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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 22.07.2014
LebenEin Tag im Tierheim

Bei Hund und Katz

Veröffentlicht
am 22.07.2014
Im Tierheim Naturns warten Tiere auf ein neues Zuhause. Wir haben dort einen Tag lang angepackt und Menschen und Tiere dahinter kennengelernt.
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Bettina mit Kater Cherry

Es ist halb neun Uhr in der Früh und es regnet. Keine Spur von einem Sommertag. Schon als ich aus dem Auto steige, höre ich nur eines: Bellen. Von tiefem Gebell bis zu hohem Kläffen. Wild durcheinander und aufgeregt. Ich stehe vor dem Tierheim Naturns. Das letzte Mal war ich vor Jahren für ein Praktikum hier. Ich weiß, die Hunde bellen bei jedem Besuch. Sie sind aufgeregt, freuen sich, es bedeutet aber auch Stress für sie.
Bettina Marth öffnet mir die Tür. Sie ist das Herz des Tierheimes, ist Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr für die Vierbeiner in diesem Haus zuständig, seit sie es 2007 zusammen mit ihrem Mann vor der Schließung gerettet hat. Wir gehen in die Küche, um den Tagesablauf zu besprechen. „Zurzeit leben hier zehn Hunde und neun Katzen. Die Zahlen schwanken bei uns aber wie in einer Ersten Hilfe“, sagt Bettina und macht mir erst einmal einen Kaffee. Ich streichle Wuschel, den großen braunen Mischling, der ganz friedlich unter dem Tisch liegt. Regelmäßig werden die Hunde mit in die Küche genommen, um sie an die Umgebung zu gewöhnen.

Der Ferrari unter den Hunden

Ich soll mich heute um das Katzenhaus kümmern, denn für Hundespaziergänge regnet es zu stark. Es muss geputzt, die Katzen müssen gefüttert und die Klos gesäubert werden. Jede Menge Arbeit, die einem Spaß machen muss. Eine, die diese Arbeit gerne macht, ist Nadja. Sie ist im Vorstand des Vereins Tierheim Naturns Onlus und arbeitet regelmäßig ehrenamtlich im Tierheim mit. Während ich die Decken von den Katzenhaaren befreie, kommen wir ins Gespräch. Sie hat selbst Hunde und Katzen und arbeitet gerne mit Tieren. Immer wieder streichelt sie die Katzen und spielt mit ihnen. Der einjährige schwarze Kater Cherry folgt uns die ganze Zeit über neugierig auf Schritt und Tritt. Als wir mit den Säuberungsarbeiten fertig sind, ist auch schon Mittagszeit. Nadja kocht. „Wir haben wenige Hunde, damit wir uns besser um sie kümmern können“, erklärt Bettina. Zusammen mit zahlreichen Freiwilligen, Spaziergängern, Paten für die Tiere und Vereinsmitgliedern gibt sie Hunden, denen es in der Vergangenheit nicht gut ging, die Möglichkeit, dass sie wieder vermittelbar werden. Einige haben kaum eine Chance auf ein neues Heim. Traurig, aber wahr: einige Menschen geben ihre Tiere im Tierheim ab, wenn sie alt sind – zum Sterben sozusagen.

Hat Bettina einen Hund besonders ins Herz geschlossen, will ich wissen. „Wenn ich zu diesem Hund gehe, ist das mein Liebling“, sagt sie und zeigt auf einen deutschen Schäferhund, der neugierig an den Zaun kommt. „Wenn ich zu dem gehe, dann ist es dieser.“ Sie lacht. Wir sind an einer Box mit zwei Hunden angelangt. Einem Mischling und einer Schäferhündin. Bei dieser wünsche sich die Tierschützerin besonders, dass sie einen Platz bekommt. Sie heißt Sarah und ist eine Vorzeigeschülerin. Sie beherrscht zahlreiche Kommandos, hat viele Schulen besucht, nur den zu ihr passenden Mensch findet sich nicht. „Sarah ist der Ferrari unter den Hunden und es braucht jemanden, der damit fahren kann“, sagt Bettina und lacht. Sie mag die viele Arbeit hier im Tierheim, das aber auch hohe Kosten verursacht. Futter und Pflege der Tiere wären ohne freiwillige Spenden und den Beitrag vom Land nicht möglich. Gefördert werden allerdings die Vermittlungen. Das sei ein Problem für das Tierheim, denn hier wird Wert auf Qualität anstatt auf Quantität gelegt. Jedes Jahr finden dennoch 100 bis 150 Tiere einen neuen Platz. „Und das ist für unser kleines Tierheim doch eine schöne Leistung“, findet Bettina.

