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Lenz Koppelstätter
Veröffentlicht
am 15.06.2013
Meinung865 Kilometer

Mein Lieblingsitaliener

Veröffentlicht
am 15.06.2013
Deutsch-italienisches Gipfeltreffen in Paolos Espresso-Bar: Berlin all'italiana – Teil 2
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Wenn Paolo anfängt zu quatschen, dann hört er nicht mehr auf. Er erzählt einem, dass Napoli wieder gewonnen hat am Wochenende und dass er mit seinen Cousins schon seit Jahren kein Wort mehr wechselt. Weil die Juventus-Fans sind. Juventus-Fans als Neapolitaner. Paolo versteht die Welt nicht mehr.

Ich habe am Anfang immer Deutsch mit Paolo gesprochen. Aus irgendeinem Grund mache ich das oft mit Italienern in Deutschland. Wahrscheinlich, weil ich nicht so klingen möchte wie ein Deutscher, der versucht mit seinen paar italienischen Wörtern zu prahlen.

Als Schüler habe ich im Sommer in Südtirol einige Zeit als Kellner gearbeitet. Da wollten die Deutschen immer mit mir Italienisch reden. Ich habe mitgemacht, dafür gab es mehr Trinkgeld. Sie redeten in einer Mischung aus Italienisch und Spanisch mit deutschem Satzbau. „Una pirrrra blanka, per favore“, sagte einer immer. „Come va la vita?“, fragte ich ihn. „Tutto pene“, antwortete er.

Irgendwann habe ich Paolo doch mal gesteckt, dass ich aus Alto Adige komme und – was unserer Freundschaft nicht unbedingt entgegen kam – dass ich Fan von Inter Mailand bin. Ich glaube, er sieht darüber hinweg.

Paolo ist mein Lieblingsitaliener. So etwas hat man ja in Deutschland: Lieblingsitaliener, Lieblingstürke, Lieblingsgrieche. Jeden Morgen gehe ich in Paolos Bar, esse ein Cornetto (das hier französisch Croissant genannt wird), trinke einen Espresso und lesen eine Stunde lang Zeitungen: Süddeutsche, Bild, Gazzetta dello Sport, Corriere della Sera.

Manchmal kommen so deutsche Italienschwärmer (meistens Frauen um die Vierzig) in Paolos Bar und erzählen ihm, wie schön es doch in Italien sei. Paolo schmunzelt dann. Oder sie erzählen ihm, wie schlimm doch dieser Berlusconi sei und wie wir Italiener ihn bloß wählen konnten. Dann schmunzelt Paolo auch. Und wenn es ihm zuviel wird, dann dreht er Francesco De Gregori lauter, der bei ihm in Dauerschleife läuft.

Bei Paolo gibt es einen hervorragenden Espresso. Doch es hat lange gedauert, bis ich in Berlin so eine Bar gefunden habe. Berlin ist keine typische Italiener-Stadt wie München, Stuttgart oder Frankfurt am Main. Als ich vor zehn Jahren einmal im Stadtteil Prenzlauer Berg zum Italiener gehen wollte (italienische Fahne im Fenster, Padre Pio eingerahmt über der Theke), da sprach ich den Wirt auf Italienisch an. „Nix Italienisch. Kannst ruhig Deutsch mit mir quatschen“, sagte er. Er war Türke. Er machte aber lieber einen auf Italiener. „Türkische Lokale gibt es schon so viele“, sagte er.

Mittlerweile leben immer mehr Italiener (und Spanier) in Berlin. Es sind Studenten, viele junge Akademiker, die in Italien (oder Spanien) keine Arbeit finden, aber auch einige ältere Italiener, die im Ortsteil Wedding günstige Wohnungen kaufen, als Altersvorsorge oder als Studentenwohnung für ihre Kinder.

„’Sti tedeschi“, sagt Paolo manchmal, wenn wir beide alleine in der Bar sind. Und er hat ja recht.

In schlechten italienischen Restaurants in Berlin ist auf der Karte der Durchmesser der Pizza angegeben. „Weil das viele Deutschen so wollen“, sagte mir ein Pizzaiolo. „Sie können den Abend nicht genießen, wenn sie vorher nicht wissen, wie viel Essen sie für wie viel Geld bekommen.“

Wie man ein gutes italienisches Restaurant in Berlin erkennt, die es mittlerweile auch gibt? Wenn der Wirt einfach mal ein paar Vorspeisen auftischt. Wenn es dort nicht nur Ramazzotti gibt sondern auch Montenegro und Cynar.

Ich brauche mein kleines bisschen Italien in Deutschland.

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