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Bettina Conci
Veröffentlicht
am 22.12.2015
MeinungPuffgeflüster

Engele Bengele

Veröffentlicht
am 22.12.2015
Im Pink Flamingo steigt die alljährliche Weihnachtsfeier mit Mitarbeiterinnen und treuen Kunden. Doch die Bescherung sorgt für eine Überraschung.
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Wie jeden Mittwoch treffen sich Herr Karl und sein alter Freund, Herr Manfred, auf einen Kaffee und einen Radler (viel Limo, wenig Bier) im Gasthaus Fink im Zentrum von Bozen. Herr K hat außer seiner Aktentasche heute ein ziemlich schludrig (aber wahrscheinlich mit viel Mühe) eingewickeltes Geschenkpacktl mit.

Herr M: Ist das ein Geschenk? Für mich?

Herr K: Sei nicht albern. Von mir kriegst du a Flaschl Prosecco und an Panettone wie jedes Jahr.

Herr M: Für wen … oh! Du bringst der Melanie ein Weihnachtsgeschenk mit? Ernsthaft? Was ist da drin, Schmuck? Sexspielzeug? Nein, lass mich raten … eine von diesen Tassen mit deinem Foto drauf? (prustet drauflos)

Herr K: Das ist nur ein kleines Zeichen, brauchst gar nicht so spöttisch zu sein. Nur weil du zu gniggerig bist, irgendjemandem was zu schenken. (grummelt gespielt verärgert vor sich hin) So wird es einem gedankt, jaja.

Herr M: Na, komm schon, sei nicht gleich beleidigt. Ich bin dir ja dankbar, dass du mich in die, äh, Szene eingeführt hast. Die Ilona ist ein echtes Prachtweib, obwohl … diese Neue da, die gefällt mir auch nicht schlecht, diese Italienerin. So geheimnisvoll. Rassig. Mystisch.

Herr K (prustet nun seinerseits): Mystisch! Du solltest dich hören. Was bitte ist an der Cinzia mystisch? (kopfschüttelnd) Ganz im Gegenteil. Ich find die äußerst ordinär. Und eher etwas verschlagen, nicht geheimnisvoll. Als hätte sie was zu verbergen. Ich mag das nicht. Aber als Aushilfskraft geht die schon gut. Hängst halt nicht dein Herz dran.

Herr M (lachend): Sagt der mit dem Gschenkpacktl in der Hand. Komm jetzt, trink aus, wir wollen die Damen ja nicht warten lassen.

Gleich um die Ecke, im Pink Flamingo, herrscht reges Treiben. Der Weihnachtsbaum im Blauen Salon erstrahlt in prachtvollem Glanz, und darunter häufen sich Geschenke, Kuverts, Tragetaschen, Weinflaschen, Pandori und Panettoni. Nicht nur die Kunden sind um Weihnachten recht großzügig, auch Maria lässt sich nicht lumpen: es gibt Spitzenunterwäsche für alle. Arbeitskleidung sozusagen. Vom René gibt es neben dem regulären Weihnachtsgeld manchmal auch eine Prämie obendrauf, wenn wir gut gearbeitet haben. Und wir spielen „Engele Bengele“. Ich habe es mir gerade auf der Chaiselongue gemütlich gemacht und bin in Gedanken versunken, als unsere Domina mit zwei Gläsern Prosecco in der Hand auf mich zusteuert.

Melanie (reicht mir ein Glas): Und, was hat er gesagt, der Berni?

Ich: Na ja, nicht viel … ist ja auch unangenehm, sich unterhalten zu müssen da in dieser Besucherkammer, mit einem Carabiniere links und einem rechts … Putz und sonstige Beamten, da wimmelt es ja nur so von den Typen. Null Privacy.

Melanie (kichert): Ich dachte, du stehst auf Uniformen?

Nun, wenn ich ehrlich bin, hat sie da nicht Unrecht, die Melli. Der Claudio hat es mir schon a bissl angetan, nicht nur weil er so fesch ist in seiner Putz-Mondur. Aber Maria hat schon recht, ich muss meine romantische Ader unter Kontrolle bringen. Die ist einem ziemlich im Weg, vor allem wenn eine vorgetäuschte Entführung das nächste vereitelte Attentat jagt. Überhaupt soll der erst mal diesen verzwickten Fall aufklären, der Ispettore, dann reden wir weiter.

Ich: Sag mal, wann hatte denn die Neue heute Dienst?

Melanie: Cinzia? Du, ich glaube, die hatte frei. Weißt schon, Welpenschutz. Maria nimmt sie nicht so streng ran am Anfang, sonst rennen die ament gleich davon. Warum fragst du?

Ich: Ach, nur so.

Es kann ja nur ein Zufall sein, aber ich hätte schwören können, dass ich sie um die Ecke biegen sah, als ich den Berni besuchen war. Außerdem war der heute sehr reserviert. Fast so, als befürchtete er, jemand könnte uns beobachten. Oder als schämte er sich für mich. Auf die Frage nach der gefundenen Spitzenunterwäsche druckste er auch nur herum, und wenn ich nicht ganz auf der Brennsuppe dahergeschwommen bin, hat das Fräulein Cinzia Bortolotti ihre Finger mit im Spiel. Ich weiß nur noch nicht, warum.

Jorge (steckt den Kopf zur Tür herein): Maria, die ersten Stammkunden sind schon da. Soll ich sie hereinlassen?

Maria: Natürlich, Schorsch, immer rein in die warme Stube!

Die beiden älteren Herren stehen sogleich schnaufend vom Treppensteigen, aber mit vor Aufregung geröteten Wangen in der Tür.

