BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
BARFUSS LogoSüdtiroler Onlinemagazin

Support Barfuss

Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus

BARFUSS LogoDas Südtiroler Onlinemagazin
Bettina Conci
Veröffentlicht
am 13.01.2016
MeinungPuffgeflüster

Eine Armlänge

Veröffentlicht
am 13.01.2016
Die Puffdamen kennen sich aus mit sexueller Belästigung. Aber wie war eine solche Eskalation in mehreren Städten Europas möglich? Das sorgt für Diskussion.
Damit BARFUSS weiterhin hinterfragen, aufklären, erzählen und berühren kann, brauchen wir DEINE Unterstützung!
Werde Teil unserer Community.
Teile unsere Story
pigs.jpg

Nach den turbulenten Feiertagen ist Ruhe im Puff eingekehrt. Fast ist es schon zu ruhig: Die Besucherzahl ist um diese Zeit des Jahres mau, da Stamm- und sonstige Gäste ihre ganze Energie in den Job und das Abtrainieren des Weihnachtsspecks stecken. So schlagen sich die Damen die Zeit mit ihrer jeweiligen Lieblingslektüre tot (Melanie liest „Grey“, Elsa die „Dolomiten“), Ilona googelt die Teilnehmer des Dschungelcamps und Cinzia die am besten gekleideten Stars der Golden Globes. Maria hat den Norwegerpulli, an dem sie bisher gestrickt hat, beiseite gelegt und häkelt nun Spitzendeckchen für die Osterdeko. Kommt ja eh nicht mehr, der Winter. Das Telefon läutet. Maria legt die Nadeln seufzend weg und antwortet.

Maria (säuselt ins Handy): Pink Flamingo, Maria am Apparat, wie kann ich Ihnen helfen? (mit normaler, geschäftsmäßiger Stimme) Oh, vielen Dank für den Rückruf! Ja, genau! Eine Doppelseite. So im Reportagenstil, aber halt a bissl nett geschrieben, gell? Kommt ein Fotograf auch? Ja, das wäre ganz toll, unsere Fotos sind vielleicht a bissl, ähm, unpassend für Ihre Zeitung. Wie viel? (legt die Hand auf das Smartphone und flüstert zu Elsa) Da hat der Schuler aber weniger gezahlt. (wieder laut ins Telefon) Gut, dann kommt aber a schönes Foto von unserem Chef rein, gell? Mit Zitat und so, wegen der Imagepflege… perfekt! Ja, Samstag passt ausgezeichnet.

Cinzia (mit ironisch hochgezogener Augenbraue zu Melanie): Imagepflege?

Melanie: Ja, weißt du, das funktioniert hier bei uns so. Ach was red ich, hier bei uns, überall. Das ist ganz normal. Nennt sich PR. Und so ein Artikel kommt uns gerade recht. Der René kann etwas Imagepflege vertragen, er hat noch viel vor heuer.

Cinzia (horcht auf): Ach ja, der René… kommt der auch mal vorbei hier? Ich hab den ja noch nie gesehen. Ein mysteriöser Mann! (lacht etwas gekünstelt)

Melanie: Och, nur ganz selten. Er lässt Maria fast zur Gänze freie Hand, was die Führung unseres Etablissements angeht. Und da kann er auch ganz beruhigt sein. Er hat ja auch viel zu tun, mit den ganzen Eisen, die er im Feuer hat. Ein echter Tausendsassa.

Cinzia (murmelt): Ja, ja. Schon gut.

Die nun etwas verstimmt wirkende Cinzia fängt an, an ihrem Handy herumzuspielen, wofür sie von Maria mit einem schiefen Blick bedacht wird, den sie aber geflissentlich ignoriert. Und weil gerade so wirklich gar nichts los ist und die Cinzia immer noch neu hier, drückt die Chefin anscheinend ein Auge zu. Welpenschutz halt.

Maria (nimmt ihr Häkelzeug wieder zur Hand): Ich bin immer noch baff, dass dieser junge Ispettore unserer Charlotte so einen Liebesurlaub spendiert hat.

Elsa (bedächtig nickend): Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Dabei dachten wir schon, die Frau Melch wäre die edle Spenderin gewesen, damit sie die unerwünschte Konkurrenz los ist. Dabei ist der das völlig wurscht! (lacht)

Maria: Nee du, die muss jetzt sparen, damit ihr Mann freikommt.

