BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
BARFUSS LogoSüdtiroler Onlinemagazin

Support Barfuss

Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus

BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 03.11.2015
LebenWir Ypsiloner

Generation Mut

Veröffentlicht
am 03.11.2015
Gewehre, Verstand oder nackte Brüste. Mut hat viele Facetten.
Damit BARFUSS weiterhin hinterfragen, aufklären, erzählen und berühren kann, brauchen wir DEINE Unterstützung!
Werde Teil unserer Community.
Teile unsere Story
2846216148_309b675f53_o.jpg

Neulich stand ich da, beim Yoga: Becken und Oberkörper parallel zur Wand ausgerichtet, meine Oberarme hatte ich ausgestreckt, einen nach vorne, einen nach hinten. Mit der hinteren Fußaußenkante habe ich fest in die Matte gedrückt und mein vorderes Knie so tief gebeugt, dass mein Oberschenkel anfing zu brennen. Krieger zwei. „Ihr steht nun da wie mutige Amazonen“, sagte mein Lehrer. Und ich schämte mich still in mich hinein.
Heldenhafter Mut wurde diesen Frauen nachgesagt. Eine Tugend, durch die sie oft den Männern ihrer Zeit gleichgestellt wurden. Kriegerisch waren sie und haben so ganze Städte und Inseln erobert, diese Amazonen. Und damit haben sie es sich verdient mit dem mächtigen Adjektiv des Mutes gekrönt zu werden. Ich hingegen stehe da in meinen bunten Leggings, leicht verschwitzt, inmitten von diesen ganzen möchtegern-spirituellen Yogaleuten und bin in diesem Moment alles andere als mutig.
Doch so sehr, wie ich mich in diesem Moment dafür schämte, weil der Mut durch mich missbraucht wurde, so sehr regt es mich auch auf, wenn man mich genau diesen Mutes beraubt. Als „nicht mutig genug“ wurde ich nämlich einige Tage später bezeichnet. Und das nur, weil ich mich einer Situation entzogen habe, die mich unglücklich gemacht hat.
Wenn es nicht beim Yoga-Praktizieren ist, reihe ich dieses doch so unscheinbare Wörtchen, mit dem so viel Tapferkeit und Herzblut in Verbindung steht, normalerweise schon in die Riege meiner Charaktereigenschaften. „Ich bin präsent, laut, echt und mutig“, sage ich dann meistens. Und denke, dass das auch so ist. Einmal zu viel und einmal zu wenig des Mutes also. Können wir Ypsiloner uns erlauben, uns mit diesem Adjektiv auszustatten, oder sind die Zeiten wahren Mutes doch schon längst an uns vorbeigezogen?

„Mutig sein, heißt nicht klein bei zu geben.“

Wenn ich an Mut denke, denke ich an Ritter, Gladiatoren oder Piraten. Denke ich weiter, fallen mir Gandhi, Sophie Scholl, Jeanne d’Arc oder der kürzlich verstorbene Südtiroler Franz Thaler ein. Lauter Menschen, die sich gegen etwas stellten, das ihnen nicht in den Kram passte. Gegen etwas, das sie ihres Glückes beraubte und das sie unzufrieden machte. Mit sich und der Situation, in der sie sich befanden. Und sie haben sich gewehrt, sind aufgestanden und sind laut geworden, um ihre Ideale zu verfolgen. Sie haben ihre Ängste überwunden. Sie haben Mut bewiesen.
Dieser Mut hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder revolutioniert. Galt es früher noch als mutig, mit einer Lanze den Gegner vom Pferd zu stoßen, um ein gnädiges Fräulein zu erobern, waren später die Mutigen diejenigen, die sich im Krieg für ihr Land opferten. Noch später wurde Mut intellektuell und mit Menschen wie Gandhi gar gewaltlos. Neuerdings hat man beschlossen, dass man am besten blank zieht, um mutig für seine Ideale einzustehen. Doch ohne hier zu weit in der Geschichte des Mutes auszuholen, resümiere ich die Gemeinsamkeit aller Epochen: Mut heißt, seine Angst abzulegen, um etwas zu tun, das man für richtig hält, auch, wenn dies Nachteile mit sich bringen könnte.

„Wir kämpfen lieber für kleine Realitäten als für große. Unser Mut rührt schließlich vom Selbst-Bewusstsein her.“

Ihrem Ideal folgend, waren all diese Personen aus der Geschichte auf irgendeine Weise bewaffnet. Wenn nicht mit einem Gewehr, dann mit dem Verstand oder schließlich eben mit nackten Brüsten. Im Zeitalter der Ypsiloner angekommen ist die Waffe, die unseren Mut generiert, unser Selbstbewusstsein. Ein Charakterzug, auf den ich durchaus stolz bin und der, so meine ich, nicht von ungefähr kommt. Wir Ypsiloner sind schließlich eine Generation von kleinen Narzissten, die wir durch unsere lieben Eltern geworden zu sein scheinen. Dass ich mit dem Willen, dem Durchhaltevermögen und der nötigen Portion Arbeit alles erreichen kann, was ich nur will, wurde mir von klein auf beigebracht. Und genau das macht stark und mutig.
Eben weil wir wissen, was wir auf dem Kasten haben, können wir inmitten von Katastrophen, Kriegen und einer kippenden Umwelt immer noch mit stolzer Brust dastehen und Mut beweisen. Wir schmeißen also jegliche Angst von Bord, folgen unseren mutigen Vorgängern, rebellieren und riskieren. Oder so ähnlich. Während die Ideale, für die diese Vorgänger kämpften nämlich für eine ganze Nation oder sogar noch darüber hinaus galten, kämpfen wir lieber für die kleinen Realitäten als für die großen. Wir schauen mit unserem Mut erstmal, unsere eigene Welt ins Ideal zu rücken, um damit das zu erreichen, was uns selbst glücklich macht. Unser Mut rührt schließlich vom Selbst-Bewusstsein her.

Dienste

  • News
  • Wetter
  • Verkehrsbericht

BARFUSS


Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support

© 2023 SuTi GmbH
© 2023 SuTi GmbH . Rennstallweg 8 . 39012 Meran . MwSt: 02797340219
DatenschutzCookiesImpressum