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Illustrations by Sarah
Teresa Putzer
Veröffentlicht
am 30.04.2021
LeuteInterview mit Florian Skrabal

Wie abhängig sind Journalisten?

Eine Klage von OMV, knappe Finanzen und Zeitmangel: Florian Skrabal, Chefredakteur von "Dossier", kennt die Probleme, mit denen unabhängige Medien kämpfen müssen.
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Ein russischer Journalist (im Bild) wird abgeführt. Aber auch hierzulande werden investigativen Journalisten alle möglichen Hürden auf den Weg gelegt.

Florian Skrabal ist Chefredakteur bei Dossier, einer unabhängigen Rechercheplattform, die investigativen Journalismus betreibt. Durch gründliche und zeitintensive Recherchen decken die Dossier-Journalisten skandalträchtige Missstände aus Politik und Wirtschaft auf. Zuvor war der 42-Jährige bereits beim Monatsmagazin DATUM, der Tageszeitung, der Presse und dem deutschen Wochenmagazin stern tätig. Er kennt sowohl Herausforderungen als auch die Verantwortung von anspruchsvollem Journalismus.

Herr Skrabal, was bedeutet Unabhängigkeit im Journalismus?
Unabhängigkeit bedeutet die Negation von Einflussnahme. Das bedeutet, ohne Störgeräusche, Einflüsterer und Menschen von außen, die mitreden, was geschrieben werden darf und was nicht, journalistisch zu arbeiten. Das ist natürlich in erster Linie eine Frage der Finanzierung. Ein journalistisch unabhängiges Medium darf dabei nicht von Banken, großen Unternehmen, öffentlichen Stellen, Institutionen oder vom Staat finanziert werden. In dieser Unabhängigkeit, ohne Rücksichtnahme auf Finanzierung, besteht letztlich die Freiheit der journalistischen Arbeit.

Dossier-Chefredakteur Florian Skrabal

Muss Journalismus unabhängig sein, um gut zu sein?
Ja. Unabhängigkeit gilt als zentrales Qualitätskriterium für jegliche Art des Journalismus. Das Prinzip, das dabei verfolgt wird, lautet: Informationen zu liefern, auf deren Richtigkeit sich die Menschen zu 100 Prozent verlassen können. Ein unabhängiges Medium verpflichtet sich somit, ausschließlich Fakten zu berichten und jegliche Informationen zu überprüfen. Guter, also unabhängiger Journalismus, ist bemüht, zuverlässige Quellen zu finden, diese zu überprüfen, zu hinterfragen und allen Beteiligten einer Geschichte die Möglichkeit zu geben, Stellung zu beziehen. Das ist natürlich ein sehr aufwendiges und zeitintensives Arbeiten. Eine unabhängige Finanzierung muss diesen Arbeitsprozess fördern, um qualitative Berichterstattung zu ermöglichen.

Welches sind die Themen, die Ihrer Meinung nach in erster Linie aufgegriffen werden sollten?
In erster Linie sind das Themen, die Menschen bewegen und betreffen. Es sollte nicht nur um emotionale Betroffenheit, sondern um wichtige Dinge gehen, wodurch Menschen eine Basis gegeben wird, Entscheidungen informiert treffen zu können. Die Themen sollten also Bestandteil einer Aufklärungsarbeit sein. Aktuell sind das sicherlich gesundheitliche Themen, aber auch Themen über Sicherheit, Digitalität und Corona. Die Themenwahl und natürlich die Ausführung der Berichterstattung gehen mit enormer Verantwortung einher und sollten immer dem Mehrwert einer Gesellschaft dienen.

Die Unabhängigkeit des Journalismus ist nicht nur in dafür bekannten Ländern in Gefahr, sondern auch bei uns. Haben Sie selber auch schon Formen von Einflussnahme oder gar Einschüchterung erfahren?
Ja, ich wurde bereits mehrfach Zeuge von Versuchen, unabhängige Medien zu beeinflussen, einzuschüchtern und gefügig zu machen. Da das Dossier nicht über Kredite, große Unternehmen, Banken oder Werbung finanziert wird, fällt diese finanzielle Einflussnahme weg, wodurch andere Wege der Einschüchterung eingeschlagen werden.

Zum Beispiel?
Aktuell klagt uns die OMV, das größte Industrieunternehmen Österreichs und versucht dabei, die Redaktion des Dossier einzuschüchtern. Dieses Unternehmen verlangt 130.000 Euro Schadensersatz für unsere Berichterstattung. Diese Summe kann einer kleinen Redaktion wie dem Dossier immens schaden. Man muss sich vor Augen halten, dass in diesem Fall ein 23 Milliarden schweres Unternehmen klagt, für die 130.000 Euro Peanuts sind. Hier geht es um keinen Schadenersatz, sondern um die Vernichtung eines unabhängigen, investigativen Mediums. Solche Einschüchterungen sind für unabhängigen Journalismus nichts Neues. Dennoch bedeutet eine solche Klage für das Dossier eine existenzielle Bedrohung, weil wir ja nicht vom Staat oder Banken finanziert werden.
(Die Klage wurde kurz vor Veröffentlichung, jedoch nach diesem Interview wieder zurückgezogen, Anm. d. Red.)

