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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 25.07.2016
LeuteAuf a Glas'l mit einer Hebamme

Ein intimer Moment

Veröffentlicht
am 25.07.2016
Die freiberufliche Hebamme Astrid Di Bella über Hausgeburten, Alternativen zu großen Geburtenstationen und die Schließung der Geburtenabteilung in Sterzing.
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Freiberufliche Hebamme Astrid Di Bella

Laut neuem Landesgesetz müssen Geburtenstationen mit weniger als 500 Geburten im Jahr einen 24-Stunden-Aktivdienst mit drei Fachärzten und einer Hebamme garantieren können. Das ist nicht für alle Krankenhäuser in Südtirol möglich. Mit Ende Oktober diesen Jahres soll die Geburtenabteilung in Sterzing deshalb geschlossen werden.

„Bevor man eine gut funktionierende Struktur schließt, muss man sich Alternativen überlegen“, sagt Astrid Di Bella. Die 39-Jährige aus Auer ist selbst Mutter von drei Kindern. Sie arbeitet seit 15 Jahren als Hebamme, mittlerweile freiberuflich neben ihrer Arbeit als Präsidentin des Hebammenverbands Südtirol und als Hebamme im Haus der Familie. Gerade kommt sie von einem Hausbesuch bei einer werdenden Mutter, die eine Hausgeburt plant.

Warum arbeiten Sie als freiberufliche Hebamme?
Oft begleitet man in größeren Krankenhäusern in einem Turnus zwei bis drei Frauen. Danach kommt man nach Hause und weiß oft nicht mal mehr, wie die Frauen heißen. Das war mitunter ein Grund, warum ich weg bin. Bei Hausgeburten ist das ganz etwas anderes. Man begleitet die Frau während der Schwangerschaft und auch danach. Diese Frauen erinnern sich genau an ihre Hebamme.

Welche Frauen holen sich eine freiberufliche Hebamme?
Zum einen Frauen, die eine Hausgeburt möchten, aber auch Frauen, die im Krankenhaus entbinden und dort ihre eigene Hebamme dabei haben möchten. Erstaunlich ist: Alle Hebammen, die ich kenne und die selbst Kinder bekommen, holen sich eine eigene Hebamme. Eine Geburt ist eben etwas ganz Intimes und es ist schön zu wissen, wen man bei diesem besonderen Ereignis dabei hat. Es ist aber auch eine Kostenfrage, denn eine private Hebamme muss man selbst bezahlen.

Die Geburtenabteilung von Sterzing soll mit Ende Oktober geschlossen werden. Werden freiberufliche Hebammen in Zukunft immer wichtiger?
In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl der freiberuflichen Hebammen verdoppelt. Es sind zwar immer noch nicht viele, wir sind um die zehn Frauen, aber die Nachfrage wird immer größer. Man muss aber auch sagen, dass es in Südtirol ein gutes System gibt. Es gibt Frauen, die keine freiberuflichen Hebammen brauchen, weil sie vom Gesundheitssystem gut betreut werden.

Nun ist die Betreuung in Südtirol aber nicht überall gleich. Eine Frau im Bezirk Bozen hat Anrecht auf eine Hebamme vom Sprengel, die Hausbesuche macht, für die sie nichts bezahlt. Frauen außerhalb vom Bezirk Bozen haben dieses Anrecht nicht …
Zurzeit wird auf Landesebene versucht daran zu arbeiten und wir kämpfen auch dafür, dass es in Zukunft überall gleich wird, weil es anders einfach nicht richtig ist. Warum soll eine Frau, die im Überetsch wohnt, eine bessere Betreuungsmöglichkeit haben, als eine Frau in Brixen, Meran oder Bruneck?

