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Illustrations by Sarah
Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 25.10.2021
LebenWohnen in Südtirol

Lästiger Leerstand

Das Cohousing Rosenbach galt als wegweisendes Wohnprojekt, nun steht das Gebäude leer. Die Verantwortung sieht die Landesregierung bei den Wohnungssuchenden.
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Die Bibliothek Haslach mit dem leerstehenden Gebäude (rechts).

Es ist ein schickes Gebäude, der untere Teil rot gestrichen, die oberen Stöcke modern verglast. Gemeinsam mit der angrenzenden Bibliothek, einem Park und dem zentralen Platz kostete der Bau auch stattliche 55 Millionen Euro. 16 Mini-Apartments mit über 30 Betten stehen aktuell darin leer, schon seit Dezember 2020, mitten in Haslach, mit dem Rad 5 Minuten vom Zentrum entfernt. Wer ist für diesen Leerstand verantwortlich? In Zeiten, wo die Wohnungsnot Menschen in Bozen unter die Brücke treibt und Studierende für dürftige Unterschlüpfe horrende Mieten zahlen müssen?

Eigentümer des leerstehenden Gebäudes ist diesmal kein gieriger Investor, der auf eine Preissteigerung wartet, auch kein bequemer Privatier, dem die Vermietung gerade zu aufwendig ist, sondern das Land Südtirol. In der Landesregierung ist Leerstand wie dieser kein Einzelfall. Berichte über 700 leerstehende Sozialwohnungen sorgten in diesem Jahr bereits für Aufsehen.

Matthias Schwarz, Jahrgang 1993 und Sozialarbeiter, war einer der rund 15 Bewohner, die bis Ende 2020 aus dem Gebäude in der Zone Rosenbach in Haslach ausziehen mussten. 130 Euro zahlte er pro Monat, Strom, Heizung und Internet inklusive. Im Gegenzug leistete er im Rahmen des Projekts „Cohousing Rosenbach“ gemeinnützige Arbeiten, wie den Einkauf für ältere Menschen und die Organisation von öffentlichen Film- und Kochabenden, und besuchte Coachings sowie Kurse der Persönlichkeitsentwicklung.

Die Bewohner sollten weder distanzierte Nachbarn noch aufeinander klebende Mitbewohner sein.

Nicht nur wegen des günstigen Preises kann sich der junge Berufseinsteiger eine gewisse Nostalgie nicht verkneifen, wenn er mit seinem Rad an dem verwaisten Gebäude vorbeifährt. Zwei intensive Jahre lang lebte er in dem Gebäude, das 2017 als Vorzeige-Projekt des damaligen Landesrats Christian Tommasini noch positive Schlagzeilen machte. Mit dem Projekt sollten junge Berufseinsteiger und Menschen unterstützt werden, die von zuhause ausziehen wollen, aber noch nicht die finanziellen Mittel hatten, um im heiß umkämpften Wohnungsmarkt in Südtirol eine Unterkunft zu finden. Viele Freundschaften sind in diesen zwei Jahren für Matthias Schwarz entstanden.

Das zukunftweisende Konzept, das hier umgesetzt wurde, heißt „Cohousing“: Die Bewohner sollten weder distanzierte Nachbarn noch aufeinander klebende Mitbewohner sein, sondern irgendetwas dazwischen. Neben den einzelnen Wohnungen gab es nämlich Gemeinschaftsräume, in denen Film- und Kochabende organisiert, Sitzungen abgehalten oder einfach nur bei einem Feierabendbier zusammengesessen und geratscht wird.

Das Zusammensein schätzten die ehemaligen Bewohner insbesondere im Lockdown. Während seine Freunde und Bekannten außerhalb des Cohousings über quälende Langeweile und Einsamkeit klagten, feierte und lachte Matthias Schwarz während Corona einfach weiter. Sein soziales Leben blieb trotz der Pandemie, die draußen wütete und die Straßen leerfegte, intakt. Genauso wie bei den anderen Bewohnern des Cohousings.

