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Veröffentlicht
am 19.10.2013
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Die lieben Autofahrer

Veröffentlicht
am 19.10.2013
Kennst du deprimierte Autofahrer oder solche, nach denen nur mehr die Sintflut folgt? Nein? Dann anschnallen und festhalten.
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Ich warte. Im Café, in der Arztpraxis, an der Bushaltestelle, an der Kassa oder auf der Straße. Wir alle warten. Je länger wir in diesem Zustand bleiben, umso gelangweilter sind wir. Ich zum Beispiel. Um mir die Zeit zu vertreiben, beobachte ich die Menschen um mich herum. Ich male mir aus wie sie leben, ob sie verheiratet sind oder gerade auf dem Weg dies zu ändern, ob ihre Schwiegermutter ein Drache ist oder nicht, ob sie glücklich sind oder ob sie kurz davor sind, Amok zu laufen. Es gibt Menschen, denen kennt man ihre Gefühle an der Nasenspitze an, und es gibt Menschen, die ein perfektes Pokerface besitzen, bei denen man nie weiß, woran man ist. Die sind am schlimmsten. Eine tickende Zeitbombe, die vor Wut explodieren oder sich totlachen kann. Und selbst bleibt man bis zur letzten Sekunde ahnungslos.
Haben Sie schon mal Autofahrer beobachtet? Schrecklich. Viele glauben doch tatsächlich, man könne sie durch die Windschutzscheibe nicht sehen. Autofahrer sind nicht alle gleich, es gibt die verschiedensten Spezies. Ich, das Mädchen von nebenan, hat recherchiert und beobachtet und das ist dabei herausgekommen.

Die depressiven Autofahrer

Nichts für ungut. Ich weiß nicht, ob es für sie auch außerhalb des Autos stets regnet, aber während sie Autofahren sind es wohl die deprimiertesten Menschen, die es gibt. Die Mundwinkel nach unten gezogen, Augen starr geradeaus, der Ganghebel wird mechanisch betätigt, keine Regung im Gesicht. Es soll ja bekanntlich Menschen geben, die mit den Augen lachen können, wenn sich’s untenrum nichts tut. Die lachen nicht. Da hat es sich schon lange ausgelacht. Manchmal möchte ich denen doch glatt einen Oscar für die beste Schauspielleistung in Sachen Melancholie und Depression überreichen. Reihenweise.

Die bösen Autofahrer

Es gibt sie. Die mit dem bösen Blick. Eiskalt rieselt es über den Rücken, wenn dich ihr Blick trifft. Die Bösen halten nicht am Zebrastreifen. Und wenn sie es dennoch tun, haben sie wohl einen schlechten Tag. Unwirsch hebt dieser Autofahrer die Hand und winkt, man solle doch bitte die Straße überqueren. Kaum hat man das Auto ein paar Zentimeter hinter sich gelassen, braust der Wagen auch schon davon. So einem Menschen vor die Motorhaube zu laufen, ist nicht ungefährlich. Du weißt nicht, ob sein Fuß schon auf dem Gaspedal liegt und wie weit es schon durchgetreten ist.
Oh nein, entschuldigen Sie, dass ich Sie behelligt habe, fahren Sie ruhig weiter, ich hab’s mir anders überlegt.
(Nur zu empfehlen, wenn man die Straße nicht schon halb überquert hat. Ansonsten gilt: Laufen Sie um Ihr Leben!!!)
Kennen Sie die Hundebesitzer die irgendwann gleich aussehen wie ihr Hund? (Ich will niemanden zu nahe treten, doch das ist wissenschaftlich bewiesen.)
Das Auto des Bösen gleicht sich seinem Herrchen oder Frauchen an (Natürlich gibt es auch böse Frauen, wir wollen hier ja niemanden diskriminieren …). Vor wenigen Minuten war es noch ein stinknormaler, dunkelblauer Panda, doch jetzt … wird es zum dunklen schwarzen Tier. Die Lichter blitzten. Geifer rinnt aus dem Auspuff. Gleich klappt er sein wütendes Maul auf und wird dich fressen. Oder so ähnlich.

Die fröhlichen Autofahrer

Scherz. Die gibt’s ja gar nicht. Sie sind sehr selten. Nahezu ausgestorben. Aber, frisch-fröhliche, freundliche Autofahrer tun gut. Willst du den Zebrastreifen überqueren, dann halten sie und winken dir mit einem freundlichen Lächeln zu. Willst du dich aus einer Parklücke oder aus einer Nebenstraße in den zähen Verkehr einfädeln, sie halten und lassen dich vor. Und das Ganze auch noch mit einem Lächeln im Gesicht. Ohne einen Hauch von Depression, Aggression und Maschinenpistole. Dazu muss ich sagen, dass Menschen aus anderen Ländern, also nicht aus Italien, immer am nettesten sind. Das ist einfach so.