„Ich kritisiere nicht die Schließung, aber warum muss man gerade jetzt schließen? Bevor man eine gut funktionierende Struktur schließt, muss man sich eine Alternative überlegen.“

Was sagen Sie zur Schließung der Geburtenabteilung in Sterzing?
Wenn alles so geblieben wäre wie es war, wäre ich gegen die Schließung. Mit dem neuen Landesgesetz kann Sterzing auf Dauer nicht weiter so funktionieren wie bisher. Ich kritisiere nicht die Schließung, aber warum muss man gerade jetzt schließen? Bevor man eine gut funktionierende Struktur schließt, muss man sich Alternativen überlegen. Es wäre toll, wenn man es schaffen würde, zusammen mit Brixen ein neues Modell zu entwickeln, in dem die beiden Kriterien Sicherheit und Familiarität erfüllt werden. Alle Frauen sollen die Möglichkeit haben, sich entscheiden zu können. Einige Frauen entscheiden sich für Bozen, weil es dort die Neugeborenen-Intensivstation gibt. Andere suchen sich wegen der familiären Umgebung bewusst ein kleineres Krankenhaus aus. Ich bin froh, dass es die Medizin gibt, aber man muss verstehen, dass nicht jede Geburt Ärzte braucht. Sie sollen da sein, ja, aber im Hintergrund. Und nur dann eingreifen, wenn es Probleme gibt. Solche Alternativen gibt es noch nicht und das wäre wichtig, bevor man Sterzing schließt.

Seit der neu aufgeflammten Debatte um die Schließung der Geburtenstation gibt es immer wieder Diskussionen. Werden sie zu emotional geführt?
Man sollte versuchen, das Thema weniger emotional anzugehen, dafür mit Fakten von beiden Seiten. Jede Frau bildet sich ihre Meinung aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung. Frauen, die nicht so gute Erfahrungen bei der Geburt gemacht haben, bei denen die Anwesenheit des Arztes wichtig war, um die Gesundheit für Mutter und Kind sicherzustellen, haben bei der nächsten Geburt andere Bedürfnisse als Frauen, die ihr Kind zum Beispiel zu Hause zur Welt gebracht haben. Ich glaube, es sind viele gegen die Schließung, es sind aber auch viele dafür, die sich nicht dazu äußern.

Viele Frauen außerhalb von Sterzing sind zum Entbinden ins Krankenhaus Sterzing gefahren, weil es dort besonders schön sein soll. Die pensionierte Kinderärztin Gertrud Zanon-Wahlmüller sagte nun aber im Gespräch mit salto.bz:„Es ist nicht einzusehen, dass Südtirol für den oberitalienischen Raum eine „Klinik für schöne Geburtserlebnisse” schaffen muss. Was sagen Sie dazu?
Was Sterzing zum Beispiel hat, was andere nicht haben, sind die Familienzimmer. Das heißt, dass die Papis die erste Nacht bei Frau und Kind verbringen dürfen. Ich weiß, dass sich viele aus diesem Grund für Sterzing entscheiden. Zudem dürfen Väter bei einem Kaiserschnitt mit in den Operationssaal, das dürfen sie auch nicht in allen Krankenhäusern Südtirols.
Ich glaube, wenn man Sicherheit und schöne Geburtserlebnisse verbinden kann, ist das das allerwichtigste. Ich gebe Wahlmüller Recht, es braucht keinen Luxus wie etwa besondere Räume oder besondere Betten. Die Möglichkeit für ein gutes Geburtserlebnis sollte eine Mindestvoraussetzung für alle sein und dafür muss man nicht ausschließlich nach Sterzing gehen. Frauen können in jedem Krankenhaus gut entbinden. Man muss aber wissen, dass die Betreuung von zeitlichen und räumlichen Ressourcen abhängt und nicht nur von der Kompetenz des Personals. Alle Hebammen und Ärzte würden vielleicht gerne so arbeiten wie in Sterzing oder anderen kleinen Krankenhäusern, aber wenn man die Zeit nicht hat, geht das nicht.