Die Bereitschaft von Lesern und Leserinnen, das Mediums selbst zu tragen, ist die beste und unabhängigste Finanzierung.

Wie wurde das Dossier bislang finanziert?
Das Dossier finanziert sich überwiegend durch Selbsterhaltung. Menschen die beim und fürs Dossier arbeiten, arbeiten ein Stück weit freiwillig, weshalb das Dossier aktuell auch nur sechs Angestellte hat. Ansonsten finanziert sich das Medium über drei weitere Standbeine. Zum Einen über die Mitgliedschaft und Abonnements, also die Heftverkäufe. Zum Anderen bieten wir Fortbildungen für junge Journalist*innen an und „verkaufen“ unsere Kernkompetenz, also die Informationsbeschaffung, Datenanalyse und Recherche, an andere Medien. So waren wir Teil von Auftragsarbeiten, wie beispielsweise die ORF-Serie „Gute Nacht Österreich“ oder „Bist Du deppert!“ bei Puls 4. Wir haben auch für den Falter am Film „Supernaked“ mitgearbeitet. Das Problem dabei ist, dass relativ wenig Zeit für das Dossier selbst bleibt. Deshalb wollen wir unsere Leserschaft ausbauen, weil meines Erachtens die Bereitschaft von Lesern und Leserinnen, das Mediums selbst zu tragen, die beste und unabhängigste Finanzierung darstellt.

Das Dossier hat Anfangs April – aufgrund der finanziellen Notlage des Mediums – eine Rettungsaktion gestartet. Die existenzielle Krise wurde bereits überwunden und das Dossier zählt so viele Mitglieder wie noch nie. War die große Unterstützung der Leser und Leserinnen eine Überraschung oder doch irgendwie erwartet?
Mit dem Gewinn an neuen Mitgliedschaften habe ich gar nicht gerechnet. Ich hätte nicht gedacht, dass es möglich sein wird, so viele Menschen in so kurzer Zeit zu überzeugen, diese Art des Journalismus zu unterstützen. Wir haben jetzt plus 2.000 Mitglieder, das sind doppelt so viele Mitglieder, wie vor dem Crowdfunding. Für uns ist dieser überraschende Zuspruch ein unglaublich tolles Feedback. Wir schließen daraus, dass die Arbeit, die wir machen, als wichtig empfunden wird und so weiter gemacht werden soll.

Wünschen Sie sich mehr staatliche Förderungen? Schließlich wird der Journalismus oft als vierte Säule im Staat bezeichnet.
Jein. Prinzipiell ja, allerdings braucht es dafür viele Voraussetzungen. Staatliche Förderung bedeutet Steuergeld. Dieses Steuergeld müsste daher nach konkreten Zielen fair und transparent vergeben werden. Dadurch dürfte keinerlei Form von Abhängigkeiten oder Einflussnahme entstehen. Staatliche Förderungen müssten daher zulassen, dass der Journalismus das berichtet, was er will, unabhängig davon, ob sich die Berichterstattung gegen den Staat selbst oder Regierende richtet. Wenn allerdings die Förderung der Medien durch den Staat mit Einflussnahme und Beeinflussung von Medien einhergeht, dann zahlt sich die staatliche Förderung nicht aus, weil dadurch gutes unabhängig journalistisches Arbeiten unmöglich wird.

Es fehlt grundlegend der politische Wille, kritischen und freien Journalismus zu fördern.

Das Dossier bleibt also unabhängig. Sind diese Voraussetzungen demnach in Österreich nicht gegeben?
Sollten die Rahmenbedingungen passen, würde sich das Dossier um staatliche Mittel bemühen. Die Forderung nach transparenter und fairer staatlicher Förderung in Österreich hat noch einen langen Weg vor sich. Hierzulande sehen die Mächtigen und Regierenden Steuergelder gerne als ihr eigenes Geld an und denken dadurch, Einfluss beanspruchen zu können. Erfahrungsgemäß werden sich diese Bedingungen in Österreich nicht ändern. Der österreichische Staat und die Regierung haben es nicht geschafft, eine funktionierende Form der Presseförderung aufzubauen, obwohl Ideen und Konzepte bestehen. Es fehlt grundlegend der politische Wille, kritischen und freien Journalismus zu fördern.

Jetzt wo Dossier gerettet ist: In welche Richtung wird das Medium gehen?
Der Plan ist zu wachsen. In Zukunft hoffen wir Dossier viermal, statt zweimal im Jahr herauszugeben. Durch die vermehrte Erscheinungspräsenz erhoffen wir uns ein größeres Publikum anzusprechen und dadurch neue Mitglieder anzuziehen. Inhaltlich wollen wir dem Credo „faktenbasierter und unabhängiger Journalismus“ treu bleiben. Unsere Leserschaft soll die Gewissheit haben, dass das, was wir veröffentlichen, stimmt. Die Zuverlässigkeit von Informationen ist heutzutage enorm wichtig. Wir leben in einer Welt voller journalistischem Bullshit. Es kursieren so viele Falschinformationen und Fake News, dass es für einige Leser*innen eine Schwierigkeit darstellt, auf Fakten und Tatsachen in Entscheidungsprozessen zurückgreifen zu können.

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