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Veröffentlicht
am 08.01.2015
LebenKommentar zu Astrologie-Interview

Der Einfluss der Gestirne

Veröffentlicht
am 08.01.2015
„Astrologie ist keine Wissenschaft, sondern nichts anderes als eine spirituelle Gestirnsreligion“, sagt der Bozner Astrophysiker David Gruber.
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Über dem Very Large Telescope (VLT) am Paranal-Observatorium der ESO scheinen drei helle Gestirne. Der Mond leuchtet am stärksten, gefolgt von den Planeten Venus in …

Unser Interview mit der Astrologin Astrid Aichner hat vor allem bei unserer Twitter-Gemeinde für Diskussionen gesorgt. David Gruber (@antisophista) ist Astrophysiker am Planetarium Südtirol in Karneid und hat uns folgenden Text geschickt, den wir hier vollinhaltich wiedergeben.

Unser Universum ist faszinierend. Blicken wir hinauf zu den funkelnden Sternen, zum prächtigen Mond oder der anmutigen Milchstraße, überkommt uns ein Gefühl der Begeisterung und des Staunens. Quer durch die Geschichte der Menschheit haben wir die Gestirne bewundert, uns mit ihnen beschäftigt und sie untersucht. In der Antike galt der Himmel als beseelt und nur wer die Himmelsabläufe verstand, erkannte darin den Willen der Götter.
Noch heute glaubt so manch einer an einen Einfluss der Gestirne auf uns Menschen, unser Leben und unsere Zukunft.

Der Mond

Insbesondere der Mond hat es uns aus naheliegenden Gründen angetan. Schließlich ist er ja auch die beeindruckendste Gestalt am Firmament und verändert zudem regelmäßig seine Lichtgestalt. Unterschiedlichste Einflüsse werden dem Mond unterstellt. Eines der häufigsten Argumente der AstrologInnen involviert das Wasser: Da der Mond einen großen Effekt auf die Weltmeere hat und diese aus Wasser bestehen, der Mensch auch aus etwa 50 bis 65 Prozent Wasser besteht, müsse der Mond ja zwangsläufig einen Einfluss auf uns haben.

Aus physikalischer Sicht ist die Sachlage eindeutig: Der Mond hat auf Grund seiner Massenanziehung einen Einfluss auf Ebbe und Flut. Berechnet man nun aber die Gezeitenkraft, die der Mond auf uns Menschen ausübt, so ist diese auf Grund seiner Entfernung äußerst gering. Es kann mathematisch sehr schnell gezeigt und berechnet werden, dass eine Haarschuppe eine vergleichbare Last auf uns ausübt.
Was für den Mond gilt, ist bei den weiter entfernten Planeten noch viel eklatanter. Es ist nicht einzusehen, warum der Mond bzw. die Planeten in ein Horoskop aufgenommen werden, während andere massenbehafteten Variablen (zum Beispiel das Spital, die Hebamme, die Ärztin) unberücksichtigt bleiben.

Woher wissen die AstrologInnen eigentlich WELCHE Himmelskörper für ein Horoskop verwendet werden müssen? Warum ist zum Beispiel Pluto für ein Geburtshoroskop wichtig, aber nicht die viel massereicheren und größeren Monde des Jupiter? Auch zwischen Mars und Jupiter befinden sich über 600.000 Asteroiden, die großteils nicht berücksichtigt werden. Nicht nur das: Es werden sogar fiktive Planeten (Cupidos, Kronos, Admetos, Vulkanus, … ) eingezeichnet, statt beispielsweise real existierende Exoplaneten (Planeten, die um andere Sterne kreisen) einzubeziehen. Da offensichtlich Masse und Entfernung (und andere physikalische Größen) in der Ausarbeitung der Horoskope keine Rolle spielen, kann man sich fragen, nach welchen Kriterien überhaupt vorgegangen wird.

Die Zeitqualität.

