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Hansi Klein
Veröffentlicht
am 04.03.2014
MeinungSatire – Die Lernjahre des kleinen A.

Das Murmele

Veröffentlicht
am 04.03.2014
Wie ein weißes Murmeltier zum wichtigsten Einsager des neuen Landeschefs wurde. Start der neuen Polit-Satire.
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„Es wäre die letzte Chance gewesen", dachte er, als er an diesem Valentinstag spät nachts müde nach Hause kam. Und wieder hatte er seiner Frau nichts von Anton erzählt. Und dabei waren sie jetzt schon so viel Jahre zusammen und hatten sich eigentlich versprochen, keine Geheimnisse voreinander zu haben. Aber er konnte es einfach nicht.

Wie alles begann

Seit Jahren hemmte ihn die Tatsache, dass Anton für alle unsichtbar ist. Fast alle. Er sah ihn natürlich. Anton kam an seinem zehnten Geburtstag zu ihm. Der Dorfschmied machte mit seinem Sohn, dessen Geburtstag genau auf den Sonntag fiel, an diesem überaus milden Märztag einen Ausflug auf die nahe Seiser Alm. Dass man dabei auf ein Murmeltier traf, war Anfang der Achtzigerjahre nichts Außergewöhnliches. Wobei Anton aber keineswegs gewöhnlich war. Erstens wusste das Geburtstagskind damals nicht, dass Murmeltiere Anton heißen können. Zweitens hatte er noch nie gehört, dass sie auch sprechen können. Und drittens hatte Anton ein fast weißes Fell.
Anton pfiff ihn damals schon schnippisch an, sobald er in seine Richtung blickte. Als das Murmeltier merkte, dass der Junge erschrak, lachte es herzhaft und laut. Der kleine Junge machte seinen Vater auf das Tier aufmerksam, musste aber erkennen, dass der Vater das Tier nicht sah. Das amüsierte das Murmeltier noch mehr.
„Das wird dir niemals nie wer glauben, dass ich mit dir rede", sprach der pelzige Kerl im astreinen Dialekt mit Grödner Akzent. Es war so, als wäre das erst gestern geschehen. Der Satz klang noch in seinen Ohren. Das half aber nichts, weil es nur in seinen Ohren klang. Dazu kam die Tatsache, dass Anton seit diesem Tag immer bei ihm war. Er verfolgte ihn Schritt für Schritt. Wo immer er auch hinging, Anton war dabei.
Das war bisher auch sehr in Ordnung. Anton war häufig hilfreich. An der Uni zum Beispiel, hockte er sich einfach auf die Unterlagen des prüfenden Professors und zog dann im richtigen Moment die entscheidende Passage raus und zitierte lautstark. Darin war Anton unglaublich gut. Nicht nur für ein Murmeltier. Mit der Zeit begann Anton aber, statt Antworten zu suchen, sich über die Prüfungsfragen aufzuregen.
Irgendwann hatte sich der Junge, der langsam zum Mann reifte, mit seinem Schicksal abgefunden. Es schien schlicht und einfach mit einem alpinen Nagetier verbunden zu sein. Mit den Jahren reifte in ihm die Überzeugung, dass dies eine kosmische Bedeutung habe: Er war für Höheres bestimmt.
Bis dahin war es aber ein weiter Weg mit dem ständigen Begleiter.

In dieser Nacht kamen beide etwas abgekämpft nach Hause und wie immer und um jede Tageszeit hatte Anton Hunger. Vorher dankte das Murmeltier in einem pfeifenden Stoßgebet, dass sein Mensch nun den Chauffeur in Anspruch nehmen konnte. Anton mochte den Fahrstil seines Menschen nämlich überhaupt nicht. Vor allem die Straße hinauf auf das Hochplateau setzte ihm immer wieder hart zu.
Während draußen in dem kleinen Dorf unterm Schlern in dieser Nacht wohl schon jeder schlief, kochte ein Mann für sein weißes Murmeltier Hirtenmakkaroni. Spätestens als er dann dem schmatzenden und rülpsenden Gefährten beim Essen zusah, wusste er, dass er jetzt niemanden mehr davon erzählen konnte. Schließlich war er jetzt Landeschef.