Von Scheidungstieren und Ungerechtigkeiten

Die Finanzierung ist nicht das einzige Problem, um das sich Bettina sorgt. Nach 26 Jahren wurde einfach die Zufahrt zum Heim gesperrt. Und auch ihr Einsatz für den Tierschutz belastet sie zusehends. „Ich sollte zufrieden sein mit dem, was ich erreiche, aber das kann ich nicht“, so Bettina, die über die Zustände hierzulande entsetzt ist. Tiere werden an der Kette gehalten, Hunde und Katzen einfach „weggeschafft“ und dann werde erzählt, das Tier sei alleine gestorben oder entlaufen. Bettina hat in all den Jahren bereits einiges miterlebt. „Bei jedem Fall, den ich höre, nimmt es mich mit“, sagt sie. Wir kommen auf den Fall Obelix zu sprechen, der hunderte Tierfreunde im ganzen Land noch immer empört. Obelix wurde vom Tierheim Naturns ins Ahrntal vermittelt. Dort kam der Berner Sennenhund aber nie an. Die Tochter der Adoptantin hatte den Hund abgeholt und ihn nach Sterzing gebracht. Nach wenigen Tagen wurde er eingeschläfert, weil er ein Familienmitglied gebissen haben soll. „Der Tod von Obelix war ungerecht, unnütz und illegal“, so Bettina. Bei einer Einschläferung müssten eigentlich ein Mitarbeiter vom tierärztlichen Dienst, ein Tierpsychologe und der eigene Tierarzt dabei sein. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Und auch wenn ein Hund gefährlich sei, müsse der Besitzer, in diesem Fall immer noch das Tierheim, anwesend sein. Deswegen hat Bettina gemeinsam mit der Lega Antivivisezioni (LAV) Anzeige erstattet. Geklärt ist der Fall noch nicht.

Jetzt beginnt die Besuchszeit. Ein Paar ist mit seinem Sohn trotz strömendem Regen ins Tierheim gekommen. Sie interessieren sich für eine Katze. Bettina stellt einige Fragen, die für eine Adoption wichtig sind. Schließlich sollen die Tiere möglichst das letzte Mal vermittelt werden. Kommt die Familie in die engere Auswahl, muss sie eine Checkliste von drei Seiten ausfüllen. „Man hat uns schon vorgeworfen, dass wir fragen, was die Leute für Unterhosen anhaben“, sagt Bettina und lacht. Das stimmt natürlich nicht. Aber Fragen, wer im Haushalt wohnt und wo der Hund hinkommt, falls sich ein Paar trennt, gehören dazu. „Viele drehen bei dieser Frage durch“, so Bettina. Die vielen Scheidungstiere, die im Tierheim landen, geben der Frage aber recht. Jetzt kommt ein junger Bozner zu uns dazu. Er beschäftigt sich einmal pro Woche mit den Hunden. Auch Hundetrainerin Claudia arbeitet ehrenamtlich mit. Bettina freut sich über die Unterstützung und verrät abschließend noch ihren großen Wunsch: „Irgendwann möchte ich ein Altersheim für Tiere haben, wo man alle aufnehmen kann, die sonst keiner will.“ Als ich gehe, bellen wieder alle Hunde. Ein schöner Abschied.

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