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Maria Laura Ebensberger
Veröffentlicht
am 04.11.2013
Leben

Die Alpen bröckeln

Veröffentlicht
am 04.11.2013
Nicht nur die Gletscher, auch das unsichtbare Eis im Boden schmilzt. Das hat Folgen für uns Menschen. Welche genau, erklärt der Geologe Volkmar Mair.
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Volkmar Mair (links) bei einem Lokalaugenschein mit Florian Mussner.

Der Klimawandel zeigt im Hochgebirge seine Wirkung: Nicht nur die Gletscher, auch das unsichtbare Eis unter Schutt und Fels schmilzt – und bringt die Alpen zum Bröckeln. Bergstürze, Felsstürze und Steinschlag sind die Folge. Eine Studie des Amtes für Geologie und Baustoffprüfung in Bozen fand nun eine hohe Schwermetallbelastung im Wasser, das aus eben diesem Eis, genannt Permafrost, stammt. Ein Gespräch mit dem Amtsdirektor, Volkmar Mair, über die Klimaerwärmung, das Schmelzen des Permafrostes und die Folgen für uns Menschen. Auf ein Glas’l hatte Mair, als gefragter Geologe, leider keine Zeit. BARFUSS traf ihn deshalb in seinem Büro, dafür war das Gespräch umso interessanter.

Was ist eigentlich Permafrost?
Die wichtigste Definition ist die: Permafrost sind all jene Gebiete, bei denen mindestens zwei Jahre hintereinander die Jahresmitteltemperatur unter 0 Grad Celsius liegt. Das trifft auf die Polkappen zu, Gebiete, die sehr weit im Norden beziehungsweise Süden liegen, oder auf entsprechend hochgelegene Gebiete, wie bei uns in den Alpen, über 2.000 bis 2.500 Höhenmeter.

Wie erkennt man als Laie Permafrost?
Man kann den Permafrost selbst ja nicht sehen. Man müsste das Eis im Boden sehen. Es gibt aber einige Formen von Permafrost, die man sehr leicht erkennen kann. Eine der interessantesten und offensichtlichsten davon sind die Blockgletscher. Das sind große Blockfelder, die zungenförmige Körper bilden. Die schauen aus wie eine Gletscherzunge, sind aber vollständig aus Blöcken aufgebaut. Zwischen diesen Blöcken ist das Eis.

Ihre Studie Permaqua steht in einem engen Zusammenhang mit Klimawandel. Ist Klimawandel real? Gibt’s den wirklich?
Tja, dieses Wort ist eigentlich eine Tautologie (Anm.: eine Aussage, die immer wahr ist, z.B. es regnet oder es regnet nicht), weil das Klima ja im ständigem Wandel ist. Es geht immer auf und ab. Tatsache ist allerdings, dass seit der kleinen Eiszeit – seit die Gletscher ihr Maximum erreicht haben, um etwa 1850 bis 1870 – diese Gletscher zurückgehen. Infolge einer Klimaerwärmung. Die ist auch messbar. Die Temperaturen sind tatsächlich wärmer.

Was hat jetzt diese Erwärmung mit Permafrost zu tun?
Je wärmer die Temperaturen im Hochgebirge sind, desto eher wird dieses Eis ausgeschmolzen. Das führt dazu, dass sich die Blockgletscher schneller bewegen, was zu Muren und Steinschlag führen kann. Diese Wärme dringt ja auch in die Felsen ein. Sehr viel Felsenmaterial im Hochgebirge ist durch Eis verkittet und das fängt nun an aufzuschmelzen. Das Schlimmste ist aber nicht nur das Schmelzen, sondern, dass der Frost-Tauwechsel zunimmt. Das heißt, in der Nacht gefriert es und bei Tag taut es auf. Friert, taut auf. Diese Frost-Tauwechselzonen sind extrem aktiv. Und die verursachen vermehrt Bergstürze, Felsstürze oder Steinschlag. Das kann man inzwischen auch schon feststellen, dass das wirklich so ist. Es gab inzwischen schon einige Unfälle, bei denen sich Bergsteiger an einem Felsblock sichern wollten und dann mit dem Felsblock abgestürzt sind. Das nimmt wirklich zu, da ist Vorsicht geboten!

Seit wann hat das zugenommen?
Die Franzosen haben sehr gute Statistiken, die zeigen, dass die Anzahl und die Größe des Materials, das herunterkommt seit ungefähr 1870 zunimmt. Und man sieht, dass es bei warmen Sommern mehr Steinschlag gibt als bei kühleren Sommern.

