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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 09.05.2014
MeinungFilm ab!

Nymphomaniac II

Veröffentlicht
am 09.05.2014
Blümchensex gehört der Vergangenheit an. 40 römische Peitschenhiebe und Geschlechtsverkehr mit Fremden zeichnen unserer Gesellschaft aus. Oder doch nicht?
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Vor mehr als einem Monat, im ersten Teil von Nymphomaniac, haben wir Joe im karg eingerichteten Zimmer Seligmans verlassen. Auf der verzweifelten Suche nach Leidenschaft und Gefühlen beim Sex. Genau so finden wir sie im zweiten Teil wieder: Joe in ihren Erzählungen aus Wut und Orgasmusfrust mit einem feuchten Handtuch auf ihre Vagina einpeitschend, Seligman kommentierend daneben.
Doch irgendwo zwischen Teil eins und zwei sind die beiden aus dem Takt geraten. Vergleiche und Erzählung ergänzen sich nur noch stolperhaft. Lars von Triers als Porno getarnter Metaphernfilm geht in die letzte Runde.
Vorhang auf. Film ab.

Kapitel 6 The Eastern and the Western Church (The Silent Duck)

Schuld an der verlorenen Leidenschaft der Hauptdarstellerin ist wohl ihr Freund Jerôme, der sie nicht mehr befriedigen kann. Normaler Sex interessiert Joe nicht mehr, weil er ihr keinen Höhepunkt beschert. Darum lässt sie sich regelmäßig vom Sadomasochisten K. auspeitschen und verprügeln. Gegen Geld und ohne Sex versteht sich. Dafür lässt sie sogar Marcel, den gemeinsamen Sohn mit Jerôme, alleine in seinem Bettchen zu Hause liegen. Als der Kleine eines Nachts ohne Aufsicht auf den verschneiten Balkon klettert, setzt Jerôme Joe ein Ultimatum. Ihre Familie oder das verdorbene Sexleben mit Peitschenhieben von K. Joe entscheidet sich für letzteres, wodurch uns die Macht unserer Sexualität ein weiteres Mal krass vor Augen geführt wird.
Entgegen dem ersten Teil, der mehr oder minder ein Ausleben einer jugendlichen weiblichen Lust war, wird Joes Sexsucht nun mehr und mehr zum Problem. Ihre Familie ist verloren, ihre Lust bleibt unbefriedigt und ihre „Möse“ kaputt. Und zu guter Letzt schickt ihre Chefin sie auch noch in Therapie.

Kapitel 7 The Mirror

„Ich heiße Joe und ich bin Nymphomanin“, so stellt sich Joe in der ersten Sitzung vor.
Wir haben jedoch keinen Platz für Nymphomanen in unserer Gesellschaft. Das und nichts anderes schreit Nymphomaniac II durchgehend von der Kinoleinwand. Wer nicht in der richtigen Richtung des Stroms mitschwimmt, muss entweder stillschweigend sein Problem unterdrücken oder in einer verlassenen Turnhalle im Stuhlkreis mit anderen Gegenstromschwimmern darüber flüstern. Extremformen sexueller Lust, ihre Folgen und Auswirkungen auf die Gesellschaft werden in Teil zwei auffällig hell beleuchtet. Doch Joe hat keine Lust auf helles Licht, das ihr Problem ins Zentrum stellt. Mit den Worten „Ich bin eine Nymphomanin. Und ich liebe mich dafür eine zu sein. Aber vor allem liebe ich meine Möse und meine schmutzige, versaute Lust“ flieht sie ins nächste Kapitel und in eine neue Arbeit.

Kapitel 8 The Gun

Als Geldeintreiberin für ein Inkassounternehmen nutzt Joe im letzten Kapitel ihre bisherigen sexuellen Erfahrungen. Sie bringt Pädophile zum Weinen und peitscht auf nackte Ärsche ein. Bis sie eines Tages vor Jerômes Haus steht. Sie schickt ihre neue Kollegin zu ihm. Eine junge Frau namens P., die Joe eingearbeitet hat und mit der sie mittlerweile ihre lesbischen Phantasien auslebt.
Doch dieser Schuss geht nach hinten los, denn P. verlässt Joe für Jerôme. Joe überlegt nicht lange und beschließt ihren Ex in Seligmans Hinterhof zu erschießen, vergisst jedoch durchzuladen. Als Jerôme Joe im Hinterhof verprügelt und P. auf sie uriniert, schließt sich der Kreis mit dem Anfang des ersten Teils. Der Zuschauer richtet seinen Blick erneut auf die verprügelte Frau, die am Boden liegt: Joe.

Zwei Teile, ein Porno?

Als schwächerer der Geschwister Nymphomaniac stellt sich der zweite Teil am Ende heraus. Ob der Cut in der Mitte des Films wirklich notwendig war oder nur der Fassbarkeit der Blockbuster-Generation zuliebe eingefügt wurde, ist fraglich. In einem Happen gegessen, hätte Triers Meisterwerk jedoch bestimmt besser geschmeckt und die fehlende Würze im letzten Gang wäre gar nicht aufgefallen.
Im zweiten Teil fehlen schauspielerische Meisterleistungen, wie die Uma Thurmans, und metaphorische Höhepunkte von Seiten Seligmans. Sogar Joe gibt zu, dass Seligman in seinen Aussagen schwächelt. Eine Schwäche, die im gesamten zweiten Teil präsent ist. Dieser scheint die Abfahrt von einem Gipfel zu sein, den man bereits im ersten Teil erreicht hatte. Joes Niedergang und ihre Zerstörung lösen höchstens etwas Sehnsucht nach der Tiefe von Teil eins aus.
Doch die Botschaft wird trotzdem ersichtlich: Unsere ach so tolerante Westgesellschaft scheint in Wirklichkeit doch keinen Platz für Menschen wie Joe zu haben. Wer von der Norm abweicht, wird angeprangert, ausgeschlossen und in hellstem Licht beleuchtet. Auf die Probleme dieser Menschen geht niemand ein. Und sogar die einzige verständnisvolle Figur des Films, Seligman, enttäuscht am Ende durch die Hingabe an seine Triebe und wird dementsprechend bestraft.

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