Damit konfrontiert, weichen viele AstrologInnen in eine Symbolik des „Anzeigens“ aus. Die Planeten bewirkten eigentlich nichts in direkter Art und Weise, sondern sie zeigten lediglich an. Im Prinzip wie eine Uhr, die ja auch keine Zeit macht, sondern sie lediglich anzeigt. Ähnlich kann also der/die AstrologIn die „Qualität der Zeit“ aus Erfahrung und Beobachtung vergangener Konstellationen bestimmen, so das Argument.
Es ist aber absurd vor der Kategorie der Kausalität in die Kategorie der Symbolisierung zu flüchten. Wenn jemand behauptet: A zeigt B an”, dann wird zwar tatsächlich nicht unbedingt behauptet, dass A die Ursache von B ist; aber doch, dass „A von B” oder „B von A” in irgendeiner Weise kausal abhängt. (Oder, dass A und B von einer gemeinsamen dritten Ursache abhängen.) Es ist eine Täuschung, zu glauben, dass man mit der Rede vom „Anzeigen” kausalen Analysen entkommen könnte!

Das Argument der Astrologie als Erfahrungswissenschaft steht auch sonst auf wackeligen Beinen. Bedenkt man, dass Pluto erst 1930 entdeckt wurde und circa 250 Jahre braucht die Sonne einmal zu umkreisen, kann man sich nur wundern, wie die AstrologInnen jemals eine Deutung für Pluto ableiten konnten. Er hat ja erst ein Drittel seines Weges zurückgelegt und stand in den meisten Tierkreiszeichen also noch überhaupt nicht.

Und wie ist das jetzt mit den Sternzeichen?

Höchstwahrscheinlich kennt jedeR von uns sein Sternzeichen. Ein landläufiger und weit verbreiteter Irrtum ist aber, dass diese Stern“zeichen“ in irgendeiner Weise mit den Sternbildern“ am Himmel zusammenhängen, denn die Sternzeichen – auch Tierkreiszeichen genannt – tragen ihren Namen aus rein historischen Gründen. Sie entsprechen heute schlicht bestimmten Zeiträumen im Kalender und beruhen auf einer rein geometrischen Aufteilung des Himmels in zwölf gleich große Regionen à 30 Grad. Tatsächlich befindet sich die Sonne zum Zeitpunkt der Geburt – daraus sind diese Sternzeichen ja ursprünglich abgeleitet – heute in ganz anderen Sternbildern als noch zu Ptolemäus’ Zeiten. Wer also beispielsweise glaubt, er/sie sei ein „Stier“, liegt knapp daneben, denn die Sonne befindet sich vom 19. April bis 14. Mai nicht im Stier, sondern eben im Sternbild des Widders. So haben auch die vermeintlichen „Schützen“ Pech gehabt, denn die Sonne durchwandert vom 30. November bis 18. Dezember sogar ein 13. ekliptikales Sternbild namens „Schlangenträger“.
Geburtshoroskope sind zudem diskriminierend, da ja angeblich der Geburtszeitpunkt für die Eigenschaften, Charakteristika und das Persönlichkeitsbild eines Menschen entscheidend sein soll, worüber man aber genauso wenig selbst entscheiden kann wie über Hautfarbe, Geschlecht, kulturelle Herkunft. Sowie es nicht zulässig ist, einen Menschen anhand dieser Eigenschaften a priori zu beurteilen oder zu bewerten, genauso wenig kann und soll dies mittels des Geburtszeitpunktes und einem daraus abgeleiteten Horoskop geschehen.

Empirische Überprüfung.

Wissenschaft wäre nicht Wissenschaft, wenn sie die Aussagen der AstrologInnen nicht überprüft hätte. Dazu gäbe es gleich mehrere Beispiele zu nennen, hier mal die zwei wichtigsten:

Shawn Carlson und Kollegen haben im Jahre 1985 eine Studie in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. Das besondere dieser Doppelblind-Studie war, dass

  • a) das Studiendesign in Absprache mit den 28 besten AstrologInnen Europas und der USA (ausgewählt durch das National Council for Geocosmic Research) geschah und
  • b) nur Versuchspersonen in die Studie aufgenommen wurden, die der Astrologie nicht skeptisch gegenüber standen.