Muss man sich dann als Wanderer vermehrt Sorgen machen? Besondere Maßnahmen treffen?
Ich würde einfach mal die übliche Vorsicht walten lassen, die man sonst im Hochgebirge eh schon hat. Und ich würde einmal mehr die Blöcke prüfen, wo ich mich sichere. Inzwischen werden einige Routen gar nicht mehr begangen und vom Alpenverein oder den Hüttenwirten absolut abgelehnt. Auch Bergführer sagen oft schon „diese Route begehen wir nur im Winter oder wenn viel Schnee ist“. Das ist also schon angekommen. Einige Routen wurden auch bereits verlegt, zum Beispiel der Zustieg der Hohen Wilde oder der Zustieg auf die Müllerhütte. Also es wird ständig neu angepasst.

In Ihrer Studie haben Sie Schwermetalle im Permafrosteis gefunden, das auch ins Wasser übergegangen ist. Ist das ein Problem?
Ja. Also die Werte von Nickel und Mangan liegen bei diesem Wasser ungefähr über den zehn- bis manchmal, in seltenen Fällen, auch 100-fachen Grenzwert für Trinkwasser. Das stellt kein Problem dar, wenn man nur ein paarmal im Jahr so ein Wasser trinkt. Und keine Quelle in Südtirol, die für Gemeinde oder Höfe genutzt wird, ist davon betroffen, die werden ja auch ständig kontrolliert. Von den Almen hingegen wissen wir’s nicht. Es kann durchaus sein, dass Almen direkt aus Permafrostwasser ihre Quelle beziehen.

Das wäre dann wahrscheinlich problematisch …
Also wenn jemand den ganzen Sommer lang so hohe Nickelwerte hat, das wär nicht gut! Auch bei den Tieren … Aber es gibt keine Nachweise, weil die Almen nicht überprüft werden. Sobald sich dieses schwermetallbelastete Wasser ein paar hundert Meter weiter mit einem anderen Wasser mischt, mit normalem Quellwasser, dann sind die Werte wieder unten. So unmittelbare Gefahr würde ich eigentlich keine sehen. Es gibt keine nachgewiesenen Nickelvergiftungen bisher.

Woher genau stammen die Schwermetalle?
Tja, das ist ein schwieriges Kapitel. Also wir haben nachgewiesen, dass sie aus dem Eis kommen und nicht aus irgendwelchem Staub oder aus dem Felsmaterial, das sich daneben befindet. Nickel zum Beispiel geht bei unvollständiger Verbrennung direkt in die Luft über, kann dort dann ausregnen und würde sich dann natürlich deshalb im Eis befinden.

Das heißt, man weiß es nicht genau …
Ganz genau wissen wir das nicht. Die Schwermetalle könnten aus Waldbränden stammen. Was wir schon wissen: Das hat nichts mit der Industriellen Revolution oder mit der Verschmutzung der Luft durch Industrie zu tun. Das sind alte Sachen.

Wie alt?
Auch 3.000 Jahre und älter.

Werden diese Ergebnisse ihre zukünftige Arbeit beeinflussen? Wie geht’s weiter?
Wir werden auf jeden Fall weiterhin Permafrostgebiete untersuchen. Vor allem was die Gefahren im Hochgebirge anbelangt. Ich habe auch gesehen, dass unsere Kollegen, die beispielsweise die Flora und Fauna in den Hochgebirgsseen untersuchen, und mit denen wir jetzt eng zusammenarbeiten, hellhörig geworden sind. Wir haben festgestellt, dass es offensichtlich Unterschiede gibt, ob das Wasser von Blockgletschern oder von einem normalen Gletscher stammt. Jetzt werden wir schauen was da draus wird. Auf jeden Fall werden wir das weiterhin untersuchen.

Wie waren die Reaktionen in wissenschaftlichen Kreisen auf diese Studien?
Das war ganz interessant. Wir haben 2005 das erste Mal eine Studie publiziert, die sagte, dass diese hohen Schwermetallgehalte möglicherweise aus den Permafrostarealen kommen. Diese hat man uns fast nicht publizieren lassen, die Reaktion der Wissenschaftler war sehr skeptisch und es gab eine sehr harte Diskussion darum. Die Studie ist dann doch gedruckt worden. Inzwischen haben wir diese These auch bewiesen und ich denke mal, dass wir jetzt als Arbeitsgruppe akzeptiert sind. Das zeigt auch, dass viele Leute mit uns zusammenarbeiten wollen – europaweit. Ich denke, das war ein positiver Impuls den wir da gegeben haben.

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