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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 24.04.2019
Meinung40 Wochen

Superheld mit Brüsten

Veröffentlicht
am 24.04.2019
Bevor Herzmensch kam, wusste ich nichts von den Superkräften, die mich mit allen Müttern dieser Welt verbinden.
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Ich sitze barbusig im Empfangsbüro des Patronats und stille. Mit der einen Hand wische ich dem kotzenden Herzmenschlein, das im meterlangen Wirrwarr eines offenen Tragetuchs geradezu verschwindet, die halb-verdauten Milchreste vom Mund. Mit der anderen grabe ich tief im vollen Rucksack und versuche, zwischen Stoffwindeln, Wasserflaschen und Babyklamotten die Steuernummer des kleinen Erdenbürgers zu finden. Gleichzeitig beantworte ich die Fragen der angestrengten Bürodame und hoffe, dass ich alle nötigen Papiere mitgebracht habe, um mir meine mickrigen fünf Monate Mutterschaftsgeld zu erhaschen. Und das alles muss natürlich möglichst schnell gehen, damit die Schlange wartender Menschen hinter mir nicht noch länger wird.

Mit einer sonnigen Parkbank haben der harte Plastikstuhl unter meinem Gesäß und die stickige Luft des Büros reichlich wenig zu tun, doch das Stillen klappt mittlerweile immer und überall problemlos. Und ist außerdem das kleinste Problem, das nach einem Monat mit Herzmensch übrig bleibt.

„Ein kleines Wesen, das weder sprechen, noch alleine gehen oder essen kann, hat mich als erste Person in meinem Leben komplett unterworfen.“

Nach nur 30 Tagen könnte ich wahrscheinlich ein Büchlein füllen mit Szenen wie diesen. Szenen, in denen ich mich in einem einzigen Augenblick in fünf verschiedene Lisas teile und souverän Situationen meistere, die mich vor 44 Wochen noch komplett überfordert hätten.

Doch Herzmensch hat es geschafft: Ein kleines Wesen, das weder sprechen, noch alleine gehen oder essen kann, hat mich als erste Person in meinem Leben komplett unterworfen. Und obwohl er ziemlich umgänglich ist und, wenn seine Bedürfnisse gestillt sind, die meiste Zeit nur brav in der Gegend herumschaut oder schläft, ist mein neuer Chef ziemlich gut darin, mich an und vor allem über meine Grenzen zu bringen.

So bin ich mittlerweile nicht nur zur Weltmeisterin im Multitasking avanciert, sondern hätte mir auch noch ein Treppchen für meine Disziplin, meine Aufmerksamkeit und vor allem mein Durchhaltevermögen verdient. Denn sogar mit vier Stunden Schlaf, einer vollen Blase und höllischem Kohldampf bin ich unter Babygeschrei noch meistens gut gelaunt und begegne dem kleinen Herzmenschen mit innerer Ruhe.

Außerdem habe ich endgültig gelernt, was Geduld bedeutet und Zeitmanagement zu meinem neuen Hobby gemacht. Zwei Stunden Stillpause mögen zwar nach viel klingen. Sie dauern aber gefühlt nicht länger als ein Wimpernschlag, wenn man die Wohnung säubern, Wäscheberge abarbeiten, Einkäufe erledigen, Gemüse für das Mittagessen vorschnibbeln – weil man während des Kochens höchstwahrscheinlich schon wieder stillen muss – und auch noch ein paar Texte fertigstellen sollte. Aber mit all dem bin ich nicht alleine.

Von Müttern, Superkräften und Baby-Kryptoniten

Mit jeder Geburt wird nicht nur ein neuer Erdenbürger, sondern auch eine neue Mutter geboren. Ohne, dass man es überhaupt bemerkt, verabschiedet sich Wehe für Wehe ein Teil unseres alten Ichs und wird durch ein neues ersetzt. Ein selbstloseres, fürsorglicheres, mutigeres aber gleichzeitig auch ängstlicheres Ich, das sich unter einem großen, roten Superheldenmantel verbirgt und uns zu einer echten Mama macht.

Ja, wir Mütter sind Superhelden. Wir sind die Königinnen im Zähnezusammenbeißen, die Meisterinnen im Meistern. Genauso wie die Superhelden aus den Comic-Heften haben wir verborgene Superkräfte und einen echten Kryptoniten. Der ist jedoch weder ein grünes Mineral noch eine sensible Ferse, sondern ein kleiner Wundermensch, der vierzig Wochen lang in uns herangewachsen ist und uns schließlich zu der Superheldin gemacht hat, die wir jetzt sind. Und so wie er uns stark macht, hält er uns gleichzeitig auch klein und macht uns verwundbar.

Was ich vorher nie verstehen konnte, spüre ich nun in jeder Zelle meines Körpers. Seit ich Herzmensch das erste Mal in meinen Armen gehalten habe, fühle ich mich nicht nur unsterblich, sondern begreife erst richtig, was es bedeutet, Mutter zu sein. Noch nie habe ich mich meiner Mama so nahe gefühlt wie heute. Ich habe endlich verstanden, was diese Frau in ihrem Leben geleistet hat. Wie leicht es ihr gefallen ist, bedingungslos zu lieben und wie schwer, uns wieder loszulassen. Plötzlich erscheint sie mir wie Wonderwoman in einem goldenen Scheinwerferlicht. Ich bin stolz auf sie und ein bisschen auch auf mich und alle anderen Mütter dieser Welt.

Mutter zu werden ist ein Geschenk und zugleich die schwierigste Aufgabe, die einem das Leben wohl stellen kann – in vielerlei Hinsicht. Aber zum Glück entdecken wir früher oder später alle unsere verborgenen Superkräfte.

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