Die konzentrierten Autofahrer

Meistens Fahranfänger. Oder ältere Menschen mit Gewissen und Moral. Sollten Sie keins von beiden und dennoch konzentriert sein, gratuliere ich Ihnen schon mal. Sie sind eine einzigartige Ausnahme. Es gibt auch ältere Menschen ohne Gewissen und Moral. Die gehören aber nicht zu dieser Sparte. Eher zur Kategorie „Nach mir die Sintflut“ .
Jene sind uralt, geschätzte 80 Jahre, verreißen das Lenkrad, dass es sie nur so im Auto herumwirft und treten so schnell und ruckartig auf die Bremse, dass das Gebiss an der Windschutzscheibe ein Loch hinterlassen hat. Die sind so richtig gefährlich.
Aber zurück zu den Konzentrierten. Die gehen den anderen Autofahrern tierisch auf den Sack. 50 km/h bleibt 50 km/h, da kannst du noch so zähnefletschend auf meiner Heckscheibe kleben, ich fahr nicht schneller, als es die Geschwindigkeitsbegrenzung vorschreibt. Da hilft auch alles Hupen nichts. Und bei starkem, sinnflutartigem Regen fahren wir Fahranfänger eben meistens 20 km/h und hoffen, dass uns niemand von den gewissenlosen Alten in die Quere kommt.

Die Raser

Raser glauben, ihr Leben sei ein Film. Zumindest dann, wenn sie in ihr Auto steigen. In dieser Welt gibt es keine Ampeln, keine Geschwindigkeitsbegrenzung, keine Zebrastreifen und Sonntagsfahrer schon gar nicht. Schon mal den Gesichtsausdruck eines Rasers gesehen? Bevor man den ansatzweise definieren könnte, ist der Raser auch schon weg. Kleben sie an deiner Heckscheibe, mein Beileid. Wehe dir, du fährst zu langsam oder genau wie es die Geschwindigkeitsbegrenzung verlangt. Dann können die schon mal ausfallend werden. Zuerst jagen sie dir nach wie eine Horde Hornissen und kleben schließlich an deiner Heckscheibe. Nützt das immer noch nichts, beginnt das Hupkonzert. Die Heckscheibe ist kein Hindernis mehr, irgendwann glaubst du sie hätten sich in deinem Kofferraum eingenistet. Ein ganzer wütender, hupender … pardon … summender Schwarm Hornissen. Tinnitus ist nichts dagegen.
Aber was kann Mann und Frau dagegen ausrichten? Ebenfalls ausfallend werden? Die Ruhe bewahren? Oder einfach ganz gepflegt mit dem Mittelfinger auf die Radarfalle winken? Am effektivsten wäre es, einen kleinen Bildschirm an der Heckscheibe herunterfahren zu lassen, auf dem in leuchtend grünen Buchstaben „POLIZEI. BITTE FOLGEN!“ flimmert.

Die „Nach-mir-die-Sintflut“-Autofahrer

Wie schon weiter oben kurz angedeutet, handelt es sich bei dieser Spezies um eine der gefährlichsten überhaupt. Geisterfahrer nicht dazugezählt. Also um ältere Menschen ohne Gewissen und Moral. Natürlich kann man dazu auch deutlich jüngere Menschen zählen, die stehen den Alten in nichts nach. Meistens sind diese Fahrer kurz vor der Ausmusterung, also umgangssprachlich echt alt. Es ist ein Wunder, dass der Staat ihnen noch den Vollbesitz der geistigen Kräfte zutraut. Solange der Mensch noch rüstig genug ist, soll er doch fahren, so lautet die Devise. Nur: was bedeutet eigentlich „rüstig genug sein“? Heißt rüstig sein etwa, solange der Alte noch die Bremse und das Gaspedal bis zum Anschlag durchtreten kann und das Gebiss erst bei der zweiten Vollbremsung aus der Haftcremeverankerung gerissen und kläffend strahlend weiß bis hellgrau an der Windschutzscheibe klebt? Diese Menschen sind mit Vorsicht zu genießen. Immerhin haben sie schon 70, 80 oder mehr Jahre auf dem Buckel und haben in Sachen Gerissenheit viel mehr Erfahrung. So nützt es dir rein gar nichts, dem alten Opa wegen rücksichtslosem Fahren zu verklagen, während er auf die Tränendrüse drückt und mit erstickter Stimme an die Grausamkeit des 1. Weltkrieges erinnert. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Rein gar nichts. Das ist Taktik. Der Mensch reagiert eben auf Emotionen. Und so ist der Zorn auf den alten, in gebückter Haltung stehenden Großvater, schnell verraucht. Der arme alte Mann. Läuft mit erstaunlich flinkem Schritte hinter sein heißgeliebtes Lenkrad, kichert sich ins Fäustchen, lacht über die naive Jugend und düst in einen Affentempo davon.
Und unsereiner? Wünscht sich, in diesem Alter genauso rüstig und gewieft zu sein, um irgendwann den Enkelkindern des alten Mannes, eines auswischen zu können.

Die „Musik-kann-nie-laut-genug-sein“-Autofahrer

WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM
Erdbeben???
Nein. Presslufthammer?
Nein. Sprengungen?
Nein. Was dann???
Techno. Hä?
WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM – WUMM
Die Straße vibriert, sie erzittert unter den Bässen, die über die normale Lautsprecheranlage eines Radios weit hinausgeht. Meistens haben diese Autos leicht getönte Scheiben und sind auch nicht mehr die neuesten. Was du dagegen tun kannst? Rein gar nichts. Sie würden dich ja doch nicht hören.

Autorin: Julia Niederbrunner

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