130 Euro für eine monatliche Miete und dennoch kaum Bewerber. Sind junge Südtiroler so reich, sich ein solches Angebot entgehen zu lassen?

Umso überraschter waren alle, als sie erfuhren, dass das Pilotprojekt mit von Anfang an begrenzter Laufzeit ab Dezember 2020 nicht mehr verlängert werden soll. „Eigentlich hat es gut funktioniert“, bestätigt auch Vladi Martello, der das Cohousing-Projekt als Tutor begleitete. Die sozialen Projekte, wie der Einkauf für Senioren, seien nicht nur bei den Inanspruchnehmern, sondern auch bei der Öffentlichkeit gut angekommen. Und die Bewohner des Cohousings hätten fast alle ihren Mietvertrag verlängern wollen, wenn sie gedürft hätten.

Nur die Nachfrage nach den Cohousing-Plätzen hätte besser sein können. Von den verfügbaren Plätzen seien nur etwa die Hälfte belegt worden. Genau diesen Umstand führt auch die Landesregierung als Grund an, weshalb das Angebot am Ende nicht verlängert wurde. Geradezu „enttäuschend“ findet die Landesrätin für Wohnbau Waltraud Deeg, wie das Projekt in der Bevölkerung aufgenommen worden sei. Am Ende habe sie sich, gemeinsam mit ihrem Kollegen aus dem italienischen Kulturressort Giuliano Vettorato, gegen die Fortführung des Projekts entschieden, weil durch die geringe Nachfrage nicht einmal die laufenden Kosten hätten gedeckt werden können.

130 Euro für eine monatliche Miete und dennoch kaum Bewerber. Sind die Südtiroler wirklich so reich, sich ein solches Angebot entgehen zu lassen? Dass es wenige Rückmeldungen gab, lag wohl auch daran, dass man für das Cohousing die Zugangsvoraussetzung, schon mindestens 5 Jahre in Südtirol ansässig zu sein, erfüllen musste. Dadurch waren schon viele junge Berufseinsteiger und Studierende, die in Bozen auf Wohnungssuche waren, von einer Bewerbung ausgeschlossen.

Die Landesregierung sieht die Verantwortung bei den Wohnungssuchenden.

Ein weiterer Faktor, der Interessierte davon abhielt, sich zu bewerben, war wohl auch der hohe Aufwand für die gemeinnützigen Arbeiten und das Persönlichkeitsentwicklungsprogramm, das mit dem Wohnen im Cohousing Rosenbach verbunden war. „Man musste schon Einiges an Zeit dafür aufwenden“, erzählt Matthias Schwarz als ehemaliger Bewohner. Ganz so einfach sei das mit einem Vollzeitjob nicht vereinbar gewesen.

Und schließlich wurde das Projekt ganz Oldschool-mäßig zwar auf Pinnwänden in der Uni beworben, auch einige Medien berichteten darüber – doch echte Anzeigen auf einschlägigen Portalen im Internet und auf Facebook-Gruppen seien nicht aufgegeben worden. Davon will die Landesrätin aber auch nichts wissen und sieht die Verantwortung bei den Wohnungssuchenden: „Als ich Studentin war, habe ich mich selbst schlaugemacht und regelmäßig die Pinnwände nach Anzeigen abgesucht.“ Wenn auf diesem Wege keine Interessierte gefunden wurden, dann wisse sie eben auch nicht.

An der Förderung innovativer Wohnprojekten bestehe auch weiterhin Interesse, betont die Landesrätin, und erwähnt als Beispiel das Mehrgenerationenwohnen. Im leerstehenden Gebäude Rosenbach werden diese vorerst wohl nicht realisiert, denn hier soll ab 2022 vorübergehend das Landeskleinkinderheim unterkommen, während jenes Gebäude, wo das Heim zuvor beherbergt war, saniert wird. Bis dahin stehen die 16 Apartments im verglasten Gebäude in der Zone Rosenbach weiterhin leer.

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