Melanie: Ist der nicht schon wieder im Hausarrest? Dann hat doch schon jemand bezahlt. Na ja, dürfte für den Melch nicht schwer sein, einen Gönner aus Wirtschaft oder Politik zu finden, der ihm aus der Patsche hilft.

Maria: Einer seiner Flughafenspezln? Obwohl… die haben ja grad Personal aufgestockt.

Elsa: Vielleicht war das nur ein Ablenkungsmanöver. Gewissermaßen wollte sich der Melch ja für die Leutchen in die Luft sprengen.

Melanie (kichernd): Und hat kläglich versagt. (ernster) Ach, von dem hören wir schon noch. Unkraut vergeht nicht. Auf jeden Fall scheint Charlottes Interesse an unserem Provinz-Donald-Trump abgeflaut zu sein.

Cinzia: Ma no, dai, da tust du dem Ber– äh, dem Melch unrecht. Er ist da doch etwas gescheiter. Und hat die bessere Frisur. Aber was die Charlotte angeht, könntest du recht haben…

Ilona: Hach, mit so einem jungen Don Giovanni in Uniform an ihrer Seite, und dann noch in Paris…

Melanie (nachsichtig lächelnd): Der ist echt in sie verliebt.

Maria (besorgt): Ich hoffe nur, sie ist es nicht. Sowas ist Gift für unser Geschäft.

Cinzia: Das stimmt. Geschäft ist Geschäft, und dann ist das auch noch ein Süditaliener, man weiß ja, wie eifersüch–

Ilona: Kannst du auch mal di Pappm halten? Seit du hier arbeitest, tust du nichts anderes, als schlecht über Charlotte zu reden. Solltest mal darüber nachdenken, ein paar gute Vorsätze fürs neue Jahr zu fassen und so.

Maria (beschwichtigend): Na, na, na. (runzelt die Stirn) Ich mach mir eher andere Sorgen. Ihr habt doch was gehört von der Charlotte, oder? Also, dass es ihr gut geht? Da war ja schon wieder was, in Paris.

Ilona: Ja, aber das war doch nur ein Irrer mit Bombenattrappe.

Cinzia: Ein irrer Marokkaner.

Ilona: Kein Georgier?

Melanie (runzelt die Stirn): Ist doch wurscht.

Cinzia: Na ja, solange alle eine Armlänge Abstand halten… (grinst)

Ilona: Haha. Nicht witzig. Gerade in Köln hat man ja gesehen, was diese Flüchtlinge anrichten.

Melanie: Na toll. Unsere Politik-Expertin hat eine Meinung dazu. Hast du wieder mal die Twitter-Accounts der Freiheitlichen durchwühlt?

Ilona (kleinlaut): Ja, aber…

Elsa (tadelnd zu Ilona): Ja, ich weiß. Die sind recht unterhaltsam, da geb ich dir recht, trotzdem muss ich Melli beipflichten. Solltest mal was Gscheids lesen. (reicht Ilona die Dolomiten)

Maria: Ich muss schon sagen, Kinder, mir hängt diese ganze Armlänge-Diskussion echt zum Hals raus. Ich hab Mitleid mit der armen Frau Oberbürgermeisterin von Köln.

Melanie (murmelt vor sich hin): Frau Oberbürgermeister. Oder Oberbürgermeisterin. Ohne Frau. (Ilona boxt ihr in die Seite)

Maria (fährt unbeirrt fort): Da wird eine wahrscheinlich eh schon gestresste Person lächerlich gemacht, weil sie auf die Frage geantwortet hat, was Frauen unternehmen können, um Vorfälle wie die am Kölner Hauptbahnhof zu vermeiden. Da war doch schon die Frage so gestellt, dass ihr alles, was an Antworten möglich war, zum Verhängnis wurde!

Melanie (nun in ihrem Element und ihrer Chefin eifrig nickend beipflichtend): Suggestivfragen nennt man das, genau, Maria! Genauso wenig ist jemandem die Tatsache aufgefallen, dass zwar fleißig über Flüchtlinge und ihr Welt- und Frauenbild diskutiert wird, aber die eigentliche schreckliche Nachricht total vernachlässigt wird.

