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Hansi Klein
Veröffentlicht
am 08.10.2013
MeinungSchicksalsjahr der Schwammelpartei

Das Dossier

Veröffentlicht
am 08.10.2013
Nach dem Schwammelkongress ging es so feuchtfröhlich zu, dass sich sogar der Agenturchef zur Rettung der Partei im Stage Diving versuchte.
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Irgendwann ist auch der ärgste Schmalz vorbei, dachte der Agenturchef, als er den Ballsaal aus der Jahrhundertwende verließ. Motivation ist gut und recht, Selbstvertrauen auch, aber das war mehr als ein Quäntchen zu viel. Der Schwammelkongress stank nach hochkonzentriertem Selbstlob anstatt Einschwören auf die heiße Phase.
In den meisten Presseinterviews, in die der Agenturchef im Vorbeigehen hineinhörte, hat das Parteivolk in überschwänglichem Pathos und Veränderungsadrenalinschub schon Siegestaumel angestimmt. Das machte selbst Jungmayer nervös. Er musste raus hier, weil er das nicht im Griff hatte.

Kaum hatte er einen Fuß auf den Gehsteig gesetzt, musste er auch schon auf die Seite springen, denn von hinten raste eine Corvette Baujahr 1978 die Straße runter und bremste auf dem Gehsteig mit einem lauten Quietschen direkt am Wadenbein Jungmayers. Nach einem kurzen Schock bekam der Agenturchef sofort heiße, rote Ohren und stürmte zur Fahrertür, riss diese laut schimpfend auf und stockte gleich wieder.

Am Steuer des Wagens saß nämlich ein gut gelaunter Walter Vorlackner mit erweiterten Pupillen. Der Musiker und Almfreund von Jungmayer mit dem Hang zu ausgefallenen Auftritten übertraf sich gerade wiedermal selbst. Vor allem im Timing. Fast so, als würde er über eine pilzgesteuerte, karmische Verbindung merken, wie es dem guten Jungmayer gerade ging.

Mit schnellem Gefährt

Trotz seines momentanen Tiefs war Harry Jungmayer aufmerksam genug und handelte rasch. „Rutsch rüber, ich fahre!", rief er in den Wagen. Walter gehorchte. Jetzt stand der Agenturchef plötzlich vor der Herausforderung, einen Wagen ohne Automatikgetriebe zu lenken. Das war lange her. Dementsprechend knackte, rasselte und krachte sein erster Versuch, den Gehsteig zu verlassen. Als es schließlich gelang, einen Gang einzulegen, drehten die Reifen durch und es stieg stinkender Nebel auf. Dafür war das Problem mit dem Gehsteig sofort gelöst. Blöd war nur, dass da schon das nächste Hindernis auf den armen Jungmayer in seiner Corvette zukam: das Straßencafè schräg gegenüber. Der Musiker auf dem Beifahrersitz amüsierte sich blendend. Kurzfristig panisch griff der Agenturchef zur Handbremse und zog sie mit einem festen Ruck an. Der rote Wagen mit zwei durchgehenden Blitzen über Motorhaube, Dach und Heck drehte einmal um die eigene Achse und blieb in einer Parklücke völlig korrekt geparkt stehen. Walter quittierte die Leistung mit lautem Gejohle und einem Kuss auf die Wange des Agenturchefs. Und schon hopste er aus dem Wagen und begrüßte eine Horde gaffender Touristen in weißen Tennissocken und Sandalen. Die Standarddeko dieser Stadt.

„Sagen se mal, junger Mann, drehen Sie hier einen Film?", fragte einer der Herumstehenden. „Wenn i di siehg, glabi i bin im falschen Film“, antwortete der leicht überdrehte Musiker. Und schon war er auch schon ein Stück die Straße weiter rauf unterwegs. Jungmayer, der sich noch kurz im extrem vollgeräumten Wagen umsah, entdeckte auf dem Rücksitz das Dossier, welches zuletzt mit Walter verschwunden war. Er ließ es dort erstmal liegen und musste Walter folgen. Er holte ihn erst bei einem Braugasthaus ein. Dort wurde gerade ein Oktoberfest gefeiert. Da der Agenturchef die Chance, Walter hier wegzubekommen, weit unter Null einschätzte, resignierte er gelassen mit den Worten an sich selbst: „Vielleicht ist Alkohol heute eine gute Lösung."