Ereignisreiche Wochen

Nach dem Candlelight-Dinner, das sich der Landeschef zum Valentinstag mit seiner Frau gegönnt hatte, schlief er sofort ein. Kein Wunder, in den letzen Wochen war es ja auch drunter und drüber gegangen und er und Anton haben viel erlebt:
Nach dem Wahltag saßen Anton und sein Mensch über den Wahlergebnissen. Eines Abends, als das ganze Land schon darauf gespannt war, was der Neue jetzt machen wollte, hatte Anton genug Zahlen gesehen. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, kratze sich mit beiden Vorderpfoten gleichzeitig am Hinterkopf und sprach ein wahres Wort gelassen aus: „Es hilft nichts, wir müssen koalieren." Der Neue schaute ihn leicht erschrocken an. Wusste aber, dass das scharfsinnigste Murmeltier des ganzen Alpenraums hier wohl ganz klar sah.
„Ja, aber mit wem?", fühlte er sich genötigt zu fragen.
„Das ist erstmal plebiszitär, wir müssen entscheiden, mit wem wir die Gespräche führen." Anton war schon leicht staatsmännisch.
Dann führte der Neue aus, dass er im Fernsehen mal gesehen habe, wie ein Politiker auf nationaler Ebene in so einer Situation angekündigt habe, mit allen Reden zu wollen, und das habe eigentlich sehr gut geklu…. – Anton pfiff lautstark zwischen seinen Redeschwall.
„Ich meinte, wen du zu den Gesprächen mit den anderen Parteien mitnimmst." Dabei drehte Anton verächtlich die Augen nach oben. Der Mann ihm gegenüber war schon kurz davor ihm tiefbeleidigt den Vorwurf der Unfairness zu machen, als er sich an einen Trick aus dem Mediencoaching des Wahlkampfs erinnerte. Die Gegenfrage! „Wen würdest du an meiner Stelle mitnehmen?"

Anton hopste vom Stuhl und watschelte mit seinen kurzen Beinen und dem etwas fetten Hintern Richtung einer Fettpflanze, die in einer Ecke der Küche stand. Anton liebte diese Pflanzen aus dem schwedischen Einrichtungshaus. Er begann daran zu knabbern. Sein Mensch raufte sich die Haare, weil er nicht mehr wusste, wie er das eigenartige Blattsterben der Pflanze seiner Frau erklären sollte. Mittlerweile hatte sie ja sogar ihn selbst in Verdacht.
Anton konnte so aber besser denken. Und zwischen dem einen und anderen Biss kam langsam ein Profil daher:
„Schwach muss er sein", gnamm, gnamm, „sonst stiehlt er dir die Show“, schluck, „irgendeine halbwichtige Funktion."
Der Neue strengte sichtlich seine Hirnzellen an, während Anton mit einer Kralle begann, sich Pflanzenreste aus dem Gebiss zu stochern.
„Ddaannn is eh klar wer …", nuschelte er aus dem Kiefer. Dem Neuen war gar nichts klar. Anton genoss den Moment und sprang jetzt relativ dynamisch auf den Stuhl zurück und von dort auf die Anrichte der schicken Einbauküche.
Sein Mensch befürchtete wieder einmal Schlimmes, was da jetzt kommen könnte, und bat das Tier inständig: „Bitte Anton nicht. Nein, mach das nicht!"
Das Murmeltier kümmerte das aber wenig und es begab sich direkt in das Waschbecken. Legte sich rücklings unter den Wasserhahn. Drehte warmes Wasser an, das ihm über den unteren Teil des Bauches floss. So konnte Anton am entspanntesten Wasser lassen. „Den Parteiobmann nehmen wir mit", sagte er dabei und blickte auf den Mann am Küchentisch, der sich die Haare raufte ob seiner mangelnden Autorität über sein Murmeltier.