Maria: Hallo Karl, hallo Manfred, macht es euch gemütlich … Melanie, hol dem Karl doch ein Glas Wein, und Ilona, du kümmerst dich um den Manni, gell? Das Geschenk einfach unter den Baum, Karl, du hättest doch nicht müssen … wie lieb von dir, vergelts Gott!

Elsa: Bitte, die Herrschaften, die Kekse sind hausgemacht, der Schorsch hat mir dabei geholfen, und dort drüben gibts Häppchen von unserem Neuzugang, dem Fräulein Cinzia. Schmecken a bissl nach Pappe, aber sie wirds schon noch lernen. (Mit liebenswürdigem Augenaufschlag in Cinzias Richtung) A proposito, hai già aperto il tuo pacchetto, cara?

Cinzia (ebenso liebenswürdig): No, aspetta … ah, eccolo. (Sie öffnet das Geschenk mit ihrem Namen drauf und holt ein Buch hervor) „So kocht Südtirol“, ah. Wie überaus aufmerksam von dir, Elsa. Ich nehme doch an, das stammt von dir, oder? Na, dann kann ich ja jetzt üben.

Melanie (verkneift sich ein Schmunzeln): Also gut, dann können wir alle unsere Päckchen öffnen, ja?

Ilona (zähneknirschend): Ich hab meins auch schon ausgepackt, und ich nehme stark an, dass ich mich bei dir für das Stilwörterbuch bedanken kann … Warum fängst du nicht mit dem Geschenk vom Karl an?

Melanie (ungerührt): Gern geschehen. Also gut.

Sie schnappt sich das unförmige Geschenk von Karl und holt ebenfalls ein Buch hervor. Das Gekicher ihrer Arbeitskolleginnen ignorierend, schenkt sie dem erwartungsvollen Stammkunden ihr strahlendstes Lächeln.

Melanie: Endlich! Vielen Dank, mein Lieber! „Grey“, wie passend. Das wollte ich schon immer mal lesen!

Herr K: Ich hatte gehofft, du hast es noch nicht gelesen.

Ilona (raunt): Das hat sie sicher nicht! (bricht in hysterisches Gekicher aus, wofür sie einen bösen Blick von Melli erntet)

Und so geht das Theater weiter. The same procedure as every year. Maria packt mit gequältem Lächeln einen Damenrasierer aus, Melanie kriegt ein Säckchen Gras geschenkt, wohl, damit sie mal a bissl lockerer ist (wir alle danken dem unbekannten Spender – wahrscheinlich Jorge, weshalb wir es mit den Weihnachtskeksen langsam angehen lassen sollten), und das Swarovski-Schweindl in meinem Packtl verdanke ich wohl René, der kriegt ja immer einen Skonto bei der Fiona. Jorge sorgt für Gelächter, als er sein Geschenk auspackt: einen Leopardentanga. Kein Engele will sich zu diesem pikanten Präsent bekennen. Elsa kriegt ein Dolomiten-Abo (von Cinzia, wie ich vermute, weil diese ihr ganz freundlich erklärt, so sei sie immer auf dem neuesten Stand, weil sie doch so gerne die Todesanzeigen studiert). Alles in allem eine schöne Bescherung.

Melanie (aufgeregt): Oh! Seht mal! Da liegt noch was unterm Baum. Das kleine Geschenk da! Ist das … ein Umschlag? Was steht da drauf?

Sie nimmt den in glänzendes Papier verpackten Umschlag in die Hand, und alle stecken neugierig die Köpfe zusammen, um zu lesen, für wen er bestimmt ist. Plötzlich richten sich neun Augenpaare auf mich. Oh. Ich nehme Melanie den Brief aus der Hand, reiße ihn auf und staune. Vielleicht werde ich auch ein kleines bisschen rot.

Alle (im Chor): Was? Was ist es? Und von wem?

Ich: Von wem steht da gar nicht. Aber ich glaube, das ist ein Flugticket.

Ilona (kreischt): Du glaubst? (reißt mir in ihrem Überschwang den Zettel aus der Hand) Aaah! Tatsächlich! Haltet euch fest … die kleine Schlampe fährt nach Paris! Und das noch in den Weihnachtsferien.

Maria (sarkastisch): Wie rücksichtsvoll. Schließlich muss die Frau ja zwischendurch auch arbeiten. (gnädiger zu mir) Das passt schon, meine Liebe. Genieß deinen Urlaub, bist ja noch nie weiter gekommen als nach Verona. Wir haben ja jetzt Verstärkung.

Oh mein Gott! Meine romantische Ader ist jetzt völlig außer Rand und Band. Und das, obwohl Berni heute so abweisend schien. Fast schäme ich mich ein bisschen dafür, dass ich ihm Unrecht getan habe.

Melanie: Wie cool ist das denn? Da hast du es deinem schmattigen Verehrer aber angetan, dass er so spendabel ist.

Ilona: Kunststück. (süffisant) Der kommt ja recht billig an so Tickets, nicht?

Maria: Trotzdem ist das sehr großzügig. Vor allem, weil er ja nicht mitkommen kann.

Melanie (dämmert langsam, dass da was nicht stimmen kann): Ach. Stimmt. Hm. Der wird so schnell nicht entlassen werden als Terrorverdächtiger. Und dann ausgerechnet Paris. Das könnte schwierig werden.

Elsa: Dann ist das aber schon komisch, dass er dich alleine nach –

Ilona (verdreht die Augen): Ja, Sherlock. Komisch.

Maria (scherzhaft): Vielleicht ist es ja ein Geschenk von Melchs Frau, die dich loswerden will.

Unangenehmes Schweigen breitet sich aus. Ich nehme das Flugticket wieder an mich, setze mich hin und wähle die Nummer des Ispettore.

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