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Vera Mair am Tinkhof
Veröffentlicht
am 10.07.2013
MeinungOne Song One Story

Easy

Veröffentlicht
am 10.07.2013
Es ist nicht immer einfach, andere Lebensweisen zu verstehen.
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Im Sommer ist alles so derart easy, dass ich zu keinem tiefen Gedanken fähig bin. Normalerweise ist das super – es lebt sich wirklich gut so, aber wie soll man so was Kluges schreiben? Mein Weitblick reicht gerade bis zur nächsten kalten Cola-Dose, und mein Hirn hat momentan in etwa so viel Tiefgang wie ein Babybecken.

Wie easy alles sein kann, wenn Meer und Strand und Sommer ist, merkt man gut auf Ibiza. Ich war da letztes Jahr mit einer Freundin. Eines Tages nahm uns ein Ibizaner (oder sagt man Ibizenker?), ein Eingeborener halt, ein Stück in seinem Auto mit, weil wir zum selben Strand wollten. Er war so Ende 20 und erzählte uns ein bisschen von seinem Leben: Über den Sommer arbeitet er immer zu Hause, also auf der Insel, und macht dort die volle Saison von Mai bis Oktober. Dann hat er so viel Geld beisammen, dass er das restliche Jahr reisen kann. In Asien war er, Südamerika sowieso, Australien steht noch auf der Liste. Die letzten beiden Winter ging's nach Indien, verrückt und eine andere Welt sei das: „Du erwartest dir das eine, und immer passiert das andere.“ So machten das viele seiner Freunde, sagte er: den langen Sommer durcharbeiten, dann einmal um die Welt. Sie wollen ja was sehen davon. Das ganze Jahr über im Büro, zwischen PC und TV den lieben langen Tag, sei nichts für sie. Muss nicht sein, sagte er, warum denn auch, wenn es auch anders geht. Ich fand das sehr klug. Ich hab das zu Hause meiner Mutter erzählt und meinte, das mache ich nach dem Studium auch, ein Leben lang Saisonarbeit. Das war nicht ganz ernst gemeint, aber es war lustig zu sehen, wie leicht man Eltern auch nach 25 Jahren noch erschrecken kann.

Das Lebensmodell eines Spaniers ist leider immer dem Totschlagargument der Krise ausgesetzt. Die kommt mürrischen Leuten sehr entgegen: „Hat man ja gesehen, wo das hinführt“, grummeln sie vor sich hin, wenn ein Südländer ein allzu entspanntes Weltbild hat. Staatsverschuldung, Bankenrettung – alles Schuld des einen Bürgers, der das Meer und gutes Essen liebt. Dass der in der Hauptsaison auf Ibiza Stunden und Schichten macht, die die meisten hier nach zwei Wochen an den Rand eines Burn-outs bringen würden, zählt als Argument auch nicht. Das ist doch keine Arbeits- und Lebensmoral, heißt es dann, ein paar Monate einfach durch die Welt zu reisen. Das Leben ist kein Ponyhof, das ist so der Grundkonsens. Der Ernst des Lebens scheint Bürgerpflicht.

Ich würde gern mal nach Australien, und davon hab ich mal jemandem hierzulande erzählt, der schon ein wenig älter war und den Ernst des Lebens schon begriffen hatte. Ich sagte, dass die Australier ja sehr entspannt sein sollen, no worries als Lebensmotto und so. Das war schon zu viel für den fleißigen Südtiroler. No worries, sagte er und schnaubte verächtlich durch die Nase, so ein Blödsinn, die werden schon noch ihr blaues Wunder erleben. Von da an schien er alle Australier zu verachten, obwohl er im Leben noch nie einen gesehen hatte. So eine entspannte Lebenshaltung, das grenzt doch an eine Frechheit. Scheinbar nehmen es Leute übel, wenn sie sich selbst ein Leben lang Sorgen machen, und dann kommt jemand, der keine Sorgen kennt.

In Kapstadt soll auch alles easy sein – hat mir zumindest eine Freundin erzählt, die eine Zeit lang dort war. Was sie so mitbekommen hat, skaten die Leute dort viel. Surfen tun sie auch. Was aber alle beruflich machten, blieb unerwähnte Nebensache. Nicht dass sie nichts taten – man redete bloß nicht viel darüber. Es war nicht wichtig. Man tut halt was, und sonst lebt man. Für uns hier klingt das komisch. Hier lebt man nicht einfach nur. Hier erarbeitet man sich was.

Vielleicht liegt es an der Bergen. Vielleicht erklären geografische auch kulturelle Unterschiede: Denn einen Berg muss man sich verdienen. Der ist hoch und groß, und man muss Stunden rauflaufen, bevor man dann oben die Aussicht genießen kann. Und dann isst man was und guckt ins Tal, und das ist dann die Belohnung für die Mühe. So was prägt, das muss es sein. Ohne Fleiß kein Preis und so.

Das Meer dagegen muss man sich nicht verdienen. Das ist einfach da, vor der Nase und für alle, und wenn man will geht man rein, und sonst liegt man am Strand und sieht es sich an. Deshalb sind die Leute am Meer entspannter. Das ist meine 20-Cent-Theorie, für die ihr euch nichts kaufen könnt.

Ich werde mich auch bald wieder in Vollzeit über den desolaten Zustand der Welt empören, mir über Ortsnamen und Frösche am Kreuz und die eigene Identität den Kopf zerbrechen. So ab Oktober, wenn es wieder kalt und dunkel wird.

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