Die ersten zwei Mass waren rasch weggeputzt und Walter hatte sich gut im Griff. Dann wurde es auf dem Fest enger. Im Ballsaal gegenüber hatten die Jünger der Schwammelpartei nämlich gerade die Landeshymne gesungen und stürmten nun das Bierfest. Mit dabei sämtliche Politredakteure der lokalen Medien. Jungmayer hatte Glück, denn neben ihm auf der Bank nahm der nette junge Blondschopf, neuerdings Chefredakteurin des flauen Wochenmagazins, Platz. Sie lächelte, als sie sich vorstellte, und funkelte beherzt mit ihren blauen Augen. Jungmayer schmolz geradezu dahin.

Ihm gegenüber setzte sich die Stimmungskanone schlechthin, die Rothaarige aus dem Pressebüro der Schwammelpartei und dem strategischen Direktorat des Landeshauptmannspitzenkandidat. Jungmayer bestellte sofort eine Runde Bier und prostete den Damen zu. Die Rothaarige setzte an und leerte den Krug in einem Zug. Der Agenturchef war wiedermal beeindruckt. „Und die Jungs? Heute schon im Bett?", versuchte der Agenturchef die Dame ins Gespräch zu verwickeln. „Die kümmern sich noch um den Online-Niederschlag", giftete Madame zurück. Nach diesem, nur begrenzt erfolgreichen Versuch charmant zu sein, wandte sich Jungmayer an den kecken Blondschopf neben ihm. Er begann wortlos zu flirten, wurde aber gleich wieder von der Rothaarigen unterbrochen, die sich zu seinem Erstaunen plötzlich furchtbar nett gab. Frustriert allerdings. Ihre Mundwinkel imitierten die deutsche Bundeskanzlerin, während sie sich nach vorne beugte. Dabei fixierten ihre Pupillen die Augen Jungmayers und sie sprach: „Wir beginnen gerade die heiße Phase des Wahlkampfs und unser Landessekretär vertschüsst sich für drei Tage aufs Oktoberfest nach München." Jungmayer war schon wieder baff: „Macht er bei der Mister-Hofbräuhaus-Wahl mit?"

Eine Mass, zwei Mass, drei …

Endlich entspannte sich das Gesicht der Dame in lautem Lachen. Jetzt war weiteres Bier notwendig. Viel weiteres Bier. Und das blieb natürlich nicht ohne Folgen. In der Zwischenzeit wurde Walter Vorlackner in der Menge von einigen Fans der volkstümlichen Musik erkannt und schlussendlich gebeten, einige Lieder seiner neuen CD zum Besten zu geben. Nach langem Betteln und drei weiteren Mass, willigte der Musiker ein. Nicht ohne vorher kurz zu seinem Wagen zu laufen und die Texte der neuen Songs zu holen, weil er sie immer noch nicht intus hatte. Mit ein paar Papieren in der Hand betrat er schließlich die Bühne, begleitet von der Protokolldame der Schwammelpartei, mit der er sich zwischen dem fünften und sechsten Bier eingesungen hatte. Jungmayer verkündete den Damen am Tisch stolz, dass Walter sein Freund sei.

Der Biergarten mit all den Funktionären, Kandidaten und Journalisten freute sich über die Showeinlage. Die Musik begann, das Publikum klatschte Walter und den blonden Singvogel ein. Walter performte in einer Art Sprechgesang das, was er da auf dem Papier las. Es dauerte nur zwei Strophen und Jungmayer hatte kapiert, dass es sich hier um die nächste Katastrophe handelte. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge, musste kurz vor der Bühne auf einen Tisch steigen und tauchte von dort auf die Bühne. Walter sprang zur Seite und Jungmayer landete auf der improvisierten Backgroundsängerin, der Dame aus der Parteizentrale mit den blonden Haaren, die meist im Hintergrund die Fäden zog. An diesem Abend stand, pardon lag, sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit unter dem Agenturchef mit vollem Einsatz.

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