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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 16.02.2016
LeuteAuf a Glas'l mit Evelin Lanthaler

„Locker losfahren“

Veröffentlicht
am 16.02.2016
Als Kind war Evelin Lanthaler ein Sensibelchen. Dieses Jahr gelang der Naturbahnrodlerin der Durchbruch: Die Passeirerin wurde Weltcupsiegerin und Europameisterin.
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Mit bis zu 80 Stundenkilometer rauscht sie die schneebedeckten Bahnen hinunter. „Ich setze mich auf die Rodel und fahre locker los. Das ist genau das, was man braucht, damit man gute Zeiten bekommt“, sagt Evelin Lanthaler, lächelt und trinkt einen Schluck Wasser. Und diese Strategie geht auf. Die 24-Jährige aus Platt im Hinterpasseier ist Naturbahnrodlerin und auf Erfolgskurs. In dieser Saison löste sie Seriensiegerin Jekaterina Lawrentjewa als Gesamtweltcupsiegerin ab und wurde überdies Europameisterin. Im Sommer arbeitet Evelin Landthaler als Kellnerin, von Anfang Dezember bis März widmet sie sich dem Sport.

Wie bist du zum Rodeln gekommen?
Schon meine Schwestern sind früher gerodelt und so bin ich damit aufgewachsen. Ich habe es versucht und es hat mir gleich gefallen. Als ich mit etwa neun Jahren angefangen habe, war ich ein Sensibelchen und bin oft weinend nach Hause gekommen – wir hatten einen strengen Trainer. (lacht) Jetzt im Nachhinein weiß ich natürlich, dass er ein sehr guter Trainer war. Nach einem Jahr habe ich das Rodeln aufgegeben, aber ein Jahr später zusammen mit einer Freundin wieder angefangen. Da bin ich dann erste Wettkämpfe gefahren.

Wann bist du das allererste Mal auf einer Rodel gesessen?
(lacht) In Platt verlief die Rodelbahn durchs Dorf, deshalb bin ich sicher schon auf der Rodel gesessen, bevor ich überhaupt laufen konnte.

Schon als Kind ging Evelin gerne rodeln. Ihre zwei Schwestern haben es ihr vorgemacht.

Und warum Naturbahn? Wieso bist du nicht bei den Kunstbahnrodlern?
Mich hat das nie interessiert. Zwar ist es olympisch, was sicher ein Argument für die Kunstbahn wäre, aber meine Sportart gefällt mir einfach viel besser. Sicher bekommen wir nicht die gleichen Geschwindigkeiten drauf wie Kunstbahnrodler, aber man kann die Sportarten auch nicht miteinander vergleichen. Das ist in etwa so wie Skifahren und Snowboarden – also eigentlich etwas total anderes. Ich finde, Naturbahnrodeln ist actionreicher und man kann auch als Laie erkennen, wenn der Athlet einen Fehler gemacht hat. Beim Kunstbahnrodeln versteht man nicht gleich, was schief gelaufen ist.

Wie viel Zeit investierst du ins Rodeln?
Die vergangenen eineinhalb Jahre war ich sehr fleißig. Ich bin auch im Sommer drei- bis viermal pro Woche ins Fitnessstudio gegangen und in der Freizeit auf den Berg. Im Winter bin ich sowieso fast jeden Tag auf der Rodel und wenn nicht, dann bin ich zu den Rennen unterwegs. Es ist fast so intensiv wie bei einem Profisportler, wir bekommen aber viel weniger zurück und können nicht davon leben.

Wie finanzierst du den Sport?
Die Rennen werden vom italienischen Verband bezahlt, anders könnte man sich das nicht leisten, weil man mehr Ausgaben hätte. Bei den Weltcuprennen bekommen wir Siegprämien, das sind aber nur 750 Euro pro Sieg. Sponsoren wie das Passeiertal und noch einige kleinere Sponsoren unterstützen mich. Auch die Südtiroler Sporthilfe und meine Eltern greifen mir unter die Arme. Den Rest muss ich selbst investieren.