Wie wichtig ist für eine Frau, bei der Geburt in einer Umgebung zu sein, in der sie sich wohlfühlt?
Das ist einer der allerwichtigsten Faktoren. Mittlerweile wurde das sogar mehrfach wissenschaftlich bewiesen. Eine Geburt ist ein hormoneller Vorgang. Die Frauen müssen sich wohlfühlen, damit sie Vertrauen haben, sich gehen lassen und sich entspannen können. Dann kann die Geburt erst losgehen. Denn je angespannter die Frau, desto weniger Hormone werden ausgeschüttet. Dann muss vielleicht medizinisch eingegriffen werden, was Auswirkungen auf die Geburt hat. Deshalb entscheiden sich immer noch einige für eine Hausgeburt.

Wie viele Hausgeburten gibt es in Südtirol?
Ein Prozent, also etwa 50 Hausgeburten jährlich. Auch ich habe dreimal zu Hause entbunden. Das machen auch mehrere Hebammen so, da müsste man sich auch überlegen warum. (lacht) Aber eine Hausgeburt ist nicht für jeden etwas und genau darum geht es. Jede Geburt ist individuell. Die eine soll ins hochspezialisierte Krankenhaus gehen, die andere Zuhause entbinden können. Die eine sollte von der Hebamme betreut werden, die andere vom Arzt. Alles ist richtig und alles muss seinen Platz in Südtirol haben.

Sind Hausgeburten gefährlicher?
Auch wenn man alle Geburten auf einem hochspezialisierten Krankenhaus konzentriert, wird nicht immer alles gut gehen. Wir sind aber in einer Gesellschaft, in der man alles perfekt haben will und alles kontrollieren will. Entscheidet man sich für eine Hausgeburt, dann begleitet die Hebamme die Frau schon in der Schwangerschaft. Das ist wichtig, auch damit sie das Risiko einschätzen kann, denn Hausgeburten sind nicht bei jeder Frau möglich. Es gibt klare Richtlinien für eine Hausgeburt. Die NICE guidelines sind anerkannte Leitlinien, die sagen, was viele nicht hören wollen: Wenn es der Frau gut geht und sie ein geringes Risiko hat – weil kein Risiko gibt es in der Medizin nicht – dann ist sie sicherer in einem Hebammenkreissaal oder Zuhause als in einem hoch spezialisierten Kreissaal.

Bei Frauen mit geringem Risiko kommt laut dem Primar der Neonatologie-Abteilung und der Neugeborenen-Intensivstation Dr. Hubert Messner bei der Geburt aber jeweils ein Risiko von 30 Prozent auf …
Ich möchte wissen, wie viele dieser Risiken hausgemacht sind, also wie viele aufgetreten sind, weil man die Geburt beschleunigen wollte oder sich die Frau nicht völlig entspannen konnte. In der jahrelangen Diskussion werden leider immer nur die Risikofaktoren einer schwierigen Geburt hervorgehoben, aber die Risikofaktoren einer zu hohen Medikalisierung, die ebenso bewiesen sind, von denen sprechen nur wenige.
Wir Hebammen wissen, dass es zu Problemen kommen kann, wenn sich eine Frau nicht wohlfühlt. Manchmal ist es auch so, dass Frauen die Hebamme bei der Geburt durchgehend bei sich bräuchten, dies aber nicht möglich ist, weil sie mehrere Geburten zeitgleich betreuen muss.

Bräuchte es mehr Hebammen?
Auf jeden Fall. Wir würden uns eine One-to-one-Betreuung wünschen, aber das ist schwierig. Deswegen holen sich die Frauen, die es sich leisten können, oft eine freiberufliche Hebamme dazu.

Was war Ihre kurioseste Anfrage als Hebamme?
Ich kann mich daran erinnern, dass eine Frau an einem mystischen Ort im Wald bei Eppan gebären wollte und dabei eine Hebamme gesucht hat, die sie begleitet. Da bin ich aber streng. Als Hebammen und Professionisten müssen wir bestimmte Sicherheitskriterien gewährleisten. So etwas kann man nicht unterstützen.

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