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Marianna Kastlunger
Veröffentlicht
am 22.07.2020
LebenBandporträt Zeugshmitz

Garagenrock, selbstgeschmiedet

Veröffentlicht
am 22.07.2020
Zeugshmitz blickt auf eine fast 30-jährige Bandkarriere zurück. Über 90er Grunge-Nostalgie, generationenübergreifende Subkulturen und die Tücken der Südtiroler Livemusikszene.
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Sie waren 1990 in der Coverband-Szene zugegen, traten mit ungewöhnlichem Repertoire als Fisherman’s Friends in Après-Ski-Lokalen auf. Sie spielten kein 08/15-„Sweet Home Alabama“-Zeugs (nix für Ungut, Lynyrd Skynyrd), sondern Beatrock Klassiker oder gar The Cure oder The Cranberries. Als dann Gerd Stoll und sein Band- und Jugendfreund Klaus Balzarek durch die USA reisten, kam es zur persönlichen, kleinen Revolution.

In Haight-Ashbury, dem alternativsten Viertel San Franciscos, entdeckten die Jungs die aufblühende Grungeszene. „Ein wahrer Aha-Effekt“, sagt Gerd, „bis dahin dachte ich, dass harter Rock wie Achtziger-Metal klingen muss, mit Falsetto-Stimme usw.“ Doch diese Musik war völlig anders, mit verzerrten Riffs und unverstellter Stimme. Den beiden Freunden war klar: Es musste eine Band her, die eigene Songs in diesem neuen, starken, geradlinigen Stil macht. Mit Gerd und Klaus an Mikro und Gitarren, Egon Niederkofler am Bass und Matthias Pallua am Schlagzeug war sie rasch beieinander. Doch wie sollte sie heißen? „Iron irgendwas hätte nicht zu uns gepasst, also zogen wir durch die Stadt auf der Suche nach Ideen“, erzählt der Frontman. Zunächst auch keine leichte Aufgabe, aus all den Brunecker Geschäftsinschriften die eine Bezeichnende zu finden – oder glaubt ihr, dass eine Indierockband namens „Pocchiesa“ (nix für Ungut, liebe Handelstreibende) genug grunge-credibility mitgebracht hätte? Eben.

Nur eine schien geeignet: Die Eisenwarenhandlung Zeugschmied am Kapuzinerplatz. Daraus wurde also Zeugshmitz, das perfekte Wortspiel mit Pusterer Färbung und einer Hommage an die englische Band The Smiths, die zu Gerds Lieblingen zählt. Sobald er übrigens von dieser und anderen Kultbands á la Pearl Jam, Pixies und Nirvana spricht, blitzt auch immer wieder seine große Musikbegeisterung durch. „‘Come as you are‘ – perfekte Nummer“, spricht’s enthusiastisch. Erzählt vom großen Spaß am CD-Stöbern. Oder von Taizé-Fahrten, die sie hauptsächlich mitmachten, um große Plattenläden in der Nähe zu besuchen. „Ich mag es eigentlich gar nicht, wenn man immer nur von den ‚alten Zeiten‘ spricht“, sagt er dann leicht verlegen, „aber es gehört einfach dazu“, fährt er mit pragmatischem Schulterzucken fort. Keine Sorge, zu nostalgisch wird’s nicht werden. Aber nun der Reihe nach.

