tagaus in den dunklen Minen. Nicht nur die Gesundheit des*r Einzelnen wird dadurch gefährdet, sondern auch die Gesundheit der umliegenden Bevölkerung, da durch die Rohstoffforderung beispielsweise giftige Chemikalien ins Grundwasser gelangen können.

Der Abbau und Verkauf von Rohstoffen führt aber auch dazu, dass Konflikte in Afrika eskalieren, weil Kriegsparteien ihre Waffen mit den Erlösen aus dem Handel finanzieren. Im Kongo gibt es die weltweit größten Vorkommen des Mischerzes Coltan, aus dem Tantal gewonnen wird, das unter anderem für Kondensatoren in Handys benötigt wird. Der Reichtum am „Konfliktmineral“ Coltan trug aber nicht zum Reichtum des Kongo bei, sondern führte zu Krieg, Korruption und zu einer einseitigen Ausrichtung der Wirtschaft, weshalb man auch von einem „Rohstoff-Fluch“ spricht.

Produktion

Die gewonnenen Rohstoffe werden in Ländern wie China, Japan, Taiwan, Indien oder anderen asiatischen Ländern weiterverarbeitet, in denen Arbeitsrechte vergleichsweise wenig geschützt sind. Durch die Verarbeitung der Rohstoffe wird darüber hinaus die Umwelt erheblich belastet. Gesetze zum Umweltschutz sind in vielen Staaten unzureichend. Die meisten Produktionsstätten für Handys befinden sich im süd-östlichen asiatischen Raum, in China oder der Mongolei. Arbeiter*innen leider unter den teils unwürdigen Arbeitsbedingungen. Extreme Arbeitszeiten, bis zu 84 Stunden in der Woche, sind keine Seltenheit. Wegen der exzessiven Überstunden kommt es häufig zu Erschöpfungszuständen. Löhne unter dem Existenzminimum und ständige Überwachung sind an der Tagesordnung. Im Jahr 2010 haben sich 20 Mitarbeiter der Zulieferfirma Foxconn, welche unter anderem Apple, Nokia, BlackBerry, Sony und Microsoft beliefert, wegen schlechter Arbeitsbedingungen das Leben genommen. 2011 verstarben dort vier Arbeiter bei einer Explosion.

Versand und Vertrieb

Die fertig verpackten Smartphones werden hauptsächlich an Industrieländer wie Deutschland oder die USA versendet. Am meisten Smartphones verkaufte Samsung im Jahr 2018 mit 73 Millionen Einheiten, gefolgt von Huawei mit 54 Millionen und dahinter Apple mit 41 Millionen. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Analysefirma „Canalys“ hervor. Die Markenfirmen investieren viel Geld in die Vermarktung ihrer Produkte. Sie lassen Verkaufsstätten errichten, die regelrechte Designertempel sind. Bestes Beispiel: Apple Stores. Der potentielle Käufer steht in den exklusiven, in minimalistischer Architektur gehaltenen Räumlichkeiten und alles, worauf die Aufmerksamkeit fokussiert wird, ist in dem Moment das neueste iPhone. Es wird einem nicht wie ein kleiner Computer, sondern als viel mehr, als Schmuckstuck, als Accessoire, regelrecht als bester Freund präsentiert. Andererseits muss man sich mittlerweile nicht mal mehr außer Haus begeben, um sich das neueste Gerät zuzulegen, da es einem auf Online-Wunsch hin bis vor die Haustür geliefert wird.

Entsorgung

Wenn die eingangs angesprochenen durchschnittlich 18 Monate der Handynutzung um sind, wird ein Großteil der ausrangierten Smartphones nicht recycelt, sondern landet in der Schublade, oft mit der Begründung: „Falls man mal ein ‚Nothandy‘ braucht! Der Digitalverband Bitkom errechnete auf der Grundlage einer repräsentativen Umfrage, dass in deutschen Haushalten im Jahr 2018 etwa 124 Millionen Handys ungenutzt herum liegen. Smartphones, die hingegen tatsächlich weggeworfen werden, landen häufig in Ghana oder Nigeria, wo sie in der Regel unsachgemäß und illegal „verschrottet“ werden. Das bedeutet, dass Firmen in den Industrieländern benachteiligte Länder bezahlen, um ihren Müll dort zu lagern – ohne sachgemäße Sicherungen. Der Elektroschrott ist den dortigen Witterungen schonungslos ausgeliefert. Während des langsamen Verrottens entstehen giftige Dämpfe und andere Gifte, die das Grundwasser oder den Boden verseuchen. Dies hat schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der einheimischen Bevölkerung.

Wir sollten uns als Verbraucher*innen dringend die Frage stellen, wie wir von unserer Wegwerfmentalität wegkommen und zu einem nachhaltigeren Konsumverhalten gelangen können.

Smart & fair

Der Handymarkt ist schnelllebig und Nachhaltigkeit passt da nicht ins Konzept. Handyhersteller kreieren ihre Produkte oft so, dass ihre Lebensdauer künstlich verkürzt wird: Man kann sie nur schwer reparieren. Viele Geräte lassen sich nur mit Hilfe teurer Spezialwerkzeuge öffnen. Akkus, Display und andere Ersatzteile sind miteinander verklebt und können nicht ausgetauscht werden. Auch der Zugang zu Ersatzteilen wird erschwert. Software-Updates sind bei etwas älteren Geräten oft nicht mehr möglich. Handyhersteller fördern den zügellosen Konsum, indem sie im Abstand weniger Monate neue Geräte herausbringen. Das Ergebnis all dieser Maßnahmen: Verbraucher*innen kaufen ständig neue Geräte, anstatt das alte zu reparieren oder ein Gebrauchtes zu erwerben. Dabei wäre genau das die beste Möglichkeit, Ressourcen zu schonen. Aber es gibt noch weitere Alternativen: Das bekannteste ist sicherlich das Fairphone aus den Niederlanden.

Fairphone

Es handelt sich dabei um ein 2013 durch Crowdfunding finanziertes Smartphone, von dem es bereits einen Nachfolger, das Fairphone 2, gibt. Der Preis liegt aktuell bei 399 Euro, was der Hälfte des Preises der Top-Smartphones von Apple und Samsung entspricht. Das Unternehmen achtet darauf, dass beim Abbau und Handel der Edelmetalle Gold, Tantal, Zinn und Wolfram keine Konflikte gefördert und dass die Arbeitsbedingungen in den Minen und in der Produktion verbessert werden. Sie bemühen sich, die Lieferkette möglichst transparent zu machen. Außerdem ist das Fairphone modular gebaut und damit gut reparierbar. Es bietet einen stabilen Rahmen, welcher für eine hohe Stabilität und Stoßfestigkeit sorgt. Ersatzteile können über die Firma bezogen werden, auch Anleitung und Werkzeug wird mitgeliefert.

TIPP: Jedes neue Handy, auch ein Fairphone, ist mit Ressourcenverbrauch verbunden. Am sinnvollsten ist es daher, das aktuelle Gerät so lange wie möglich weiterzuverwenden und alle Möglichkeiten einer Reparatur auszuschöpfen. Außerdem ist es wichtig, alte Handys nicht in der Schublade verstauben zu lassen. Stattdessen sollten sie weiterverkauft, beim Hersteller zurückgegeben oder gespendet werden.


von Stefan Molling, Marjan Sigmund, Josef Lanzinger, Maximilian Anrather (TFO Bruneck)

Der Artikel ist erstmals in der 45. Ausgabe (März 2019) der Straßenzeitung zebra. erschienen, eine Sonderausgabe unter der Mitarbeit von der TFO Bruneck.

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