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Veröffentlicht
am 13.01.2014
MeinungVergessene Jugendkultur

Nachtleben und Gewalt

Veröffentlicht
am 13.01.2014
Jugendliche und ihr Anspruch auf ein Nachtleben. Ein Gastkommentar.
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Keine Woche ohne eine Schreckensmeldung von Randalen und Schlägereien, die Kommentarseiten der Onlinemedien laufen braun an von all den entrüsteten Hobbyrassisten und denjenigen, die sich endlich ernst genommen fühlen, ja womöglich nun die Dolomiten abonnieren, um die wöchentliche Beilage „Ausländer gegen Gesetze" in ihre Stammtischpräsentationen zu kleben.

Andere Gewalt oder andere Wahrnehmung?

Dabei ist es nüchtern betrachtet nicht so, dass die Gewalt zunimmt, sondern nur, dass sie anders wahrgenommen wird. Das hat etwas mit Berichterstattung, aber auch mit der Lage des Geschehens zu tun, welche sich durch mangelndes Angebot auf immer weniger Lokale beschränkt. Als Jugendlicher, der schon einige Jahre das Nachtleben genießt, eines vorweg: Gewalt wird man immer finden, das ist nun mal so, wenn gesoffen wird und sich ein Land entscheidet, der Jugendkultur mit Gleichgültigkeit oder höchstens Ablehnung zu begegnen. Was dieses Thema aber mittlerweile so unerträglich macht, ist die immergleiche Rotation von klagenden Anwohnern auf der einen Seite, einer Jugend ohne Raum auf der anderen und irgendwo zwischen Inkompetenz und Instrumentalisierung die Politik mit Medien.

Statt verschiedene Zentren: alle in die Stadt. Es gab früher mal Einrichtungen wie etwa das Kubo: Da waren die einen dort, die anderen da, und so konnte man sich aussuchen, mit welchen Leuten man sich umgibt. Das ist mittlerweile anders. Alle zwängen sich in die Stadt, genauer gesagt auf einen begrenzten Teil der Stadt, weil es sonst einfach nichts gibt, das man tun kann. Welche Musik man hört, ob man lieber mit dem Sepp oder dem Achmed ein Bier trinkt, die ganzen Subkulturen werden in eine Gasse gezwängt und sollen dann still und friedlich Wein trinken, oder eben – noch besser – erst gar nicht das tun, was Jugendliche halt so machen, und gleich zu Hause bleiben. Nicht genug, dass mittlerweile selbst der Festival-Sommer bürokratisch geschlachtet wird (z. B. Miracle Hill), jetzt soll der Jugend auch noch prinzipiell durch Überwachung und von Sicherheitskräften begleitet das Nachtleben vorgeschrieben, kontrolliert oder ganz unterbunden werden.

Kritik als Angriff auf den Landesstolz

Der allgemeine Tenor ist doch dieser: „Ihr jungen Leute interessiert uns nicht, aber wenn ihr zu stören beginnt, müsst ihr mit Konsequenzen rechnen." Und wer diese dann tragen muss, sind nicht die wenigen Idioten, die provozieren und Schlägereien anzetteln, sondern alle anderen, die sich ja eigentlich nur mit Freunden treffen und Spaß haben wollen. Doch findet der Südtiroler ein Problem, sucht er nicht nach den Ursachen, im Gegenteil, es ist ja fast schon ein Angriff auf den Landesstolz, wenn man behauptet, dass hier etwas ganz grundlegend schief läuft. Nein, es werden Schuldige gesucht, man spielt den Entrüsteten, schüttelt arrogant den Kopf und nimmt die erstbeste und bequemste Antwort, um dann wieder den Unbeteiligten zu spielen. Augenscheinlich begrenzt sich die Wahrnehmung von Kultur bei uns nur auf Schunkelfeste und Weinverkostungen, denn dass kaum Konzerte stattfinden und nur noch sinnlose Sauferei als Beschäftigung bleibt, oder überteuerte Diskotheken, deren Türsteher mit der Anweisung, Leute nach Kleidung und Hautfarbe auszusortieren, niemals allen gerecht werden können, scheint keinem aufzufallen.

Überwachung und Rassismus als Lösung?!

Soweit so schlecht, aber das Problem nun mit Überwachungskameras und Rassimus tottrampeln zu wollen, ist mehr als unverschämt und zeugt von einer Ignoranz und Gleichgültigkeit, die mich an der Kompetenz sämtlicher beteiligter Instanzen, inklusive gewisser Medien und ihrer Inszenierung von gewalttätigen Minderheiten, nicht nur zweifeln lässt, sondern offensichtlich zeigt, wie unfähig diese Gesellschaft ist, wenn es um konstruktive Diskurse oder öffentliche Wahrnehmung überhaupt geht. Hier werden akute Themen sich selbst und den Hetzkollektiven überlassen, Beteiligte ihres Mitspracherechts beraubt und das Vertrauen sowie sozialer Frieden aufgrund von medienwirksamen Blindläufern geopfert. Würden die Südtiroler nur einen Bruchteil an Energie und Mitteln für die Allgemeinheit (in diesem Fall Jugend) aufbringen, welche sie sonst für Wirtschaft, wahlrelevante Senioren und Tourismusstandort ausgeben, dann könnten Jugendliche auch ihre Jugend genießen und ausleben.

Ein Appell an die Vernunft

Also hier ein kleiner Appell an die Vernunft: Ihr wollt Gewalt unterbinden und nicht nur Schuldige einkassieren? Fangt mal bei den wirklichen Ursachen an. Bietet der Jugend etwas und überlasst sie nicht den Theken, gebt ihnen Möglichkeiten und nicht nur die Verbote, oder mal ganz allgemein; hört auf über der Jugend hinweg zu banalisieren und dieses Problem mit Überwachung und Stigmatisierung nur noch größer zu machen. Kann doch nicht sein, dass hier wieder einmal „die Ausländer" herhalten müssen und Überwachungskameras inklusive Mikrofone ernsthaft als Lösung in Betracht gezogen werden!?

Kommentar der Antifa Meran, erschienen auf antifameran.blogspot.it

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