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Die Sprache seiner Großeltern ist kaum bekannt, wenig wird sie gesprochen, das Sm’algya̱x. Seit einigen Jahren beschäftigt sich Pahl, Angehöriger der Ts’msyen, mit dieser gefährdeten Sprache, mit den Wörtern, der Grammatik und der Aussprache. Jetzt singt er in Sm’algya̱x.
Vor fünf Jahren tauchte er in die Sprachenwelt seines Volkes ein. Heute, erzählt Jeremy Pahl, denke und träume er in der wiedererlernten Sprache seiner Vorfahren, in Sm’algya̱x. Sie ist seine Muttersprache geworden. Am 1. Juli erschien sein erstes Album in Sm’algya̱x, G̱al’üünx wil lu Holtga Liimi, die Single bereits Ende Mai.
Jeremy Pahl mixt Country und Folk, würzt seine Musik mit Ts’msyen-Geschichten und -Wissen.
Der 34-jährige Pahl nennt dieses Album einen „Moment, in dem sich der Kreis schließt“ und einen bedeutenden Meilenstein für ihn als Musiker und Sm’algya̱x-Sprecher. Pahl – sein indigener Name lautet Wil Uks Batsga G̱a̱laaw – beschreibt sein Album als eine Form des Widerstands „gegen die weitere Auslöschung unseres Volkes, unserer Kultur und unserer Sprache“. Jahrhunderte lang versuchten die kanadischen Regierungen, indigene Sprachen, Geschichten und Kulturen durch vielfältige Assimilierungs-Programme auszurotten. Diese wurden oft gewaltsam umgesetzt, bestätigt auch die Wahrheits- und Versöhnungskommission.
Nach Angaben des First Peoples’ Cultural Council (FPCC) lernen derzeit 17.000 Menschen in der kanadischen Provinz British Columbia ihre Herkunftssprachen – 3.000 mehr seit 2018. Laut Pahl sprechen nur noch 65 Ts’msyen fließend Sm’algya̱x. Vor zwanzig Jahren sollen es noch 400 gewesen sein, meist Angehörige der älteren Generation.
Eine von Pahls Sprachmentorinnen, die 72-jährige Theresa Lowther, freut sich über das Album. Nach Jahrhunderten des Sprachverlusts sei sein neues Album ein Grund zur Hoffnung. „Vor Jahren hatten wir Angst, dass unsere Sprache sterben würde“, sagt Lowther. Und die fließende Sm’algya̱x-Sprecherin – Huhu uŁk ihr traditioneller Name – ergänzt: „Ich sehe jetzt das Licht am Ende des Tunnels und ich glaube, Jeremy ist ein Vorreiter.“
G̱al’üünx wil lu Holtga Liimi
„G̱al’üünx wil lu Holtga Liimi“ bedeutet „eine Bugholzkiste voller Lieder“. „In einer Bugholzkiste wurden viele Dinge, wie getrocknete Beeren oder Tierfett, sicher aufbewahrt“, erzählt Pahl. In der Tradition der Ts’msyen waren Gesang und Lieder von großer Bedeutung, heilig. Auch sie gehören in die Bugholzkiste.
Die 34-jährige Adziksm Gyipaayk (Kelli Clifton), lernte Sm’algya̱x mit Pahl, entwarf das Cover des Albums. Sie bezeichnet das Album als etwas Besonderes: „Es ist sehr emotional, weil mein Vater als kleines Kind noch fließend Sm’algya̱x sprach“, und fügt hinzu: „Dann besuchte er die Indian School – dort wurde er gezwungen, Englisch zu sprechen.“
Pahl feiert nicht den Canada Day
Während viele am 1. Juli den Canada Day feierten, veröffentlichte Pahl sein Album, eine Hommage an die Ältesten. Vom Canada Day hält er wenig: Er sei kein Festtag, sondern stehe für die Unterwerfung der indigenen Völker, für Landraub und Völkermord. Immer mehr indigene Nationen wenden sich vom Canada Day ab, wie die Heiltsuk. Stattdessen feiern sie sich selbst, und dass sie die europäische Invasion überlebt haben.Die Älteste, Theresa Lowther, freut sich über den Enthusiasmus der jüngeren Generation, ihre Vergangenheit kennenzulernen, auch die verloren gegangene Sprache und Kultur. Das trage dazu bei, den erlittenen Schaden zu heilen, der durch koloniale Praktiken wie Residential Schools angerichtet wurde. „Eine Sache, die mich wirklich glücklich macht, ist die Menge an jungen Leuten … Sie haben den Staffelstab übernommen und damit weitergemacht, haben Stellung bezogen und gesagt: ,Wir bringen Sm’algya̱x wieder zurück.‘“ Und die eigene Geschichte.
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