Mit der Eieruhr zum Koalitionsgespräch

Zwei Tage später war es soweit. Die ersten Koalitionsgespräche fanden im Landtag statt. Als erstes waren die Grünen dran. Obwohl sich Anton dafür ausgesprochen hatte, dass nur zwei Vertreter eingeladen würden, erschienen sie zu dritt. Praktisch die komplett gewählte Fraktion. Das konnte das Murmeltier nicht akzeptieren.
Anton war schon kurz davor die Wände hochzugehen – und wenn er das getan hätte, wäre wirklich Schlimmes passiert – als die Listenführerin mit ihrem völlig unaufgesetzten Lächeln die Situation erklärte. Sie als Spitzenkandidatin und einzige gewählte Frau müsse wohl dabei sein. Und da die zwei Herren sich nicht entscheiden konnten, seien nun beide dabei. Aber abwechselnd.
Der designierte Landeschef wollte diese Lösung schon in Bausch und Bogen ablehnen, als er Anton entzückt ganze zwöf Zentimeter in die Luft springen sah – was für ein Murmeltier eine beachtliche Höhe ist. „Das wird lustig!", rief das Tier mit seinem leichten Lispeln. Der Designierte willigte also ein.
Als zwei Grüne, zwei Schwarze und ein Weißer den Sitzungssaal betraten, outete sich die weitum als Emanze verkannte grüne Listenführerin, als Frau mit der gewissen Hausfrauen-Pragmatik. Sie zog aus ihrer Tasche eine Eieruhr, stellte sie auf den Tisch und auf fünf Minuten ein. Die Erklärung für diese Geste kam umgehend an den Betroffenen, etwas verwehten professoralen Kollegen, der als erster mit ihr in den Saal durfte. „Wenn's klingelt, gehsch du einfach raus und schicksch den Riccardo einer."

Anton beobachtete diese Szene von seinem Logenplatz auf einer Kommode an der Wand aus, auf die er geklettert war. Dort hatte er sich etwas frivol ausgestreckt auf den Bauch gelegt. Alle vier Pfoten von sich gestreckt. Seine rechte Vorderpfote hing über die Kommode runter. Da er von diesen Fettpflanzenblättern immer an Blähungen litt, sah sich der Parteiobmann, trotz der zahlreich draußen versammelten Journalisten, gezwungen, ein Fenster zu öffnen. Die Journalisten glaubten so etwas wie „schlimm, diese Vegetarier" aus dem Munde des Obmanns vernommen zu haben.
Just in dem Moment erblickte mitten in der geschäftigen Journalistenmeute ein Gerücht das Licht der Welt. Nämlich jenes, dass die Neoabgeordnete der Grünen für den Regierungseintritt die Schließung des Landesschlachthofes gefordert habe.
Anton, der ja über ein unglaubliches Gehör verfügt, konnte darüber nur seinen Kopf schütteln und in leichter Überheblichkeit laut ausatmen.
„So wersch du nie a Luis. Sag ihnen halt: Pappm hebm! Und wir haben nur über Themen geredet." Anton wusste genau, was dem – zu dem Zeitpunkt noch – Designierten weh tat.

Nachdem ganze fünf heiße Runden nur über Landesratspostenverteilungsoptionen gesprochen worden war, klingelte die Eieruhr erneut und der Italiener musste wieder raus. Anton war genervt und entschloss kurzer Hand mitzuspielen. Er stieg von seiner Kommode und schwang elegant seinen runden Hintern Richtung Besprechungstisch. Die Anwesenden bemerkten plötzlich eine abrupte Zerstreutheit des sonst so auf Souveränität bedachten Designierten. Er blickte eher verstört neben den Tisch auf den leeren Boden. Dort streckte gerade ein Murmeltier seine Pfote nach einer Eieruhr und drehte nochmal sieben Minuten zurück.
Der grüne Professor, der gerade ansetzte ein Schlusswort für diese Runde zu sprechen, kam völlig durcheinander, weil plötzlich wieder genug Zeit übrig war. Doch im selben Moment klingelte die Uhr auch schon wieder. Die Runde endete recht chaotisch und man wurde sich nicht grün.

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