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Illustrations by Sarah
Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 03.06.2025
LebenStraßenzeitung zebra.

Die Festung der Repression 

Das Evin-Gefängnis in Teheran ist der Ort, an dem fast alle iranischen Dissident:innen einmal landen. Vor allem kritische Journalist:innen stehen im Visier des herrschenden Klerus. 
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EvinHouseofDetention

Plötzlich war sie wieder frei. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so bald wieder heimkehren kann“, sagte Cecilia Sala, wenige Tage, nachdem sie Anfang Januar aus dem Evin-Gefängnis in Teheran freigelassen wurde. Das iranische Regime hatte die italienische Journalistin drei Wochen zuvor im Iran während einer Recherchereise festnehmen lassen, um die Freilassung eines mutmaßlichen iranischen Waffenschmugglers zu erzwingen, den Italien kurz zuvor im Auftrag der USA verhaftet hatte. Die italienische Journalistin bekam so einen Einblick in das berüchtigtste Gefängnis im Iran, den Ort, wo unzählige politische Gefangene und Journalist:innen festgehalten werden. „Ich verbrachte meine Zeit damit, Tage zu zählen, meine Finger zu zählen, Brotzutaten zu lesen – das Einzige, was es auf Englisch gab“, erzählte sie später in einem Podcast. Sie schlief in einer Einzelzelle auf dem nackten Boden, ohne Kissen, ohne Matratze, nur ein paar Decken gab man ihr. Jeden Tag unterzog man sie einem Verhör. Dann durfte sie nach drei Wochen gehen. Die anderen Mithäftlinge, junge Frauen, denen man vorwarf, „gegen die Islamische Republik“ zu sein, mussten bleiben – manche noch viele Jahre lang. 

Denn wer im Iran aufzeigt, dass die Verhältnisse im Gottesstaat gar nicht so paradiesisch sind, greift das System an seinem ideologischen Fundament an. 

Auch Narges Mohammadi, die iranische Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2023 und eine unerschrockene Kritikerin des Regimes, sitzt im Evin-Gefängnis fest. In einem Interview mit dem französischen Magazin Elle sagte Mohammadi, im Frauentrakt befänden sich siebzig Gefangene „aus allen Gesellschaftsschichten, Altersgruppen und politischen Richtungen“ – darunter Frauenrechtlerinnen, Schriftstellerinnen, Gewerkschafterinnen, Journalistinnen. Vor allem der Journalismus steht im Visier des iranischen Regimes und ist wohl die am meisten verfolgte Berufsgruppe. Denn wer im Iran aufzeigt, dass die Verhältnisse im Gottesstaat gar nicht so paradiesisch sind, greift das System an seinem ideologischen Fundament an. 

Zwei Stimmen gegen das Regime 
Eindrücklich zeigte das der Fall der beiden Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi. Ohne ihre Arbeit hätte die Welt wohl nie vom Tod Mahsa Jina Aminis erfahren. Die junge Frau war in ein Teheraner Krankenhaus eingeliefert worden, nachdem die iranische Sittenpolizei sie wegen ihres „schlecht gebundenen Hijabs“ festgenommen und misshandelt hatte. Kurz bevor sie am 16. September verstarb, fotografierte sie Hamedi, eine Journalistin der reformorientierten iranischen Tageszeitung Shargh, im Koma. Das Foto zeigte deutliche Gewaltspuren an Aminis Kopf. Mohammadi, Journalistin bei der iranischen Tageszeitung Hammihan, berichtete daraufhin von Aminis Begräbnis in ihrer Heimatstadt Saqqez. 

Die Nachricht ihres gewaltsamen Todes löste im September 2022 heftige Aufstände im ganzen Land aus, die mehrere Monate anhielten. Proteste gegen das Regime gab es auch früher schon, dieses Mal aber richtete sich die Wut erstmals direkt gegen die islamistische Staatsordnung. Frauen verbrannten ihre Hijabs, junge Männer schlugen den Mullahs die Turbane von den Köpfen, religiöse Seminare gingen in Flammen auf. Auch jetzt, wo es auf den Straßen ruhiger ist, verweigern viele iranische Frauen in einem Akt des zivilen Ungehorsams weiterhin den Zwangshijab, der im Iran zum Symbol der islamistischen Unterdrückung geworden ist. Im Ausland wurden die beiden Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi als Stars gefeiert. 2023 zählte sie das Time-Magazin zu den hundert einflussreichsten Persönlichkeiten des vergangenen Jahres und ihre Arbeit wurde mit dem Pressefreiheits-Preis der UNESCO anerkannt. Beide hätten sowohl 2023 als auch 2024 als Finalistinnen beim True Story Award, einem globalen Journalistenpreis, nach Bern reisen sollen. 

ote Linien in der Berichterstattung sind etwa Kritik am Obersten Führer Ali Khamenei, an den Revolutionsgarden und den religiösen Dogmen, zu denen auch die Ungleichbehandlung der Frauen gehört. 