Im ersten Teil mussten die Versuchspersonen aus drei ihnen vorliegenden Horoskopen (eines für ihren Geburtszeitpunkt bestimmt, die anderen beiden aus zufälligen Daten generiert) ihres herausfinden. Im zweiten Teil wurden dann die AstrologInnen getestet. Sie erhielten das Geburtshoroskop und drei Persönlichkeitsprofile, die anhand eines Persönlichkeitstests durch das California Personality Inventory erstellt wurden. Sowohl die Treffer der Versuchspersonen, als auch die Treffer der AstrologInnen waren in beiden Teilen nicht besser als die Zufallswahrscheinlichkeit. Somit liegt die Schlussfolgerung von Carlson et al. auf der Hand: Astrologie funktioniert nicht besser als der Zufall.

Eine zweite beeindruckende Studie ist jene von Dean und Kelly, erschienen im Jahre 2003. Es wurden über 2100 Personen untersucht, die zwischen dem 3. und 9. März 1958 in London geboren wurden. Der durchschnittliche Abstand von einer Geburt zur nächsten betrug etwa fünf Minuten, was bedeutete dass diese Personen praktisch das idente Geburtshoroskop haben müssen – man spricht hierbei von so genannten „Zeitzwillingen“. Mit elf, 16 und 23 Jahren wurden diese Zeitzwillinge immer wieder auf über 110 Variablen (Intelligenz, Lesefähigkeit, Ängstlichkeit, Aggressivität, Größe, Gewicht, Hörvermögen …) getestet. Mittels serieller Korrelationsanalyse zwischen den Zeitzwillings-Paaren (also AB, BC, CD …) wurde nun getestet, ob diese Zeitzwillinge eben Gemeinsamkeiten aufweisen. Es wurde aber kein Zusammenhang festgestellt. Der Psychologe Dr. Andreas Hergovich sagt treffend in seinem Buch „Die Psychologie der Astrologie“: „Die Astrologie steht und fällt mit den Zeitzwillingen (wann jemals sollten sich Menschen aus astrologischer Sicht ähnlicher sein, als wenn sie das gleiche Horoskop haben?) […]“

Psychologische Mechanismen.

Nun schwören aber doch viele auf die Astrologie. Sie funktioniere ja doch, irgendwie, behaupten einige.
Es würde zu weit führen, hier alle psychologischen Gründe aufzuführen, die gegebenenfalls erklären könnten, warum Astrologie scheinbar funktioniert. Hergovich nennt in Tabelle 22 seines Buches (siehe unten) einige mögliche Mechanismen. So unter anderen den „Barnum Effekt“ (allgemeine Aussagen werden als persönlich zutreffend empfunden), „Rückschaufehler“ (im Nachhinein kann jede/r AstrologIn alle Ereignisse aus dem Horoskop herauslesen), „Confirmation-Bias“ (korrekte Aussagen werden registriert, der Rest ignoriert), „Selbsterfüllende Prophezeiung“ (Vorhersagen der Astrologie werden durch den Glauben daran zur sozialen Realität, indem sich die Menschen an die Ratschläge des/der AstrologIn halten) und viele mehr.

Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass Astrologie keine Wissenschaft ist, sondern im Wesentlichen nichts anderes als eine „spirituelle Gestirnsreligion“. Der Astrologiegläubige richtet seinen Alltag anhand der Planetenkonstellationen aus und befragt die „Planetengötter“ vor wichtigen Entscheidungen oder nach unerklärlichen Ereignissen.

Überzeugen werde ich hier wohl keinen einzigen Astrologie-Anhänger, aber vielleicht kann dieser Text ein wenig zum Nachdenken anregen. Aus meiner Sicht hat sich die Astrologie ihren Platz in der heutigen Gesellschaft nicht verdient. Das Weltall ist auch ohne die nachweislich falschen Behauptungen der Astrologie wirklich äußerst faszinierend.

Quellen:

von David Gruber, Astrophysiker aus Bozen

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