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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 25.08.2015
LebenIntegration trifft Upcycling

„Die Frauen wollen etwas tun“

Veröffentlicht
am 25.08.2015
Eine Werkstatt in Mühlbach bringt Frauen mit und ohne Migrationshintergrund an einen Tisch. Gemeinsam gestalten sie aus Recyclingmaterialien Neues.
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Farida, Sandra und Carolin in der Werkstatt in Mühlbach.

Die Nähmaschine ist in die Jahre gekommen, ihre Nadel rattert über den dicken, weichen Stoff. Eine Näherin sitzt konzentriert davor und blickt durch die Brillengläser auf den Faden, der mit schnellen Stichen in den Stoff dringt. Es ist die Steppdecke einer Kundin, die Farida näht. Ihre Handgriffe sind geübt, dabei hat sie erst vor zwei Jahren in dieser kleinen, bunt zusammengewürfelten Werkstatt nähen gelernt. In Mühlbach treffen sich Frauen verschiedener Altersschichten und Länder zum gemeinsamen Handarbeiten, vor allem aber, um sich auszutauschen. Marieta nennt sich die Werkstatt – Marienkäfer auf Katalanisch.

Ein neues Leben

Farida wirkt schüchtern, viel redet sie nicht in ihrem gebrochenem Italienisch. An anderen Tagen sieht das anders aus, denn normalerweise ist hier mehr los. Vormittags an Dienstagen und Donnerstagen öffnet die Frauenwerkstatt. Dann treffen sich fünf bis sechs Frauen vor den Nähmaschinen am Tisch vorm Fenster. Die meisten von ihnen stammen aus Marokko oder Pakistan – so wie Farida. Vor sieben Jahren und fünf Monaten, daran kann sie sich noch genau erinnern, kam ihr Mann der Arbeit wegen nach Mühlbach. Und mit ihm seine Frau und die gemeinsamen drei Kinder, die zwischen 14 und 23 Jahre alt sind. Farida ist gerne in der Werkstatt, wenn sie nicht gerade zu Hause gebraucht wird. Heute Nachmittag sind neben ihr nur noch die beiden Vorstandsmitglieder von Marieta, Susanne Rieder und Sandra Costa, sowie Carolin hier, die einzige gebürtige Mühlbacherin, die regelmäßig aktiv mitarbeitet. Gerade strickt sie Socken. Ihr gefällt vor allem der Austausch mit den Frauen. „Handwerken allein könnte ich zu Hause auch“, sagt die junge Frau.

Für ein besseres Zusammenleben

Taschen aus zusammengenähten Krawatten, Hemden, BH’s oder alten Regenschirmen, gehäkelte Topflappen, Kissen aus bunten Stoffresten und beklebte Einweggläser: Die Werkstatt ist voll mit Handarbeiten. Sie alle sind aus Recyclingmaterial gefertigt, genauso wie die Einrichtungsgegenstände. Die kreativen Ideen dazu gehen Costa nicht aus. Die gebürtige Portugiesin, die in der Schweiz aufgewachsen ist, arbeitet zweimal pro Woche in der Werkstatt und kümmert sich um neue Kreationen. Regelmäßig spricht sie auch Dorfbewohnerinnen auf das Projekt an, bewegt sie dazu, mitzumachen und hilft, Berührungsängste abzubauen.

„Die Frauen wollten nicht nur herumsitzen und Kaffee trinken, sondern etwas tun“, sagt Costa.

Marieta gibt es seit zwei Jahren. Seit Anfang des Jahres trägt sie den neuen Namen. Angefangen hat alles mit einem interkulturellen Treffen im Haus der Solidarität in Brixen, aus dem der Verein StoffArt hervorgegangen ist. „Die Frauen wollten nicht nur herumsitzen und Kaffee trinken, sondern etwas tun“, sagt Costa. Mit Unterstützung der Gemeindeverwaltung Mühlbach, die die Hälfte der Miete übernimmt, dem Brixner Volontariatsverein PUNKT und der Sozialgenossenschaft RENOVAS wurde die Nähwerkstatt schließlich realisiert. Marieta ist für viele Frauen ein wertvoller Treffpunkt und der Schlüssel zur Integration geworden – manche hatten vorher in ihrem Dorf kaum Anschluss gefunden und verbrachten die meiste Zeit zu Hause. Nun haben sie einen geschützten Raum, in dem sie sich treffen und unbeschwert austauschen können.

Die Mitarbeiterinnen aus Mühlbach und der näheren Umgebung arbeiten ehrenamtlich für Marieta. Geld für die Handarbeit bekommt hier niemand. Lediglich die Fahrkosten werden erstattet. Mit dem Erlös der gebastelten und genähten Produkte hält sich der Verein gerade so über Wasser. „Langfristig wollen wir das Projekt aber durch den Verkauf der genähten Produkte finanzieren“, sagt Costa und zeigt stolz eine Reihe von Ketten mit Anhängern aus Fingerhüten und Stoff, bemalte Brillengläser und Ringe mit aufgeklebten Computertasten. Alles aus Material, das im Müll gelandet wäre. „Wir wollen zeigen, dass wir heutzutage viel zu viel wegwerfen“, meint Costa. Neue Materialien kann sich die Werkstatt auch nicht leisten. Regelmäßig kommen Dorfbewohner und spenden Kleider oder Stoffreste. „Was wir für die Werkstatt nicht brauchen, nehmen die Frauen mit. Der Rest wird verarbeitet“, sagt Costa.

„Mittlerweile kennt uns hier in Mühlbach jeder“, sagt Costa. Ziel ist es, das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in der Gemeinde zu erleichtern. Bei der Bevölkerung komme das innovative Integrationsprojekt gut an.

Bei Marieta kann jeder vorbeikommen und mitarbeiten. Geöffnet ist am Dienstag und Donnerstag jeweils von 9.00 bis 15.30 Uhr und am Donnerstag von 20.00 bis 22.00 Uhr.

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