Ilona: Sorry, aber du weißt ja, ich bin blöd. Die da wäre?

Melanie: Dass eine Menge Frauen von einer Menge Männer sexuell belästigt wurden. Punkt. Und egal, wie wer gekleidet war, wie viele Promille im Spiel waren oder welcher Religion diese Leute angehörten, das Problem ist doch einmal die Belästigung an sich. Die tritt doch total in den Hintergrund und wird höchstens von diesen ganzen Freizeitpolitikern in sozialen Medien instrumentalisiert. Und nicht der kleinste Ansatz einer Lösung. Oder eines Versuchs. Da war die „Armlänge“ ja direkt konstruktiv. Zweitens wäre da die Unterzahl der Polizei, die mit einer derartigen Situation nicht gerechnet hatte. Und hier wiederum muss man sich doch die Frage stellen…

Elsa: Luft holen, meine Liebe, Luft holen. Ja, so ists gut. (zu Maria) Nicht, dass die uns noch hyperventiliert.

Melanie (redet sich in Rage): …die Frage: Wie konnte es zu einer solchen Eskalation kommen? An mehreren Orten in Europa? Zum gleichen Zeitpunkt? Zufällig? Und dann werden da Zettelchen gefunden, und Asylanträge, die die Täter praktischerweise gleich bei sich tragen…

Ilona (lacht): Ach komm, wirst du jetzt auch noch zur Verschwörungstheoretikerin? Da bricht mein Weltbild zusammen.

Melanie (säuerlich): Ach, ihr seid doof.

Elsa (nachdenklich): Na, ich versteh dich schon. Mir ist das auch noch nie passiert.

Ilona (spitz): Belästigt zu werden?

Elsa: Das schon. Aber dass sich einer auch noch quasi vorgestellt hat. Mit Ausweis, Asylpapieren und Zetteln mit unanständigen Angeboten in der Hosentasche.

Ach, meine Mädels. Lösen die doch glatt Fälle, bei denen die Polizei noch im Dunkeln tappt. So einfach ist das Ganze leider nicht. Sagt der Claudio. Und der kennt sich schon a bissl aus. Hätt ich mir auch nicht gedacht, am Anfang. Vielleicht hab ich auch einfach nur einen Narren an ihm gefressen. Hach, Paris.

Elsa: Meine Damen! Ich weiß, ihr seid a bissl Lutherische (macht Anstalten, Melanies Hand zu tätscheln, wird von dieser aber flugs abgeschüttelt), aber für das neue Jahr sollte man schon den einen oder anderen guten Vorsatz fassen, da hat Maria ganz recht.

Melanie: Na dann erzähl mal. Was hast du dir vorgenommen fürs neue Jahr, Ilona? Vielleicht a bissl toleranter zu sein, hm? Wär uns allen geholfen.

Ilona: Das kannst du dir abschminken. Ich bin halt kritisch, was das Flüchtlingsthema angeht. Das mit der Integration läuft hier in eurer heilen Bergwelt nicht so reibungslos ab, wie ihr das glaubt. Sogar ich bin immer noch die Ostblockschlampe, obwohl ich total integriert bin. Pah!

Elsa (verwirrt): Ja, aber du bist halt nun mal eine Prostitui–

Ilona (wirft Elsa einen bösen Blick zu, woraufhin diese verstummt): Darum gehts nicht. Aber ich hab einen anderen Vorschlag: Ich werde dieses Jahr weniger am Handy und auf Facebook verbringen.

Maria (klatscht begeistert in die Hände): Das ist ja mal ein sinnvoller Vorsatz!

Melanie (lakonisch zu Cinzia): Da werden ihre 3.745 Freunde aber traurig sein.

Elsa: Und ich geh heuer wieder wallfahrten! Ich zünd auch ein Kerzl für euch alle an!

Alle stöhnen genervt auf.

Dienste

  • News
  • Wetter
  • Verkehrsbericht

BARFUSS


Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support

© 2023 SuTi GmbH
© 2023 SuTi GmbH . Rennstallweg 8 . 39012 Meran . MwSt: 02797340219
DatenschutzCookiesImpressum