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Matthias Mayr
Veröffentlicht
am 18.11.2013
LebenEin Tag in ...

Das Dorf der Großkopfeten

Veröffentlicht
am 18.11.2013
Warum wimmelt es in Montan nur so von „Berühmtheiten"? Ist es die Sonne, die Streitkultur oder gar der beste Rote? BARFUSS hat sich umgeschaut.
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Montan ist ein schmuckes Dörfchen am Osthang des Südtiroler Unterlandes, etwas oberhalb von Neumarkt. Eineinhalb tausend Einwohner, enge, verwinkelte Gassen und die sonnige Lage prägen den Ort, der Persönlichkeiten im Überfluss hervorbringt.
Die Liste der Berühmtheiten ist lang: Brigitte Foppa war jahrelange Sprecherin der Grünen und wurde bei den vergangenen Wahlen für ihre Partei in den Landtag gewählt. Leo Tiefenthaler stammt vom Gaiahof im Herzen Montans und ist Obmann des Südtiroler Bauernbundes. Ulrike Tappeiner ist Dekanin der Fakultät für Biologie an der Uni Innsbruck und Leiterin des Institutes für Alpine Umwelt an der Eurac. Ihr Vater Siegfried war Chef des Südtiroler Sängerbundes und ist Ehrenpräsident der Arbeitsgemeinschaft alpenländischer Chorverbände. Ihr Mann Gottfried Tappeiner ist zwar ein Vinschger, aber der Studienleiter der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik an der Uni Innsbruck und Präsident von Pensplan bewohnt mit seiner Ehefrau ein Haus in Montan. Nicht zu vergessen die Gebrüder Thaler. Der eine, Elmar, ist Landeskommandant der Schützen, der andere, Werner, ist Sprecher der Süd-Tiroler Freiheit. Man kann gar nicht alle aufzählen: Ex-Bürgermeister Luis Amort ist Geschäftsführer der Selnet, Anton Dalvai ist Landesobmann der Hoteliers- und Gastwirtejugend und auch Ulrich Santa, Direktor der Klimahausagentur, hat immerhin sein Häuschen in Montan.

„di oan“ und „die ondern“

Das Dorf lässt sich nicht mit zwei Worten beschreiben. Es ist kein Talort, aber auch kein Bergdorf. Größtenteils deutschsprachig, aber nicht nur: Die Straße aus dem Fleimstal hat Spuren hinterlassen. Einen Bruch gibt es auch innerhalb der Dorfgemeinschaft: Schon in den 1980er-Jahren spaltete sich die SVP in Bauern und Wirtschaftsflügel („di oan“ und „di ondern“), Auslöser aber nicht Ursache war der Bau des neuen Gemeindehauses.
Brigitte Foppa ist eine waschechte Montanerin, als Grüne und Frauenrechtlerin aber auch nicht die typische Dorfbewohnerin. Sie sieht in diesem Konflikt, der vom Vater auf den Sohn weitervererbt wird, den Grund für den Montaner Erfolg: „Wir sind streitbare Charaktere, haben keine Angst vor Konfrontationen. Wir wissen, was wir wollen, deshalb können wir uns gut durchsetzen.“
Diese Konflikte führen heute aber nicht mehr zu unüberwindbaren Gräben, sondern sind Ansporn. An den Reibungsflächen lässt es sich trefflich wachsen. Bestes Beispiel ist das Montaner Dorfblatt, das von Foppa und Werner Thaler gemeinsam herausgegeben wird, über Parteigrenzen und Ideologien hinweg. Die Montaner halten zusammen. Eine Mischung aus Selbstbewusstsein und Unterlandler Gemütlichkeit.

Tolomei sorgt für Zündstoff

Alle haben sich dann aber doch nicht lieb. Der umstrittenste Montaner ist auch der berühmteste: Ettore Tolomei. Der Journalist, Geograf, Politiker und Senator wurde zwar nicht in Montan geboren, sondern in Rovereto (wo damals noch die Habsburger das Sagen hatten), aber schon 1906 kaufte er den Thalerhof in der Fraktion Glen, der zukünftig sein Domizil sein sollte. Als „Maso Thaler“ natürlich.
Heute liegt Tolomei auf dem Montaner Friedhof begraben. Es ist ein schmucker Ortsfriedhof, kleine Gräber, Eisenkreuze, eine schlichte Kapelle. Neben der ein Monstrum aus Granit steht, Tolomeis Sarkophag. Dafür hat man extra die Umfriedung aufgebrochen, das Grab liegt außerhalb des eigentlichen Friedhofs. Von hier betrachtet er das Unterland, hat die Salurner Klause im Blick, und denkt über jene Orts- und Familiennamen nach, über die es sich noch heute trefflich streiten lässt. Und weil er mit seinem Werk die Hiesigen nicht in Ruhe schlafen lässt, haben auch sie ihn schon zweimal mit Sprengstoff aus dem Schlaf gerissen. Worauf er ein paar Meter weiter in den Bäumen hing, erinnert sich der Friedhofswärter.

Beim Blauburgunder kommen die Leute zusammen

Über Montan könnte man viele Geschichten erzählen. Über die Bäckerei am Dorfplatz, in die man gelangt, wenn man eine kleine Brücke über- und eine Wohnung durchquert, und in der es die besten Mataner Breatlen geben soll. Über den Pamperfranco, der in den Achtzigern nackt in der ff posierte. Oder über das schmucke Schloss Enn oberhalb des Dorfes und seinen kürzlich verstorbenen Schlossherrn Baron Ernesto Rubin de Cervin Albrizzi. Über die prähistorische Siedlung Castelfeder, und natürlich über den Blauburgunder.
Denn was den Traminern ihr G’würzer, ist den Montanern ihr Blauburgunder. Auch jener des Thalerhofes. Der ist heute ein bekanntes Weingut. Bekannt wegen seines ehemaligen Besitzers, aber auch wegen seiner Weine. Der kinderlose Tolomei vererbte den Hof an seine zwei Neffen, heute gehört er seiner Großnichte, die ihn gemeinsam mit ihrem Mann und den beiden Söhnen führt. Einer der Weine des Hofes ist der Blauburgunder, eine Sorte, für die Montan weitum bekannt ist. Für die Montaner ist Tolomei und sein Erbe weniger ein Problem, als für den Rest des Landes.

Als wir Montan besuchen, lässt sich leider beobachten, was auch viele andere Dörfer prägt. Obwohl es ein sonniger Tag im Spätherbst ist, ist kaum jemand auf den Straßen unterwegs, die Gasthäuser sind leer. Das mag an der Wirtschaftslage liegen, an den Alkoholkontrollen, an der vielzitierten Vereinsamung und dem Rückzug ins Private. Den „richtigen“ Montanern begegnet man ohnehin nicht auf der Straße, sondern abends in irgendeinem Weinkeller. Wo sie mit einem ordentlichen Blauburgunder anstoßen. Denn beim Wein, da kommen die Leute zusammen, sagt Brigitte Foppa. Und vielleicht stoßen sie auch ab und zu mit einem „Maso Thaler“ an. Mehr Eintracht geht nicht.

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