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Barbara Bachmann
Veröffentlicht
am 12.06.2014
LebenIm Land der Fußball-WM

Schön und hässlich

Veröffentlicht
am 12.06.2014
In Brasilien gibt es Orte, die als hässlich gelten. Aber je länger man dort bleibt und am Leben teilnimmt, desto schöner werden sie.
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In jedem Land gibt es Orte, die Touristen nie zu sehen bekommen. Weil sie in keinem Reiseführer erwähnt werden, weil sie keine „Sehenswürdigkeiten“ bieten, die es unbedingt abzuklappern gilt. Weil sie als hässlich gelten und daher nicht lohnen. Lustigerweise sind solche Orte viel häufiger anzutreffen, als jene, wegen denen die Menschen ein Land besuchen.

Auf meiner dreimonatigen Reise durch Brasilien bin ich an einigen solchen Orten vorbeigekommen. Und an manchen habe ich mich auch länger aufgehalten. Dourados in der Region Mato Grosso do Sul war so eine Stadt. Touristen kennen meist nur ihren Busbahnhof, ehe sie zu den blitzblauen, fischreichen Flüssen von Bonito aufbrechen oder zu den gigantischen Iguazú-Wasserfällen fahren.

Orte wie Dourados wirken anfangs grau und trostlos. Es gibt keine netten Cafés, keine Hostels, in denen man anderen Reisenden von seinen Erlebnissen erzählen kann, keine Souvenir-Läden und schon gar keine Postkartenmotive. Dafür gibt es etwas viel Besseres: Brasilien. 1.000 Alltagssituationen, so unverstellt und gewöhnlich und besonders wie das Land und seine Leute nun einmal sind.

Schönheit, sagt man, liegt im Auge des Betrachters. „Hässliche“ Orte, an denen es offenbar nichts zu sehen gibt, sollte man nicht unterschätzen. Sie können etwas, das ihnen kaum jemand zutrauen würde: sie verwandeln sich, vorausgesetzt, man lässt ihnen Zeit. Klar muss man hier anders hinsehen, etwas mühevoller als an den Traumstränden entlang der Atlantikküste Brasiliens. Aber je länger man bleibt, desto schöner werden sie. Weil man am Leben teilnimmt. Weil man die Menschen kennen lernt. Und keine Christusstatue dieser Welt kann dagegen aufkommen.

An hässlichen Orten ist man oft der einzige Ausländer. Schöne Orte hat man nie für sich allein, man muss sie immer teilen mit einer Menge anderer Touristen, die gierig versuchen, all die Schönheit in ihre Fotokamera zu saugen.

Zweifelsfrei gilt Rio de Janeiro als einer der sehenswertesten Orte Brasiliens, als eine der schönsten Städte der Welt. Und ja, sie ist in vielerlei Hinsicht traumhaft, die „cidade maravilhosa“ oder, um es mit den Worten von Stefan Zweig zu sagen, der nach seiner Ankunft in Rio notierte: „Ein Rausch von Schönheit und Glück überkam mich, der die Sinne erregte, die Nerven spannte, das Herz erweiterte, den Geist beschäftigte, und soviel ich sah, es war nie genug.“

Trotzdem war meine Zeit in Rio nicht spaßiger als jene in Dourados. Die Parties waren nicht wilder, das Essen nicht leckerer, die Menschen nicht freundlicher. Letztendlich sind beide Städte zwei Seiten desselben Landes. Und die eine ist nicht weniger Brasilien als die andere. Eine Reise wert sind beide Orte, die scheinbar hässlichen und die vermeintlich schönen. Stefan Zweig hat es 1941 schon verstanden, wenn er schrieb: „Alles Reisen in Brasilien heißt Entdecken und doch gleichzeitig Verzichten: Jeder sieht nur einen Teil, keiner kennt das Ganze. Wer klug ist, der ist auch dankbar und sagt in der rechten Stunde: genug für diesmal!“

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