1992 ward also die Band gegründet und mischte fortan mit eigenem Grunge-Indie-Garagenrock-Material die Liveszene mit. Das Debütalbum „The Zeugshmitz“ erschien 1996. „Wir hatten Glück. Damals gab es einfach mehr Möglichkeiten, auf Open-Air-Konzerten und Festivals zu spielen. Die Szene war sehr lebendig und stark von Bands mit eigenem Material geprägt“, erzählt Gerd. Eine Szene, die sich auch in kleineren Orten wie Percha, Reischach oder Pfalzen zusammenfand und dort ganze Vereinssäle füllte. Viele kamen, um einfach Leute zu treffen und etwas zu erleben. Dass Bürokratie, strenge Auflagen und höhere, finanzielle Risiken die Arbeit von Veranstaltern heute wesentlich erschweren, sei sehr schade. Zumal es jede (mit Betonung auf JEDE) Form von Livemusik vermag, Stimmungen zu kreieren, die den Leuten einfach viel gibt, und zwar generationenunabhängig. „So wie man es aus dem anglophonen Raum kennt, wo sich Jung und weniger Jung im Pub trifft und dieselbe Musik hört, egal ob Rock oder Folk“, sinniert Gerd. Hierzulande tat man sich allerdings schwerer mit den rockig-revolutionären Bedürfnissen der damaligen Musiktrends: „Wenn beim Wiesenfest gerauft wurde, galt’s als Tradition, beim Rockfestival war’s aber plötzlich ein Problem“, fährt er grinsend fort. Und plädiert auch heute für einen breiter gefassten Kulturbegriff, um die Livemusikszene zu stärken. Ein interessiertes Publikum, so ist der Sänger überzeugt, wäre schließlich da. Eher mache die Bürokratie die Szene kaputt: „Ich bin der Letzte, der Rock als hohe Kunst betitelt. Aber sie ist doch auch eine Form von Kulturgut. Hoffentlich wird das auch gesellschaftspolitisch so anerkannt. Qualitäten findet man doch überall, wenn man offen dafür ist. Lasst doch die Leute kreativ sein.“

Apropos Kreativität: wie gelang es Zeugshmitz, sich über fast drei Jahrzehnte lang zu halten? „Uns gibt es so lange, weil wir alle in einer Parallelwelt mit ein paar gemeinsamen Nennern leben“, sagt der Sänger. Alle vier zogen sie fürs Studium oder Indienreisen weg und wieder heim, arbeiteten an Karrieren und gründeten Familien, fanden aber immer wieder gemeinsame Ziele, mal mehr und mal weniger regelmäßig. 2007 und 2012 folgten die Alben „It Takes Time“ und „Twenty Eleven“, es gab fixe vorweihnachtliche Konzerttermine im Brunecker Pub und selbstgemachte Videos. Bassist Egon ist übrigens bei der Band Fonzies dabei, Gitarrist Klaus mit seinem Alter Ego Shantifax als Goa- und Elektro-Produzent mit internationaler Fangemeinde tätig. So flossen immer wieder neue Impulse in die Band ein.

„Wir hatten gar nicht die Möglichkeit, uns so oft auf die Nerven zu gehen, so blieben wir motiviert“, verrät Gerd. Die Bandtreffen sind für ihn ein wunderbarer Ausgleich zum Alltag: „Mit Musik schalte ich aus oder ab, sie sorgt für Adrenalinkicks und Freude. Im Grunde machen wir das, weil wir vier Freunde mit demselben Hobby sind. Und großes Glück mit unserem Proberaum hatten, der seit der Gründung derselbe geblieben ist.“ Dieser dient übrigens auch als Aufnahmestudio, wo 2019 ihr aktuelles Album „Isolation“ Spur für Spur in Eigenregie eingespielt wurde. Wie es sich für eine klassische Garagenrockband eben gehört, die alles ohne Stress und zu seiner Zeit macht. Gemastered wurde das Album vom Sarner Indie-Label Mountain Digital Music. Dann kam die Corona-Pandemie, und der neue Albumtitel passte absurderweise wie die Faust aufs Auge: „Im Lockdown hatten wir viel Zeit für die Musik, die uns als Band wieder zusammenwachsen ließ“, fasst Gerd zusammen. Für den Song „It’s War (Hold On)” wurde ein Video im typischen Corona-Homevideo-Stil produziert. Im Song geht es allerdings um den immerwährenden Kampf zweier Seelen, zwischen Gut und Böse.

Live vorgestellt wird das gute Stück schon heute, am 22. Juli in der UFO-Arena ab 20.30 Uhr, weitere Termine werden folgen. „Als Livemusiker lebt man ja vom unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum. Mir persönlich wären unsere historischen Konzerte in engen Kellerräumen lieber“, schmunzelt noch der Sänger. Sehr happy wieder spielen zu dürfen, allen Abstandsvorschriften zum Trotz, ist die Band trotzdem.

Cover des neuen Albums „Isolation“

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