Du hast jetzt die jahrelange Dominatorin Jekaterina Lawrentjewa als Weltcupgewinnerin abgelöst. Warum hat es erst jetzt geklappt?
Ich habe immer gesagt: Wir müssen sie einfach mal nervös machen, damit sie mehr Fehler macht. Das erste Mal hat das geklappt, als ich vor zwei Jahren meinen ersten Weltcupsieg in Olang gewonnen habe. Dann sind wir immer näher an sie herran gekommen. Wir haben in letzter Zeit auch im Team wirklich gut gearbeitet, haben einiges am Material geändert und viel trainiert. Durch die vielen Trainings bin ich im Kopf locker geblieben und ziemlich stark geworden. Und wenn man ein- oder zweimal gewinnt, wird man sich immer sicherer. Man weiß, dass man es kann, fährt lockerer, macht dadurch weniger Fehler und ist nicht mehr so nervös beim Start. Ich war zwar immer noch angespannt, aber ich wollte einfach gewinnen.

Kommendes Wochenende geht im Ötztal das letzte Weltcuprennen dieser Saison über die Bühne. Dann folgen die Landes- und Italienmeisterschaften.

Evelin in Aktion.

Und jetzt wirst du von den Medien als „die Größte“ bezeichnet. Was ist das für ein Gefühl?
(grinst) Auf der einen Seite ist es ja ganz cool, dass die Medien das schreiben, aber es ist auch ungewohnt. Ich denke, ich habe zwar viel erreicht, dass ich deshalb etwas Besonderes sein soll, fühlt sich aber komisch an. Mich sprechen jetzt öfter Leute an. Das ist ungewohnt und ich bin nicht der Mensch, der im Mittelpunk stehen muss. Trotzdem ist es ein bäriges Gefühl und auch gut für die Sportart, dass sie bekannter wird.

Hast du Vorbilder?
Ich muss sagen, ich bewundere Patrick [Pigneter, Anm. d. Red.]. Er macht seine Sache gut und steckt viel Zeit in den Sport. Und er ist fair. Wenn es mal nicht so gut läuft, sagt er offen, dass die anderen einfach besser waren. Er steckt es weg und gibt beim nächsten Rennen wieder sein Bestes. Das macht sportliches Verhalten aus und das finde ich gut.

Rodeln hat in den Medien nicht die Aufmerksamkeit wie etwa Skifahren. Würdest du dir wünschen, dass sich das ändert?
In Südtirol ist die mediale Aufmerksamkeit in den vergangenen Jahren gestiegen. Das liegt sicher daran, dass wir bei den Rennen gut dabei sind. Außerhalb des Landes berichten die Medien wenig. Der Internationale Rodelverband FIL hat in den vergangenen zwei Jahren ein fixes Kamerateam eingestellt, das bei fast jedem Rennen dabei ist. Die Zusammenfassungen werden dann zwar oft zu ungünstigen Uhrzeiten übertragen, aber zumindest wird etwas gemacht. Es fehlt eben an Geld.

Dass Naturbahnrodeln in der Berichterstattung oft untergeht, liegt auch daran, dass die Sportart nicht olympisch ist. Gewisse Kriterien wurden noch nicht erfüllt, weshalb das Internationale Olympische Komitee die Aufnahme verweigert.

Was würdest du sagen, wenn Naturbahnrodeln olympisch würde?
Das wäre bärig. (lacht) Logisch hoffe ich das. Aber ich glaube nicht, dass ich noch rodle, wenn es einmal soweit ist. Bei der nächsten Olympiade ist es sicher nicht olympisch, dann liegen nochmal vier Jahre dazwischen und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange ich rodeln werde. Ich schaue von Jahr zu Jahr, wie es mir Spaß macht und wie das Rodeln mit meinem Beruf zusammenpasst. Und vielleicht gründe ich auch von einem Jahr aufs andere eine Familie. (lacht) Aber wenn es mal olympisch wird, bin ich sicher als Trainerin dabei.

Strebst du also eine Trainerkarriere an?
Das interessiert mich immer mehr, wenn ich sehe, wie die Kleinen zu mir aufschauen und mich auch als Vorbild sehen. Ich glaube, ich könnte mit den Kindern recht gut umgehen und etwas dazu beitragen, dass die Sportart nicht ausstirbt. Kunstbahnrodeln wirkt natürlich schon sehr attraktiv auf den Nachwuchs.

Und was planst du für die Zukunft?
Ich habe mir nichts vorgenommen. Ich bin spontan und ich lebe im Jetzt. Jetzt möchte ich aber vorerst, dass ich mit Freude beim Sport bleibe und es gut weiterläuft. Der Sport tut mir gut und zeigt mir, was wichtig ist. Etwa, dass man auch mal kämpfen muss. Aber vom Rodeln kann man eben nicht leben und irgendwann werde ich den Sport aufgeben. Dann möchte ich typische Dinge, die viele Frauen wollen – wie eben eine Familie gründen. (lacht)

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