Doch bis heute dürfen sie das Land nicht verlassen. Im Oktober 2023 wurden sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt: Hamedi erhielt sieben Jahre und Mohammadi sechs Jahre Haft. Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, als Agentinnen für „ausländische Mächte“ agiert zu haben. Doch in ihrem Fall hatte die Geschichte noch ein gutes Ende: Im Februar 2025 wurden sie begnadigt und freigelassen – unterstehen aber einem Berufsverbot und einer Ausreisesperre. 

Die Proteste 2022 markierten den Höhepunkt der Repression gegen Journalist:innen. Zeitweilig waren laut Angaben des „Committee to Protect Journalists“ (CPJ) im Iran fast hundert Journalist:innen inhaftiert. Weil so viele Frauen darunter waren, hält Iran den traurigen Rekord, nach China das Land mit den meisten inhaftierten Journalistinnen weltweit zu sein. 

Den „medialen Krieg“ verloren 
Auch vor der letzten Protestwelle arbeiteten iranische Journalist:innen in einem der restriktivsten Umfelder der Welt. Obwohl die iranische Verfassung Pressefreiheit garantiert, verbieten zahlreiche Zusatzartikel, dass Journalist:innen „die nationale Sicherheit gefährden“, „den Klerus beleidigen“ oder „falsche Informationen verbreiten“. Und was als wahre oder falsche Information gilt, entscheiden die Behörden selbst. Rote Linien in der Berichterstattung sind etwa Kritik am Obersten Führer Ali Khamenei, an den Revolutionsgarden und den religiösen Dogmen, zu denen auch die Ungleichbehandlung der Frauen gehört. 

Die Kunst bestand bisher darin, bis an die rote Linie zu gehen und nicht weiter. Doch was als rote Linie galt, das verschob sich ständig. Das Risiko, einmal zu weit zu gehen, ist für kritische Journalist:innen im Iran ein ständiger Begleiter. Selbst jetzt, wo es auf den Straßen im Iran wieder weitgehend ruhig ist und zahlreiche politische Gefangene freigelassen wurden, halten die Verhaftungen von Journalist:innen an. Kurz nach Cecilia Salas Freilassung, am 7. Januar 2025, wurde Mohammad-Hossein Aladin, ein Journalist, der über Umwelt-Themen berichtete, festgenommen. Er sitzt bis heute im Evin-Gefängnis fest. „Das Regime versucht damit im Augenblick gezielt, Informationen über verletzte und festgenommene Demonstranten zu verhindern“, sagte Yeganeh Rezaian, Expertin von CPJ, gegenüber der taz. 

Nach den Protesten vor drei Jahren zeigten geleakte Gespräche zwischen hochrangigen Revolutionsgardisten die Sicht des Regimes: Bisher habe man den „medialen Krieg auf ganzer Linie verloren“.

Nach den Protesten vor drei Jahren zeigten geleakte Gespräche zwischen hochrangigen Revolutionsgardisten die Sicht des Regimes: Bisher habe man den „medialen Krieg auf ganzer Linie verloren“. Mit den üblichen Mitteln der Unterdrückung versucht man, die Kontrolle über das Narrativ zurückzugewinnen. Doch bei aller Härte, die die Islamische Republik gegen Journalist:innen anwendet, die nichts anderes tun als ihren Beruf auszuüben, ist es unwahrscheinlich, dass der „mediale Krieg“ noch gewonnen werden kann. Laut einer Umfrage des Instituts ISPA (Iranian Students Polling Agency) in Teheran informieren sich nur noch 12,5 Prozent der iranischen Bevölkerung über die Nachrichten des staatlichen Rundfunks IRIB. Dies stellt einen drastischen Vertrauensverlust dar, verglichen mit 2017, als noch 51 Prozent das Nachrichtenprogramm des IRIB verfolgten. 

Selbst wenn es dem Regime gelingen sollte, die kritischen Berichterstatter:innen im eigenen Land mundtot zu machen, informieren sich die meisten Iranerinnen und Iraner heute ohnehin lieber über soziale Medien und persischsprachige Auslandsmedien, wie Telegram, Iran International, Manoto oder BBC Persian, wo rote Linien und Zensur in dieser Form nicht existieren. Die sind im Iran zwar verboten, doch fast alle nutzen auf ihrem Smartphone ein VPN; damit lassen sich Online-Sperren kinderleicht umgehen. An diesem Trend werden die Repression des Regimes und die Masseninhaftierungen nichts ändern können. Menschen kann man hinter Gitter stecken – doch im Internet bewegen sich die Informationen weitgehend frei.

Dieser Text erschien erstmalig in der Straßenzeitung zebra. (30.05.2025 – 01.07.2025 | 107)

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